Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.11.11

Die Piraten und das Urheberrecht

Dem Journalisten Dirk von Gehlen, der unlängst das lesenswerte Buch „MashUp – Lob der Kopie“ veröffentlicht hat, liegt eine Reform des Urheberrechts am Herzen. Deshalb stellt er in der SZ die Frage „Haben die Piraten ihren Gründungsauftrag vergessen?“ und bemängelt, dass sich die Partei derzeit angeblich nicht für eine Änderung des Urheberrechts einsetzt.

Mit Interesse habe ich in meiner Twitter-Timeline verfolgt, dass er dafür sehr häufig von Mitgliedern und Anhängern von SPD und Grünen Beifall bekommen hat. Und das obwohl der Artikel inhaltlich an der Sache vorbei geht, was aber in parteipolitischen Auseinandersetzungen noch selten ein Argument war.

Die Conclusio von Gehlens lautet:

Die Piraten würden gut daran tun, sich an die digitale Bürgerrechtsbewegung zu erinnern und das Urheberrecht auch gegen Widerstände als zentrales Thema zu benennen

Dieser Satz fasst auch gleich die beiden zentralen Missverständnisse des Artikels zusammen. Zumindest nach meinem Verständnis ist das Urheberrecht nicht das Kernthema einer digitalen Bürgerrechtsbewegung. Jedenfalls nicht in dem Maße wie Vorratsdatenspeicherung oder Netzsperren es sind. Und über urheberrechtliche Fragen wird auch nicht im Berliner Abgeordnetenhaus entschieden. Das Urheberrecht fällt vielmehr in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 GG). Und die Bundespartei der Piraten diskutiert sehr wohl über eine Reform des Urheberrechts, wie ich erst heute wieder gelesen habe und zumindest in der Tendenz auch so wie von Gehlen sich das wünscht.

Die Kritik von Gehlens reiht sich ein in eine derzeit häufig anzutreffende Form des Piratenbashings und bewegt sich inhaltlich deutlich unterhalb des Niveaus, das man sonst von ihm gewohnt ist.

posted by Stadler at 20:46  

13 Comments

  1. Man wäre fast versucht, Beckedahl und von Gehlen ein schmerzhaftes Aufmerksamkeitsdefizit zu unterstellen, aber da gibt es sicher noch andere Motive. Beispielsweise wäre ein aktionistisches Eintreten der Berliner Piraten-Fraktion ein probates Mittel, es sich nachhaltig mit parlamentarischer Verwaltung, den Gremien und mit den Medien zu verderben. Jeder kennt die Neigung demagogischer und/oder rechter Oppositionsparteien, mit Anfragen zu irrelevanten Themen die Arbeit eines Landesparlamentes zu torpedieren; DVU, Republikaner und NPD waren darin schon immer meisterhaft und haben bewiesen, dass sie die parlamentarische Demokratie verachten. Wer hier eine parteipolitische Profilierung einfordert und die parlamentarische Geschäftsordnung als „Widerstand“ bezeichnet, disqualifiziert sich als ernst zu nehmender Diskussionspartner.

    Comment by bee — 8.11, 2011 @ 21:10

  2. Mh, offensichtlich hab ich den Artikel grundlegend anders gelesen als du.

    Er ist mir als Kritik vorgekommen, das zwischen anderen politischen Spielereien der Kern der Sache verloren geht. An der VDS oder Netzsperren wurde imho zurecht keine Kritik geäußert, da sich hier insgesamt zur Zeit alles „etwas beruhigt“ hat. Beide Themen sind nicht mehr im Tagesgeschäft und können in Ruhe diskutiert werden, außerdem geht es hier hauptsächlich darum zu verhindern. Groß über alternativen muss nicht gestritten werden, da sie letzendlich auf das gleiche hinauslaufen: Technischer Irrsinn oder Generalverdacht.

    Das Urheberrecht hingegen (und hier seh ich gar nicht bei den Berlinern so DEN handlungsbedarf und hab das eigentlich auch nicht aus’m Artikel rausgelesen) ist Reformbedürftig, d.h. hier muss a) Das alte abgelehnt werden
    b) Ein neues konzipiert werden
    c) Angegriffen wird, nach meinem Verständnis, das im Gegensatz zur „früheren Lebendigkeit“ wenn du so willst, der Berliner erfolg hochgelobt wird und damit gesagt wird „jut, nun sind wir etabliert, der Rest wird schon von alleine geschehen.“. Das Verhalten vieler kommt auch bei mir so an. „Wir sind nun in der Politik, lasst uns Politik machen“ wäre vielleicht so eine Beschreibung dafür, etwas dessen ich mich die letzten .. sagen wir 6-12 Monate auch nicht erwehren kann. Die Piraten werden immer Größer und der nächste Talkshowauftritt und die Öffentlichkeitswirkung sind relevanter als die Entscheidung für Inhalte, nach dem was für „richtig“ gehalten wird (Das Patent auf richtig hat ja niemand).

    Wenn ich kurz vor der Wahl in einer Diskussion über das Inzestverbot auf der BaWü Mailingliste les „es ist zwar richtig, das es aus wissenschaftlichem Standpunkt überhaupt keinen Sinn macht, aber vor der Wahl können wir sowas doch nicht sagen, wie würde das in der Presse kommen“ wird mir schlecht. Und dieser Unfug wiederholt sich vermehrt. Man ist nett zueinander und auch zum politischen Gegner den man Intern gern mal als Vollidioten hinstellt, man sagt „wenns nicht zuviele Umstände macht könnten wir mal…“ anstatt zu sagen „hier steh’n wir, #ausGründen und hier geh’n wir auch trotz gegenwind nicht weg“.
    Ich habs bei der Tauss Debatte mal zusammengefasst, geht hier zwar gezielt am Thema vorbei aber bemängelt die gleichen Tendenzen, daher:
    https://plus.google.com/118373961295508538674/posts/S5utTiHnPKS

    Gruß Dave

    Comment by Klischeepunk — 8.11, 2011 @ 21:26

  3. Ich glaube, Sie denken zu linear :-)

    Fakt ist, dass eine Reform des Urheberrechts angemahnt wird. Zu Recht.
    Fakt ist, dass man das der CDU/CSU nicht zutraut, sondern sie als verlogene Heuchler hinstellt:
    „Märchenonkel dieser medialen Erzählung ist Peter Altmaier. Der CDU-Politiker sitzt seit 1994 im Bundestag. Er hat 2007 für die Vorratsdatenspeicherung und 2009 für das Netzsperrengesetz gestimmt.“

    Fakt ist auch, dass den schwedischen Gründungsvätern der Piraten um das Urheberrecht ging. Fakt ist auch, dass das Berliner Abgeordnetenhaus keine Gesetzgebungskompetenz für das Urheberrecht hat.

    Aber müssen wir annehmen, dass es linear darum geht, dass die Oppositionspartei Piraten in Berlin nun das Urheberrecht der Gegenwart anpasst und es zukunftsfähig macht?

    Die Piraten werden benutzt, um das Thema am Köcheln zu halten, aber die klassischen Parteien werden blossgestellt und als unbrauchbar herausgearbeitet, so dass die Stimmen den Piraten in den Schoss getrieben werden.

    Fakt ist, dass der Regierung keiner mehr glaubt und so Heuchler wie CDU nur noch für durchgeknallte Realitätsverweigerer wählbar sind. Beispiel:

    Im Grundsatzprogramm der CDU wird immer noch verbreitet:
    „Auf absehbare Zeit kann auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland
    nicht verzichtet werden.“
    http://www.grundsatzprogramm.cdu.de/doc/080215-grundsatzprogramm-kurz.pdf

    Die klassischen Politiker machen exakt das Gegenteil von dem, was sie verarschend der Bevölkerung immer noch unter die Nase reiben. Das sind unverantwortliche Spinner, die die Republik in den Abgrund zocken (wie Mappus mit seiner ENBW-Plünderung der Staatskasse und der kriminellen Verheimlichung der S21-Kosten). Dies Volksverarschung der CDU neigt sich nun dem Ende.

    Jeder verzweifelte Rettungsversuch, den Lügner wie Altmeier oder Doro Bär machen, macht die Piraten nur fetter.

    Wir können daher ganz in Ruhe neue Vorschläge für die Reform des Urheberrechtes machen. Die lügenden Störer von der CDU, die immer noch erzählen, ohne Kernenergie geht es nicht, brauchen uns nicht mehr zu irritiere. Das hat der Artikel erneut klar gemacht.

    Comment by Jan Dark — 8.11, 2011 @ 21:44

  4. Interessanter Antrag. Als Sofortmassnahme für eine Partei mit Regierungsmehrheit durchaus denkbar, als Vision einer Oppositionspartei vollkommen unbrauchbar.

    Comment by Ein Pirat — 9.11, 2011 @ 02:41

  5. @3 “Auf absehbare Zeit kann auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland
    nicht verzichtet werden.”
    Ja und? Die absehbare Zeit geht nach jetzigem Plan bis 2022… :^)

    Comment by suchenwi — 9.11, 2011 @ 09:55

  6. Für diesen Inhalt ab! Aber es ist immer noch gut! Ich empfehle hier zu sehen! http://urlzoomr.cc/HPx1Y

    Comment by miahdug — 9.11, 2011 @ 10:34

  7. „@Ein Pirat“: Warum sollte im ersten Ansatz ein Positionspapier einer außerparlamentarischen Oppositionspartei unbrauchbar sein? Magst Du das bitte konkretisieren?

    @Stadler: Danke für den Hinweis auf den Antrag, der knapp 1 Jahr Zeit zur ‚Reifung‘ benötigte. Die ursprünglichen Diskussionsansätze sind ja innerhalb der Partei auch schon ein bißchen älter (was leider weder im SZ-Artikel noch bei netzpolitik ansatzweise erwähnt wird), z.B. https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/426.html

    Comment by Grumpy — 9.11, 2011 @ 10:38

  8. Meine Frage lautet: Warum heißen die eigentlich Piraten? Wenn das Urheberrecht nicht das Kernthema ist, stellt sich diese sogar Frage doppelt. Immerhin war es mal so sehr Thema, dass es zur Namensgebung reichte.

    Comment by Dirk von Gehlen — 9.11, 2011 @ 22:55

  9. @Dirk von Gehlen:
    Das Urheberrecht mag ja das hauptsächliche Gründungsthema der Piraten sein. Ich widerspreche nur Ihrer Aussage, dass es das Kernthema der digitalen Bürgerrechtsbewegung ist.

    Comment by Stadler — 10.11, 2011 @ 09:40

  10. @8 Die Piratenpartei Deutschland heißt „Piraten“, weil sie das Kernprogramm mit der weltweiten Piratenbewegung teilt. Von Argentinien, Kanada über Kasachstan bis Neuseeland, mit einem Häufungspunkt in Europa. Gewählte Piraten sitzen bisher im Euro-Parlament sowie in (meist) Kommunalvertretungen in Tschechien, Deutschland, Schweiz und Spanien. Wir sind untereinander in Kontakt, und sei es auf Twitter.

    Comment by suchenwi — 10.11, 2011 @ 10:20

  11. @Thomas Stadler: das sehen Boyle und Falkvinge halt anders! Niveauvollen Gruss ;-)

    Comment by Dirk von Gehlen — 10.11, 2011 @ 11:08

  12. @Thomas Stadler: Für Deutschland mag das zutreffen, für die meisten DIgital Rights Organisationen in anderen Ländern, wie EFF, La Quadrature du Net, Open Rights Group, etc. ist das Thema aber zu wichtig, um es nebensächlich zu behandeln. Immerhin werden mit der Begründung „Urheberrechte sichern“ viele Rahmenbedingungen geschaffen, die ein offenes Internet gefährden.

    Für mich ist daher das Urheberrecht eines der zentralen Kernthemen der digitalen Bürgerrechtsbewegung. Nicht umsonst, wird es auch „Magna Carta der Informationsgesellschaft“ genannt.

    Comment by Markus — 10.11, 2011 @ 11:28

  13. Zum Piratenbashing:

    Es ist zimelich dümmlich, den Gründungsmythos einer Partei zu verabsolutieren und betonieren zu wollen. Es wäre ziemlich blödsinnig, die Kriegssehnsucht des Joschka Fischer, der wie Angela Merkel keinen Krieg auslassen wollte („Nie wieder Krieg ohne uns: Jugoslawien zerlegen, Afghanistan mit Drohnen 10 Jahre sieglos terrorisieren, in den Irak mit Märchen der Verbrecherbande Bush, dem Lügner Powell und anderen Kriminellen einziehen (wie Fischer und Merkel es vorhatten, Schröder und der Pöbel auf der Straße (1 Mio in Berlin) es verhinderten). Da ist nichts Grünes an dem Kriegswahn des Joschka Fischer, da ist nichts Grünes an der Netzpolitik des Konstatin von Notz. Dennoch ist der von Notz dringend notwendig wegen solch schleimender Luschen wie Altmeier oder Bär vom rechten Rand, die für die Vorratsdatenspeicherung und das Zugangserschwerungsgesetz gestimmt haben udn nun der Regierung Beihilfe zum Rechtsbruch leisten, weil die Regierung öffentlich auf den Vollzug Zugangserschwerungestzes scheisst, obwohl es nach dem Gutachten des CSU-Professors Heckmann rechtswidrig ist. Die Parteien wussten sehr wohl, warum sie sich von der Bildung krimineller Vereinigungenausgenommen haben: Das war eine Absichtserklärung.

    Aber von dem Label einer Partei was abzuleiten ist völlig dummes, hohles Zeug. Und undeutsch. Wie sagte Goethes Faust: „Name ist Schall und Rauch, Umnebelnd Himmelsglut.“
    http://www.wissen-im-netz.info/literatur/goethe/faust/1teil/16.htm

    Es wäre schrecklich zu denken, dass das, was sich christlich nennt für christlich gehalten würde. Also geht es offenbar nur um böswilliges Bashing ohne sachlichen Hintergrund. Die Arbeit des Kärrners des rechten Randes.

    Comment by Jan Dark — 10.11, 2011 @ 22:13

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.