Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.9.11

Vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen Presseberichterstattung

Gegen eine zu erwartende personenidentifizierende Presseberichterstattung über ein Hauptverhandlung in einem Strafverfahren, kann im Einzelfall ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegeben sein, der auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann. Das hat das Landgericht München I mit Beschluss vom 30.08.2011 (nicht rechtskräftig) entschieden. Gegenstand des Prozesses war eine nicht ganz unübliche Form der Berichterstattung, in der eine Person mit ihrem Vornamen und dem ersten Buchstaben des Nachnamens, ergänzt um Berufsbezeichnung und Alter, benannt war.

 

posted by Stadler at 18:15  

13 Comments

  1. Halte ich für ziemlich problematisch (Art. 5 I 3 GG). Die Entscheidung scheint mir auch nicht gerade dogmatisch vorbildlich zu sein.

    Insbesondere stellt sich die Frage, inwiefern die Entscheidung „verhältnismäßig“ sein müsste und seit wann ein Gericht zu entscheiden hat, was die Presse für berichtenswert halten darf und was nicht.

    Gerade zu der Frage, inwiefern denn das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen durch die mögliche künftige Berichterstattung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sein sollte, ist die Entscheidung extrem dünn.

    Nun ja, sei’s drum.

    Comment by code — 8.09, 2011 @ 19:09

  2. Klarer wäre, von Anfang an die Öffentlichkeit auszuschließen bzw. verbindliche richterliche Vorgaben zur Berichterstattung zu machen.

    Die Vorgaben zur Identifizierbarkeit etc. hätte der Anwalt des Straftäters formulieren können.

    So bleibt alles im Belieben der frei nd unabhängig entscheidenden Richter.

    Das Kostenrisiko einer Bericherstattung bleibt bei dieser Art der Rechtsprechung bei der Presse.

    Vorbeugen ist immer besser als nachträgliches Bestrafen.

    Comment by Rolf Schälike — 8.09, 2011 @ 19:12

  3. Wie ist das, kann man auch Verlagen vorsorglich die namentlioche / identifizeirbare Berichterstattzungn kostenträchtig verbieten, die keine Journalisten zur Verhandlung geschickt haben.

    Die können doch sich einen Bericht zuenden lassen.

    Comment by Rolf Schälike — 8.09, 2011 @ 19:16

  4. Vorname, 1. Buchstabe des Nachnamens, Beruf und Wohnort sind durchaus in vielen Fällen schon als eindeutige Identifizierung wertbar, auch wenn jeder Teil für sich „Interessensgründe“ für die Nennung hat.
    „Thomas S, Rechtsanwalt, Freising“ mag nicht unbedingt für jeden sofort eindeutig sein,
    „Angela M., Bundeskanzlerin, Berlin“ aber schon deutlich eher :-)

    Von daher bin ich mit dem Urteil durchaus einverstanden, zumal die Abwägung getroffen wird, dass die Anklage nicht sonderlich schwer und vor allem dem Privatbereich zuzuordnen ist.

    Mal als Extrembeispiel: Dass der Chef der Großbank ABC von seinem Arzt auf Zahlung der Rechnungen wegen Syphilisbehandlung und Einbau einer Versteifung im Intimbereich verklagt wird mag ja die Boulevardpresse interessieren, dennoch muss sowas ja nicht unbedingt in allen Medien breitgetreten werden…

    Im übrigen war ja ein Kritikpunkt an der letzten großen Volkszählung, dass auch nur allgemeine Informationen wie „alle Firmenbesitzer in X-Dorf haben ein Vermögen über 10 Millionen“ eindeutig identifizierbar machen kann – wenn z.B. nur ein Firmenbesitzer dort wohnt…

    Comment by Engywuck — 8.09, 2011 @ 23:23

  5. Ein neues Geschäftsmodell? Das Landgericht München ist für seine sonderbaren Urteile bekannt. Korrekt wäre den streitgegnständlichen Artikel hier reinzustellen….

    Comment by R.Rammel — 9.09, 2011 @ 00:46

  6. @4: Es ist nicht Sache der Gerichte zu entscheiden, was berichtenswert ist und was nicht.

    Comment by code — 9.09, 2011 @ 07:45

  7. @6: es ist Sache der Gerichte, abzuwägen, welches Grundrecht stärker wiegt. Hier stoßen ja zwei aufeinander…
    Es wird dem Presseunternehmen ja nicht vebroten, über den Fall zu berichten. Sie dürfen nur nicht zusätzliche Aufmerksamkeit durch Nennung des Angeklagten herbeiführen.

    Nebenbei ist ja der Angeklagt bis zum Urteil unschuldig. Je nach Anklage und Aufbauschung durch die Medien kann aber schon eben diese Existenzvernichtend sein.
    Und ist es wirklich so schlimm und die Pressefreiheit bedrohend, im Satz „heute fand im …gericht ein Prozess wegen … gegen Josef A aus F, Chef einer großen deutschen Bank, statt“ Namen und Beruf wegzulassen? Wohlgemerkt dann, wenn es sich explizit *nicht* um eine Anklage handelt, die mit seinem öffentlichen Auftreten explizit zusammenhängt!

    Comment by Engywuck — 9.09, 2011 @ 21:33

  8. Es ist extrem problematisch, wenn ein Gericht vorab eine Berichterstattung verbietet, die es noch gar nicht gibt und von der es naturgemäß nicht wissen kann, wie diese aussehen wird. Das ist genau das, was das Zensurverbot im Kern verhindern will.

    Die Unschuldsvermutung bindet die Presse nicht, sondern den Staat. Es ist vollkommen legitim, wenn die Presse über einen Verdacht berichtet. Ob das in einer Weise geschehen muss, dass der Betroffene identifizierbar ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Im Übrigen ist das auch sehr kontextabhängig, was ein Vorab-Verbot umso problematischer macht. Die Zulässigkeit der Berichterstattung lässt sich allerdings schlechterdings nicht beurteilen, bevor der Artikel geschrieben und gedruckt ist.

    Dass eine Berichterstattung nicht im Vorhinein verboten werden darf, ist genau der Kern der Pressefreiheit. Und das ist es auch, was sie gegenüber anderen Grundrechten besonders macht.

    Comment by code — 10.09, 2011 @ 18:19

  9. Hier war aber genau eine Pressepartei Gegner, die schon früher durxh identifizierbare Berichtserstattung aufgefaen ist. Von daher kann ich eine Güterabwägung auch im Vorfeld gutheißen.

    Ich hätte übrigens auch nichts dagegen, wenn Namensnennung in solchen Fällen allgemein verboten und nur in Ausnahmefällen (bei Personen der zeitgeschichte oder so) erlaubt wäre.

    Comment by Engywuck — 11.09, 2011 @ 14:15

  10. zur Ergänzung: der bericht auch bei Personen der zeitgeschichte natürlich nur dann, wenn es etwas mit ihrem öffentlichen auftreten zu tun hat
    Wäre es wirklich so schlimm, wenn im zweifel erst nach einer Verurteilung *mit Namen* berichtet werden dürfte? Damit wären dann Schlammschlachten und Vorverurteilungen nicht nur wie im Fall Kachelmann eingeschränkt.

    Comment by Engywuck — 11.09, 2011 @ 14:44

  11. Sicher. Am besten wäre es, jede Berichterstattung von der Zustimmung einer staatlichen Wahrheitskommmission abhängig zu machen. Das wäre sicherlich im Interesse der Allgemeinheit. China hat mit einer ähnlichen Regelung auch schon gute Erfahrungen gemacht.

    Comment by code — 11.09, 2011 @ 17:19

  12. du willst das niocht verstehen, oder?

    Bericht über den Prozess: klar
    Namensnennung ist aber *auch* eine Grundrechtsabwägung. Und ja, es wäre schon viel gewonnen, wenn Staatsanwälte nicht das Fernsehen zu Verhaftungen bestellen würden.
    Deshalb: Namensnennung möglichst erst nach Verurteilung. Der Information der Öffentlichkeit würde das doch reichen, oder?

    Ansonsten kannst auch gleich Schauprozesse im Fernsehen abhalten. Das hatten wir ja auch schonmal…. (und ja, ich weiss, dass ich hier einem Trollversuch folge)

    Comment by Engywuck — 12.09, 2011 @ 19:38

  13. Ich hab mehr den Eindruck, dass Du derjenige bist, der das nicht verstehen will: Es kommt einfach überhaupt nicht darauf an, was an Berichterstattung Deiner Meinung nach „reichen“ würde. Das zu entscheiden ist einzig und alleine Sache der Presse. Nicht von Dir, nicht vom Gericht oder von sonstirgendwem.

    Da dieser simple Fakt aber offenbar zu schwer zu verstehen ist, können wir die Diskussion an diesem Punkt auch gerne einstellen.

    Übrigens sind Strafprozesse grundsätzlich öffentlich. Einschließlich Namensnennung des Angeklagten.

    Von meiner Seite aus EoD.

    Comment by code — 12.09, 2011 @ 20:09

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