Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.1.12

Einigung über Neonazi-Datei

Nach Presseberichten haben sich das Innen- und das Justizministerium auf die Einrichtung der seit einigen Wochen diskutierten „Verbunddatei Rechtsextremismus“ (Neonazi-Datei) geeinigt.

Weil sich Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger daran gestört hatte, dass nach den Vorstellungen des Innenministeriums neben gewalttätigen auch gewaltbereite Personen zentral erfasst werden sollten, wurde nach einem Bericht der SZ der Begriff der „gewaltbereiten“ durch den der „gewaltbezogenen“ Personen ersetzt.

Nun ist der Begriff der gewaltbezogenen Personen bislang allerdings weder geläufig, noch erschließt sich seine Bedeutung ohne weiteres. Personen die einen Bezug zur Gewalt haben? Das wäre womöglich aber noch weiter als gewaltbereit.

Weil man sich nicht einigen konnte, hat man offenbar einen unbestimmten Rechtsbegriff durch einen anderen, weniger geläufigen ersetzt und überlässt die Auslegung zunächst den speichernden Polizeibehörden und irgendwann natürlich den Gerichten, sollte jemand gegen seine Aufnahme in die Datei klagen. Damit wird wohl in der Praxis aber zunächst genau das passieren, was das Justizministerium vermeiden wollte, nämlich, dass nicht nur gewalttätige Personen erfasst werden, sondern alle, bei denen man meint, irgendeinen Gewaltbezug erkennen zu können.

Außerdem heißt es, dass nur Daten verurteilter und beschuldigter Rechtsextremer gespeichert werden sollen und nicht die von Verdächtigen. Auch dieser Kompromiss ist wohl eher eine Mogelpackung. Denn der Beschuldigte unterscheidet sich vom Verdächtigen ja nur durch den Umstand der Einleitung eines Ermittlungsverfahren. Und diese Formalie stellt keine relevante Hürde dar.

Das Ganze klingt nicht nur nach einem faulen Kompromiss, sondern es ist auch einer.

posted by Stadler at 20:58  

4 Comments

  1. Ich war vor einigen Jahren bei einer (bürgerlichen) Anti-Nazi-Demo nicht schnell genug beim Weggehen und habe durch einen polizeilichen Knüppel Gewalt bezogen. Muss ich jetzt auf die Liste?

    Was für ein fürchterlicher Ausdruck. Was soll „gewaltbezogen“ denn aussagen?

    Ich kenne Bildungen mit -bezogen bisher nur so, wie sie auch im Duden stehen:

    -bezogen

    drückt in Bildungen mit Substantiven aus, dass die beschriebene Sache auf etwas bezogen ist, nur etwas allein betrifft

    Beispiel: anwendungs-, objekt-, personenbezogen

    Mir fällt keine sinnvolle analoge Deutung von „gewaltbezogene Personen“ ein.

    Comment by JK — 5.01, 2012 @ 01:17

  2. Der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung mit rechtsextremem Hintergrund ist zwar keine übergroße Hürde, aber es ist schon eine. Sie dürfte grob geschätzt 99,99 % der Bürger dieses Landes von einer Aufnahme in diese Datei ausschließen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Anfangsverdacht

    Comment by fernetpunker — 5.01, 2012 @ 01:27

  3. Hmm, die 0,01% der Erwachsenen wären gerade mal um die 6000. Der Verfassungsschutz schätzt die Anzahl der gewaltbereiten Rechtsextremen bereits auf über 10000. Mit den „Gewaltbezogenen“ dürfte die Zahl leicht auf das zehnfache steigen.

    Comment by Ein Mensch — 5.01, 2012 @ 01:49

  4. @Ein Mensch, es gibt (Ihrer Meinung nach) ernsthaft hunderttausend Personen, gegen die schon mal wegen rechtsextremer Delikte zumindest ermittelt worden ist? Das bezweifle ich, hilfsweise korrigiere ich meine grobe Schätzung auf 99,90 Prozent der Bürger in Deutschland.

    Comment by fernetpunker — 5.01, 2012 @ 05:00

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