Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.12.11

Deutsche Bank möchte Verbreitung eines Dokumentarfilm untersagen

Netzpolitik.org berichtet heute über einen Fall, in dem die Deutsche Bank versucht, die Veröffentlichung eines Mitschnitt eines Telefonats mit dem Pressesprecher der Deutschen Bank im Rahmen eines Dokumentarfilm zu verhindern.

Der Pressesprecher hatte in dem Telefonat, in dem es um den Hunger in Somalia, den Einfluss der Banken beim Handel mit Agrarrohstoffen und die Ursachen des Elends in Afrika ging, u.a. wörtlich gesagt: „Natürlich sind die selbst schuld“. Dieses Telefonat wurde vom „Zentrum für politische Schönheit“ aufgezeichnet und in dem Dokumentarfilm „Schuld – Die Barberei Europas“ wiedergegeben.

Das missfällt der Deutschen Bank und sie hat den Inhaltsverantwortlichen Philipp Ruch abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert. Die Rechtsabteilung der Deutschen Bank fordert, dass der Film bei YouTube gelöscht wird und die weitere Verbreitung des Films – mit der fraglichen Sequenz – unterlassen wird. Entlarvenderweise spricht die Rechtsabteilung der Deutschen Bank in ihrem Abmahnschreiben selbst von einem Interview mit ihrem Pressesprecher.

Dieser Fall wirft die durchaus interessante Frage auf, unter welchen Voraussetzungen zum Zwecke der Berichterstattung heimliche Ton- oder Filmaufnahmen gefertigt werden dürfen. Grundsätzlich ist nämlich das unbefugte Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes strafbar (§ 201 StGB), ebenso wie Bildaufnahmen im höchstpersönlichen Lebensbereich (§ 201a StGB).

Diese Fragestellung ist derzeit auch Gegenstand von anhängigen Verfahren beim Landgericht Hamburg, wobei das LG Hamburg – wenig überraschend – zu einer eher pressefeindlichen Haltung neigt. Anders hat beispielsweise das OLG Düsseldorf entschieden und heimliche Film- und Tonaufnahmen eines Fernsehsenders in einer Arztpraxis für zulässig erachtet.

Nach meiner Einschätzung ist der Fall „Deutsche Bank vs. Zentrum für politische Schönheit“ wesentlicher eindeutiger als der vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedene Fall. Bereits die strafrechtliche Kommentarliteratur geht davon aus, dass bei Telefongesprächen im Geschäfts- und Behördenverkehr oftmals eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht kommt. Das gilt m.E. in besonderem Maße für den Pressesprecher eines großen Unternehmens, der telefonische Auskünfte erteilt bzw. Fragen beantwortet. Nachdem gerade ein Pressesprecher immer damit rechnen muss, dass seine Aussagen veröffentlicht werden, ist schon die Frage, ob überhaupt von einer „Vertraulichkeit des Wortes“ ausgegangen werden kann.

Auch wenn der Straftatbestand des § 201 StGB kein Presseprivileg kennt, müssen dennoch stets die Auswirkungen von Art. 5 GG berücksichtigt werden. Das OLG Düsseldorf hat dies folgendermaßen formuliert:

Jedoch weist bereits die Formulierung des Tatbestandes, nach der – nur – das unbefugte Fertigen solcher Aufzeichnungen verboten ist, darauf hin, dass in diesem Bereich besonders häufig Rechtfertigungsgründe vorliegen werden (Hoyer in SK-StGB, 7. Aufl. 56. Lfrg. § 201 StGB Rn. 34; Fischer StGB, 56. Aufl., § 201 Rn. 9). Hier kommt insbesondere eine Rechtfertigung durch Bejahung eines überwiegenden Interesses bei der Güter- und Interessenabwägung in Betracht (Fischer a.a.O. Rn. 11). Dabei kann dahin stehen, ob sich dies normativ aus einem an § 34 StGB angelehnten Rechtfertigungsgrund ergibt (so wohl Fischer a.a.O.) oder ob sich die Rechtfertigung daraus ergibt, dass der besondere Rechtfertigungsgrund des „überragenden öffentlichen Interesses“ bezüglich der Veröffentlichung in § 201 Abs. 2 S. 3 StGB eine Sperrwirkung auch schon für die Fertigung der Tonaufnahmen entfaltet (so Hoyer a.a.O. Rn. 36), denn jedenfalls ist die für Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht charakteristische Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall auch hier geboten. Die Vielgestaltigkeit denkbarer Zusammenhänge steht auch hier einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch entgegen.

Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Pressesprechers der Deutschen Bank, der in Ausübung seines Berufes am Telefon Fragen beantwortet, muss als äußerst gering eingestuft werden, während für die Gegenposition ein legitimes Berichterstattungsinteresse streitet. Die notwendige Güterabwägung ist in diesem Fall also eindeutig.

Juristisch steht die Abmahnung der Deutschen Bank daher auf ganz schwachen Beinen, was freilich nicht bedeutet, dass man nicht doch beim Landgericht Hamburg eine einsweilige Verfügung erwirken kann.

Unabhängig von der rechtlichen Betrachtung hat die Deutsche Bank aber offenbar auch nie etwas vom Streisand-Effekt gehört. Deshalb: Spread The Word!

posted by Stadler at 15:11  

9 Comments

  1. kann dem nur zustimmen.
    was ist eine pressestelle ? eine verbindung zur öffentlichkeit/ presse.

    Man hat diesen pressesprecher NICHT zuhause angerufen, oder außerhalb seiner arbeitszeit.

    Comment by Na ME — 16.12, 2011 @ 16:12

  2. Das Update bei netzpolitik.org weist darauf hin, dass eine Einwilligung zur Aufzeichnung vorlag (laut Vertreter des Zentrums für politische Schönheit). Das dürfte die rechtliche Diskussion – falls das stimmt – fast schon zur Makulatur verkommen lassen.

    Comment by Drizzt — 16.12, 2011 @ 19:47

  3. @Drizzt

    laut Vertreter des Zentrums für politische Schönheit

    Genau das ist die rechtliche Diskussion, denn raten Sie mal wer angeben wird, diese Einwilligung hätte es (vielleicht sogar: explizit) nicht gegeben.

    Comment by VonFernSeher — 16.12, 2011 @ 21:22

  4. Spread the word?
    Done :).

    Comment by A.Reichhardt — 16.12, 2011 @ 21:38

  5. Danke für die Aufklärung. Ich war mit Bauchgrimmen schon geneigt, zu denken, die Deutsche Bank wäre hier wohl im Recht.

    Comment by Henning — 17.12, 2011 @ 01:49

  6. Bleibt weiter dran und schreibt, wie es ausgegangen ist. Es kann ja nicht sein, dass öffentliche Worte später nicht mehr als öffentlich ausgelegt werden können.

    Comment by Peter1962 — 17.12, 2011 @ 08:49

  7. Ich finde, das journalistische Vorgehen in dem Video ist unterirdisch und unprofessionell. Man sieht in weiten Strecken keine Fakten, sondern nur den Hauptdarsteller, der irgendwo im öffentlich Raum rumläuft, den er für seinen Film für wichtig hält. Die Schleichwerbung für Apple war auch nicht nötig. Wir wissen, dass das iPhone bei den Besserverdienenden überwiegt. So wie ich den Film gesehen habe, hat der Angerufene nicht am Anfang des Anrufes einen Mitschnitt und eine öffentliche Ausstrahlung zugestimmt. (Ich bin auch mal von einem psychisch irritierten angerufen worden, von dem ich kaum rausbekam, was der wirklich wollte und der am Ende dann bekannt gab, dass der Anruf aufgenommen worden war als Beweis für seine Verschwörungstheorie. Unterirdisch.)

    Gar nicht gut finde ich, dass die Formulierung “Natürlich sind die selbst schuld”, so exponiert wird, da sie der Anrufer vorformuliert hat, um sie dem Angerufenen in den Mund zu legen, der in die Falle getreten ist. Das Auslegen von Fallen und Ausbeuten eingetreten ist unterirdisch. Unabhängig vom Strafrecht.

    Rechtlich finde ich es bedenklich, dass die Meinung des Pressesprechers der Deutschen Bank unterschwellig als Meinung der Deutschen Bank verkauft wird, obwohl die Bank offiziell erklärt hat, dass das nicht die Meinung der Bank sei.

    Man kann über Fehlentwicklungen im Nahrungsbereich in Afrika auch seriös berichten. Ein Bekannter von mir hat dafür den Helmut-Schmidt-Journalistenpreis bekommen:

    „Hühner für Afrika – vom Unsinn des globalen Handels“
    http://www.3sat.de/page/?source=/ard/sendung/147509/index.html
    http://www.youtube.com/watch?v=r8eB91ygD9A

    Bei dem Hühnerfilm geht es darum, dass wir in Europa zu viel Hühnerbrust (ohne Extremitäten) essen und die Abfallteile der Hühner nach Afrika schicken, wo wir sie für 2,50 €/kg auf den Markt bringen und damit die lokalen Hühnermärkte (5 €/kg) zerstören. Da gehen die Hühnerfarmen pleite.

    Natürlich ist es entlastend, wenn wir irgendeinen Sündenbock suchen und wie im Alten Testamente in die Wüste schicken, damit wir selbst entlastet werden.

    Aber haben wir genug Druck nach 2008 auf unsere Parlamente gemacht, damit die Finanzmärkte auf eine erträgliches Maß reguliert werden? Haben wir die Tobinsteuer durchgesetzt? Nein, wir haben nichts (in Worten 0) gemacht. Statt dessen lassen wir die Zocker weiter zocken, reden von €-Problemen, wenn das unregulierte globale Finanzsystem nicht mehr funktioniert und lassen es weiter zu, dass Banken mit wenig Eigenkapital viel Kredit zu Null Kosten von der Bundesbank hebeln und dann für 16% Zinsen verkaufen (je schlechter gerated, desto größer das Geschäft). Und wir sehen tatenlos zu, dass für den Kapitalmarkt völlig risikofrei ist: kann ein Schuldner nicht zahlen, springt der Staat ein.

    Da ist es natürlich glücklich, wenn wir für die globale Zockerei mit Aktien, Krediten, Rohstoffen einen Sündenbock finden, damit wir weiter tatenlos bleiben können.

    Comment by Wolfgang Ksoll — 17.12, 2011 @ 15:24

  8. Mir stellt sich eine ganz andere Frage. Das Schreiben der Rechtsabteilung der Bank findet sich unter:

    https://www.facebook.com/photo.php?fbid=262371597151232&set=a.104887069566353.10809.104873672901026&type=1&ref=nf

    Darin ist nur von Rechten des Pressesprechers die Rede. Trotzdem kündigt die Rechtsabteilung Strafantrag und Klage an. Seit wann dürfen die auch einzelne Mitarbeiter vertreten?

    Soll heißen, verstößt die Rechtsabteilung da nicht ihrerseits gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz? Wäre ein Fall exquisiter Inkompetenz, soll aber vorkommen.

    Comment by Walter Klotz — 17.12, 2011 @ 23:46

  9. Ich möchte Ihnen das Urteil des BGH in meiner Angelegenheit betr. Wahrung meines Persönlichkeitsrechtes gegen Henryk Broder zuschicken.
    Ich war unterlegen, weil Broder/Hessischer Rundfunk die Bedeutung des Zeitgeschehens für sich in Anspruch nehmen konnte.
    siehe hier
    Entscheidungen » Suchergebnis » Urteil des VI. Zivilsenats vom 11.6.2013 – VI ZR 209/12
    Dazu bedarf es noch eines Kommentars…..

    Comment by Elke Zwinge-Makamizile — 19.08, 2013 @ 12:13

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