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Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

15.11.11

EGMR: Journalistin darf Anwalt nicht Nachlässigkeit vorwerfen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute (Appl. no. 39900/06) entschieden, dass in einer Berichterstattung über einen Strafprozess einem Anwalt nicht Nachlässigkeit vorgeworfen werden darf.

Unter der Überschrift „A Lawyer’s Nonchalance?“ wurde in dem besagten Zeitungsartikel behauptet, der Anwalt hätte seine Berufspflichten verletzt, weil er zu einer gerichtlichen Anhörung untentschuldigt nicht erschienen sei.

Dies wertete der EGMR als unrichtige Tatsachenbehauptung, die von einem polnischen Gericht untersagt werden durfte.

Eine deutliche Absage erteilte der EGMR allerdings der Ansicht des zweitinstanzlichen polnischen Gerichts, wonach Journalisten bei der Prozessberichterstattung nur über Tatsachen berichten dürfen und sich persönlicher Meinungsäußerungen enthalten sollen. Derartige Ansätze hält der EGMR zu Recht für nicht mit der Rolle der Presse vereinbar.

(via e-comm)

posted by Stadler at 17:46  

4 Comments

  1. Ist immer sehr dünnes Eis.

    Comment by vera — 15.11, 2011 @ 18:05

  2. Die Pauschalität, mit der der erste Satz behauptet, man dürfe einen Anwalt in Berichten nicht nachlässig nennen, entspricht nicht der Entscheidung des Gerichts. Ich nehme doch an, dass es eine Entscheidung in einem besonders gelagerten Einzelfall war. Man wird also auch künftig sehr wohl einen objektiv nachlässigen Anwalt in einem (Straf-)Prozess seine Nachlässigkeit vorwerfen und darüber auch berichten dürfen.

    Comment by M. Boettcher — 15.11, 2011 @ 21:31

  3. Man wird also auch künftig sehr wohl einen objektiv nachlässigen Anwalt in einem (Straf-)Prozess seine Nachlässigkeit vorwerfen und darüber auch berichten dürfen.

    Alles andere wäre auch ’ne Farce, die als verkleidete Zensur daherkommt! Ich weiß zwar nicht, ob die Anwälte in Polen -wie hier- einen Eid schwören die „verfassungsmäßige Ordnung“ zu wahren, dafür könnte ich mir aber ganz gut vorstellen wie die Berichterstattung in den folgenden -frei erfundenen- Fällen wohl aussehen würde:

    Verantwortlicher Chirurg ist zu einer Notoperation am offenen Herzen unentschuldigt nicht erschienen…
    Nein, als „Nachlässigkeit“ könnte man solch einen fauxpas natürlich nicht bezeichen. Denn wenn man das als „Nachlässigkeit“ bezeichnen würde, müsste man schließlich damit rechnen beim EGMR vorsprechen zu müssen… Also: Schwamm drüber, „shit happens“.

    Verantwortliche Feuerwehr ist zum Löschen eines Großbrandes unentschuldigt nicht erschienen.
    Nein, auch das etwa als „Nachlässigkeit“ zu sehen wäre äußerst anmaßend und hochgradig menschenrechtsverachtend!

    Bei aller Liebe, aber muss man sich wirklich wegen so ’nem Fliegenschiss bis zum EGMR hochprozessieren? Es gab ‚mal Zeiten, da wurden „unrichtige Tatsachenbehauptung“ entweder als „Ente“ abgetan oder mit ’ner Gegendarstellung in der nächsten Ausgabe korrigiert.
    Dem Anwalt hat man wohl in seiner Kindheit zu oft das Förmchen aus’m Sandkasten weggenommen, oder? Darf ich das jetzt überhaupt so schreiben, oder muss ich mir jetzt zur Strafe ’n Holland-Trikot überstreifen?

    Naja, is‘ ja eigentlich auch egal – Europa hat ja sonst keine Probleme.
    Demnächst wird ja auch Wolfgang Overath Präsident von Italien und Berlusconi kommt dafür nach Köln…oder so!?

    Gute Nacht, Baxter

    Comment by Baxter — 16.11, 2011 @ 00:03

  4. Natürlich ist das ein Einzelfall und hängt u.a. damit zusammen, dass in dem Artikel behauptet wurde, der Anwalt hätte einen Termin unentschuldigt versäumt, was offenbar nicht zutreffend war.

    Comment by Stadler — 16.11, 2011 @ 09:26

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