Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.1.12

Rechtsanwalt darf Kollegen nicht als Winkeladvokaten bezeichnen

Nach Ansicht des Landgerichts Köln (Urteil vom 15.11.2011, Az.: 5 O 344/10) darf ein Anwalt einen Berufskollegen auch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nicht als Winkeladvokaten bezeichnen. Der beklagte Rechtsanwalt hatte in einem Zivlprozess eine von ihm verfasste E-Mail, die an die Rechtsanwaltskammer gerichtet war, vorgelegt, in der er die Kanzlei des gegnerischen Kollegen als „Winkeladvokatur“ bezeichnet hatte.

Nach Ansicht des Landgerichts Köln stellt dies einen Angriff auf die Ehre und Persönlichkeitsrechte des Klägers dar und ist als sog. Schmähkritik aufzufassen.

Die Entscheidung des Landgerichts Köln halte ich bereits im Tenor für fragwürdig, weil stets nur zur Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung verurteilt werden kann. Nachdem der Beklagte nur von „Winkeladvokatur“ gesprochen hat und der Begriff „Winkeladvokat“ nicht verwendet wurde, ist der Urteilsausspruch zu weitgehend.

Es stellt sich bei Lektüre des Urteils ganz generell die Frage, ob das Landgericht die umfassende Gesamtwägung, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH und des BVerfG im Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht, geboten ist, ausreichend vorgenommen hat. Denn bereits der Tatbestand deutet darauf hin, dass mit „Winkeladvokatur“ der Umstand unschrieben worden ist, dass der klagende Anwalt mit seiner Kanzlei abwechselnd als Kooperation und als Sozietät aufgetreten ist, was der Beklagte als berufsrechtlich problematisch angesehen hatte. Wenn man die Aussage in diesem Kontext betrachtet, dann erscheint, entgegen der Ansicht des Landgerichts, nämlich nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund zu stehen, sondern vielmehr die Kritik an einem bestimmten beruflichen/geschäftlichen Auftreten. Zumindest kann nicht angenommen werden, dass die Äußerung überhaupt nicht mehr der Sachauseinandersetzung diente, sondern nur noch der Herabsetzung der Person. Genau das ist aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Voraussetzung einer Schmähkritik. Es ist vorliegend wohl sogar so, dass die Bezeichnung „Winkeladvokatur“ primär auf die Kanzlei des Klägers und nicht so sehr auf die Person bezogen war.

Das Landgericht Köln erkennt zwar an, dass der Ausdruck anlässlich einer sachthemenbezogenen Auseinandersetzung verwendet worden ist, meint aber dennoch, der Begriff Winkeladvokatur hätte allein der Diffamierung gedient. Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des BGH selbst Äußerungen wie „Lüge“, „Täuschung“, „Vertuschung“ oder „Korruption“ in einem geeigneten Kontext von der Meinungsfreiheit gedeckt sein können, wenig überzeugend. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung auch davon aus, dass an die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik strenge Maßstäbe anzulegen sind.

Diese höchstrichterlichen Vorgaben hat das Landgericht Köln in seiner Entscheidung nicht ausreichend beachtet und zu Unrecht zur Unterlassung verurteilt.

 

posted by Stadler at 15:43  

11 Comments

  1. Sehr schön. Vielen Dank.

    Comment by fernetpunker — 13.01, 2012 @ 17:28

  2. Interessant. Kleiner Hinweis: Der Eingangsstempel ist nicht anonymisiert.

    Comment by RA — 13.01, 2012 @ 18:43

  3. Na ja. So sieht Rechtunsicherheit aus.

    Comment by Rolf Schälike — 13.01, 2012 @ 20:26

  4. spätestens seit dem Buskeismus wissen wir doch alle das Winkeladvokaten nicht nur in Kanzleien sitzen.

    mfg
    yb

    Comment by yah bluez — 13.01, 2012 @ 21:14

  5. Was Sie verschweigen ist, dass der Beklagte den Kläger bereits zuvor (erfolgslos) bei der Rechtsanwaltskammer und bei der Staatsanwaltschaft wegen eines völlig gleich gelagerten Sachverhalts angezeigt hatte.

    Dann seh ich bei der Äußerung im Rahmen der neuen Beschwerde duchaus nur Diffarmierung.

    Comment by luDa — 14.01, 2012 @ 08:06

  6. Unabhängig von den unterschiedlichen Rechtsansichten frage ich mich doch, ob sich der betriebene Aufwand wegen einer solchen Bezeichnung lohnt.

    Comment by Rechtsanwalt Potsdam — 14.01, 2012 @ 14:43

  7. @ 6. Wäre denn „advocatus angulus“ dem Vorgange angemessen?

    Comment by Non Nomen — 14.01, 2012 @ 16:56

  8. Rechtskraft eingetreten?

    Comment by Werner Siebers — 14.01, 2012 @ 21:06

  9. @7 vermutlich eher ‚advocatus in angulo‘ – strittig ist wohl nur, ob es sich um einen Advokaten im stillen Winkel oder um einen im Gefängnis handelt: https://de.wikipedia.org/wiki/Winkeladvokat

    :)

    Comment by Stefan Heßbrüggen-Walter — 15.01, 2012 @ 03:39

  10. @Werner Siebers
    Kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich hätte zur Berufung geraten.

    Comment by Stadler — 15.01, 2012 @ 17:44

  11. Wenn man da Anfängt, kommt man aus dem Klagen und Prozessieren nicht raus.
    Es ist besser den Rat „ora et labora“ der alten Mönche zu verinnerlichen und dasselbe zu tun.

    Comment by Paul — 16.01, 2012 @ 14:05

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