Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.9.11

Der Streit um die Vorratsdatenspeicherung

In einem Beitrag für Heise-Online und in diesem Blog habe ich unlängst einen SPD-Musterantrag zur Vorratsdatenspeicherung kritisiert. Alvar Freude, einer der Autoren dieses Musterantrags hat nunmehr hierzu, ebenfalls bei Heise, eine Replik verfasst, in der er mir vorwirft, ein verzerrendes Bild zu zeichnen.

Wer Verzerrungen behauptet, sollte allerdings sauber argumentieren. Alvar Freude führt in seiner Replik u.a. aus:

Für Deutschland sehen die Anträge eine maximale Speicherfrist von ca. 80 Tagen für IP-Adressen vor, die Dauer für etwaige andere Daten soll auf maximal 7 Tage begrenzt werden.

Genau das ergibt sich aber aus dem von mir kritisierten Musterantrag nicht. Dort heißt es vielmehr zur Speicherdauer:

Bei Beibehaltung einer europaweiten Verpflichtung ist die Maximalspeicherfrist von verdachtslos gespeicherten Daten auf sechs Monate, statt bisher auf zwei Jahre, festzulegen. Für sensible Daten wie beispielsweise Telefon-Verbindungsdaten sollte eine maximal auf wenige Tage beschränkte Speicherverpflichtung und hohe Zugriffshürden gelten (…)

Die Beauskunftung von Anschlussinhabern anhand einer IP-Adresse kann als milderes und weniger eingriffsintensives Mittel zur Aufklärung von Straftaten genutzt werden. Dabei sollte ein Abruf jedoch nur innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen können.

Dieser Musterantrag sieht also eine Regelspeicherdauer für Verkehrsdaten von 6 Monaten vor. Telefonverbindungsdaten sollen nur für wenige Tage gespeichert werden und für IP-Adressen soll eine angemessene Speicherfrist gelten, wobei offen bleibt, was angemessen sein soll. Im Zweifel wird man auch 6 Monate als angemessen betrachten können.

Die Replik von Alvar Freude zeigt außerdem, dass in der Diksussion zwei Aspekte vermengt werden, die strikt zu trennen sind. Freude führt aus:

Zwar lehne ich persönlich eine Speicherung von Telefon-Verbindungsdaten (wer wann mit wem telefonierte) und E-Mail-Kommunikations-Daten (wer wann wem eine E-Mail geschrieben hat) ab, sehe aber durchaus, dass die Provider diese Daten zumindest wenige Tage für eigene Zwecke (z.B. Abrechnung, Störungsbekämpfung) speichern. Hier besteht derzeit keinerlei Hürde für die Ermittlungsbehörden, auf diese Daten zuzugreifen: ein Anruf beim Provider reicht. Ich halte eine Regelung für sinnvoll, die diese Zugriffe einschränkt, für eine revisionssichere Protokollierung sorgt, die Zugriffe unter Richtervorbehalt stellt und Informationspflichten für die Betroffenen einführt.

Hier wird die Frage der (datenschutzrechtlichen) Zulässigkeit einer Speicherung durch die Provider für eigene betriebliche Zwecke mit einer Speicherverpflichtung durch Einführung einer Vorratsdatenspeicherung vermengt bzw. verwechselt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Würde man im Wege einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung z.B. eine nur noch kurzzeitige Speicherpflicht für bestimmte Verkehrsdaten einführen, so bedeutet dies nicht, dass der Provider nicht für eigene Zwecke länger speichern darf. Die Vorratsdatenspeicherung begründet eine staatliche Speicherpflicht, aber kein Verbot über diese Mindestspeicherfristen hinaus aus anderen Gründen länger zu speichern.

Vor diesem Hintergrund ist auch die immer wieder geäußerte Ansicht, man wolle ja nur zu einer Speicherdauer von 80 Tagen zurück, die es angeblich vor einigen Jahren schon gegeben haben soll, nichts weiter als eine politische Schimäre.

Diese Ansicht beruht auf der mittlerweile außer Kraft befindlichen Telekommunikationsdatenschutzverordnung, die bereits seit dem Jahr 2000 eine Höchstspeicherdauer von 6 Monaten und nicht mehr von 80 Tagen vorsah. Danach durften die Verbindungsdaten unter Kürzung der Zielnummer um die letzten drei Ziffern zu Beweiszwecken höchstens 6 Monate nach Versendung der Rechnung gespeichert werden. IP-Adressen hat dies aber ohnehin nicht betroffen.

Eine Regelung, wonach IP-Adressen generell 80 Tage lang gespeichert werden durften, hat es in Deutschland zu keiner Zeit gegeben. Die anderslautende Aussage Alvar Freudes gehört ins Reich der Mythen.

posted by Stadler at 14:50  

5 Comments

  1. Die SPD schafft sich mit ihrer bürgerfeindlichen Politik ab. Es wird nicht mal mehr die Mühe sich gemacht, überhaupt zu begründen, wofür man die VDS haben will. Es gibt keine empirische Evidenz, dass damit Strafverfolgung effizienter oder effektiver sei. Man hat in über 30 Jahren Datenschutz nichts gelernt.

    Wie damals in den RAF-Zeiten, als Horst Herold im BKA von Sozialhygiene halluzinierte und dabei seine normale Polizeiarbeit so schlampig machte, dass Hans-Marin Schleyer sterben musste, wird die VDS als Heilmittel von Scharlatanen gepriesen, als hätten wir die durch den SPD-Genossen Horst Herold hervorgerufene Datenschutzdiskussion nicht gehabt. So wie Terror-Schily mit seinem Staatsexzess unbedingt den Grossen Lauschangriff wollte (und uns die Taschen volllog, dass man zwei Richter bräuchte, um eheliche Schlafzimmer zu belauschen, im Gesetz aber ein simpler Polizeipräsident oder Stellvertreter (also die gesamte Polizei) bei Gefahr im Vollzuge ausreicht), will jetzt die SPD mit aller Gewalt den Bürger belauschen, ohne Verdacht ihn wie einen Kriminellen behandeln udn mögliche Beweise schon vorab sammeln, als Umkehr des Rechtsstaates zum Polizeistaat.

    Es ist seit Noske (1919) und Schmidt, Helmut,bekannt, dass die SPD ein Faible für den Polizeistaat und Militarismus hat (Schmidt flog deswegen 1957 sogar aus dem Vorstand), aber die Bürger wollen es nicht. Wie Obama, der in seinen „Yes, we can“-Lügen versprach, man werde aus Afghanistan abziehen, dann aber das Massentöten von Nichtkombattanden mit Drohnen forcierte, völkerrechtswidrig bis nach Pakistan hinein, ohne Pakistan den Krieg zu erklären, und er schickte 30.000 Killer mehr nach Afghanistan, nachdem wochenlang nach Machterringung diskutiert wurde, ob man 30.000 Killer oder 90,.000 Killer schicken sollte. Genauso unglaubwürdig und verlogen hört sich für mich die SPD-Diskussion an, ob man 80 oder 20 oder 10 Tage die Bürger ohne Verdacht belauschen wolle.

    Politisch bringt sich die SPD wieder einmal an den rechten Rand, so wie sie bei dem Zugangserschwerungsgesetz den Priestern im Klerus den Zugang zu Kinderpornografie erleichterte, weil man Hand in Hand mit den christlichen Parteien nur einen roten Vorhang vor den Dreck hängte, statt den Mist erbarmungslos zu löschen.

    Erneut beweist die SPD, dass sie unfähig ist, Netzthemen adäquat zu behandeln sondern nur sich am rechten Rand einschleimen will und die Aufgabe des Rechtsstaates „Kompromiss“ nennt. So ging das römische Reich auch von der Republik zum Kaiserreich und dann unter. Die Jungsozis meinen wohl, wir hätten vergessen, dass die SPD mit den Kriegskrediten 1914 den Steigbügelhalter für die Kriegsverbrecher um den Kaiser Wilhelm gegeben hat. Denkste.

    Den Rechtsstaat erhalten und gegen Vorratsdatenspeicherung zeichnen. Handeln, bevor die SPD die vorsorgliche Videoüberwachung ehelicher Schlafzimmer fordert und dann nur noch mit sich reden lässt, ob die Pornos 10, 20 oder 80 Jahre bei der Polizei und einem privaten Betreiber aufbewahrt werden. Zeichnen:
    https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=17143

    Comment by Jan Dark — 6.09, 2011 @ 15:26

  2. Es wird nicht mal mehr die Mühe sich gemacht, überhaupt zu begründen, wofür man die VDS haben will.

    „Begründen“ kann man so etwas natürlich auch nicht. Zumindest nicht, wenn man halwegs von der Tapete bis zur Wand denken kann.

    Im Grunde haste aber Recht. Man sollte tatsächlich nicht müde werden und sich stets vor Augen halten, wie diese VDS eigentlich seinerzeit verkauft werden sollte.
    Und dazu, also quasi als Gedächtnisstütze, empfehle ich für meinen Teil jedem immer wieder sehr gerne die WDR-Sendung „Quarks & Co“ vom 12.02.2008 mit Ranga Yogeshwar.
    Titel der Sendung: „Die Waffen der Terrorfahnder„. Meiner Meinung nach immer wieder absolut sehenswert –>

    http://www.wdr.de/themen/global/webmedia/webtv/getwebtv.phtml?ref=70029

    Angefangen hat es mit dem Thema „Terror“. Die Themen „KinderPorno“ und „P2P“ sind seitdem ebenfalls „gern“ genommene „Gründe“ für eine anlasslose VDS. Sogar im Wechsel mit dem Thema „Netzsperren“.
    Über die Themen „Terror“ und „kinderPorno“ brauchen wir sicherlich nicht zu diskutieren. Daß allerdings das Thema „P2P“ scheinbar ebenfalls etwas Negatives in vielen Köpfen ausöst finde ich persönlich nicht nur Schade sondern das ist wohl auch ein Teil des Ganzen (Das Gesamtpaket von Politik und Wirtschaft, sozusagen).
    Es wird nämlich nichts anderes künstlich und ebenfalls völlig grundlos „verteufelt“ (Vgl. Abmahnindustrie und die Mär vom hungernden „Künstler“ und die Mär von den Arbeitsplatzverlusten), als eine Möglichkeit Daten/Dateien (egal wie klein oder groß) DEZENTRAL (!) zu verbreiten.
    Für mich persönlich eine absolut zu fördernde Technik. Alle Teilnehmer in einem Peer-to-Peer Netz sind (theoretisch) gleichberechtigt – DAS nenne ich digitale Demokratie (also ein paar Jährchen weitergedacht…).
    Denkt ‚mal drüber nach, wenn ihr Zeit und Lust habt.

    Bis dahin viel Spaß mit Rangar Yogeshwar

    Enjoy, Baxter
    __________________
    P.S., provokativ zum Thema „Terror“: Nachdem im Mai diesen Jahres der Terror-Ober-Futzi Osama bin Laden (aka. „Tim Osman“?) angeblich den Haien zum Fraß vorgeworfen wurde, fällt es scheinbar auch irgendwie schwer das Thema „Terror“ mit dem Thema „Angst“ zu verknüpfen. Sauerland-Bomber? Is‘ klar… Ob es eigentlich „Zufall“ war, daß der „King of Terror“ ausgerechnet im 10. Jahr nach 9/11 geschnappt wurde oder ob das akribisch geplant wurde, also inkl. Hubschrauber-Crash. Wenn der nämlich nicht geschnappt worden wäre, hätte spätestens am kommenden Sonntag die gesamte Welt (!) nach ihm gefragt und wehe da wäre kein Filmchen aus ner Höhle der afghanischen Gebirgs-Pampas über’n Bildschirm gelaufen (nicht von Awacs-Aufklärern zu orten und die Kabel hat der Bin Laden auch quer durch die Wüste in die Höhle legen lassen, oder hatte seinerzeit etwa jemand ’n Generator oder degleichen gehört? Wenn es kein Zufall war und auch nicht akribisch geplant war, dann ist wohl irgendjemandem Anfang des Jahres plötzlich wieder eingefallen, daß…OK. Ende, genug geschwafelt, denn
    zu diesem P.S. gibt’s noch’n quasi- „disclaimer“ aus Gründen der Pietät und des Respekts hinterher: Ich selbst bin als Sohn einer US-amerikanischen Mutter (Vater ist Deutscher) in den U.S.A. geboren (sogar „um die Ecke“ in Philly) und bin nach wie vor zu tiefst erschüttert, was am 11. September 2001 passierte. Allerdings bin ich persönlich rückblickend fast genauso erschüttert darüber, was in diesen 10 Jahren seitdem so alles passiert ist bzw. nicht passiert ist bzw. wie sich gewisse Dinge entwickelt haben! Das fühlt sich für mich -ehrlich gesagt- wie eine zweite Katastrophe an!
    Thomas Jefferson, Benjamin Franklin und Co. drehen sich pausenlos im Grabe um!

    Comment by Baxter — 6.09, 2011 @ 19:22

  3. Für Alvar war das ein Schuss ins Knie, oder wie anders könnte man die Kritik an ihm in den Kommentaren von heise.de deuten?
    Ein bisschen Schwanger und ein Bisschen VDS, mit Graustufenlogik geht das offenbar.

    Comment by Frank — 7.09, 2011 @ 18:24

  4. > Hier wird die Frage der (datenschutzrechtlichen) Zulässigkeit einer Speicherung durch die Provider für eigene betriebliche Zwecke mit einer Speicherverpflichtung durch Einführung einer Vorratsdatenspeicherung vermengt bzw. verwechselt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. <
    Kann mir das einer Erklären? Für mich liest sich der kritisierte Text sehr verständlich. Ich finde da nichts ungerechtfertigt vermengtes. Kann mich einer aufklären, was das mit den "betrieblichen Zwecken" damit zu tun haben soll?

    Comment by sumpf — 8.09, 2011 @ 12:50

  5. Mein Kuchen ist auch nicht ein bisschen groß, sondern gar nicht oder richtig fett mit viel Sahne!!!!111elf

    Comment by sumpf — 8.09, 2011 @ 12:51

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.