Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

15.8.11

Warum ist es politisch so ruhig um Stuttgart21?

Der Verfassungsrechtler Hans Mayer hat letzte Woche in der Süddeutschen erläutert, warum er die Verträge zur Finanzierung von Stuttgart21 für verfassungswidrig und damit nichtig hält. Diese Ansicht Mayers ist nicht neu und sie ist möglicherweise auch nicht politisch neutral, nachdem er zu dieser Erkenntnis bereits im letzten Jahr im Rahmen eines von den Grünen beauftragten Rechtsgutachtens gelangt ist.

Mir stellt sich allerdings die Frage, welche Schlussfolgerung die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg daraus ziehen möchte. Denn ohne die rechtliche Problematik weiter zu thematisieren, bereitet Ministerpräsident Kretschmann die Menschen auf den Bau vor und meint, nur ein Wunder könne Stuttgart21 noch verhindern, nachdem er die Entscheidungen seiner Vorgänger nicht rückgängig machen könne. Solche Aussagen sind unredlich, weil gerade die Grünen im Wahlkampf andere Erwartungen geweckt hatten.

Sie sind aber auch falsch. Wenn der Verfassungsrechtler Mayer Recht haben sollte, dann kann Kretschmann Stuttgart21 nicht nur stoppen, er muss es sogar. Denn das Land darf keine Haushaltsmittel für ein Projekt bereitstellen, dessen Finanzierung rechtswidrig ist. Eine solches Verhalten würde das Land schädigen.

Was wäre also zu tun? Kretschmann müsste die Finanzierungszusage des Landes zurücknehmen bzw. eine gerichtliche Klärung herbei führen. Dass das nicht passiert, hat politische Gründe. Wunder sind jedenfalls keine nötig. Politische Konsequenz und Durchsetzungsfähigkeit wären vollkommen ausreichend.

Update vom 17.08.2011:
Die Frage der Verfassungsgemäßheit der Finanzierung und damit der Wirksamkeit der (öffentlich-rechtlichen) Verträge ist umstritten. Es gibt allerdings weitere juristische Einschätzungen, die von einer Verfassungswidrigkeit ausgehen.

posted by Stadler at 20:57  

10 Comments

  1. Mal eine Frage: Wenn die Landesregierung keine Lust hat zu klagen, kann es dann ein einzelner Bürger Baden Württembergs klagen? Oder eine Gruppe von Bürgern die nicht gerne sehen das ihre Steuern verschleudert werden?

    Comment by Leser — 15.08, 2011 @ 21:23

  2. Meyer mit 2 e und dazwischen ein y, aber ohne a.

    Comment by Martin — 15.08, 2011 @ 22:24

  3. Verstehe diese ganze Argumentation nicht. Der Bund baut doch gar nicht. Es baut die Bahn AG. Die ist zwar zu 100 Prozent in Besitz des Bundes, aber das ist trotzdem relevant. Denn es gehen ja nicht einfach so Bundessteuern für den Bau drauf, sondern Einnahmen der Bahn. Von daher ist diese ganze Diskussion doch an den Haaren herbeigezogen. Bevor nicht das BVerfG darüber entschieden hat, bitte mal die Kirche im Dorf lassen.

    Comment by Baranek — 16.08, 2011 @ 11:38

  4. @Baranek Die Argumentation ist einfach, zwar baut hier die Bahn, über einen Finanzierungsvertrag beteiligen sich jedoch Stadt, Land und Bund an den Kosten. Das ist, nach Auffassung von Herrn Meyer, seit 1969 verboten. Siehe http://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsrechtler-meyer-finanzierungsvertraege-zu-stuttgart-sind-unwirksam-1.1130053

    Comment by Leser — 16.08, 2011 @ 11:59

  5. Na ja, beim Thema EU und ihren Rettungsschirmen (ESM/ESFS) hält sich auch niemand mehr an bestehendes Recht. Selbst das Bundesverfassungsgericht wischt alle Bedenken vom Tisch, um den Weg für eine Transferunion frei zu machen.
    Und da es hier bei S21 ebenfalls um starke Interessen geht, wird auch alles verbogen, bis es eben passt. Allein der Kostenrahmen, geprägt von politischen Vorgaben, wird nie und nimmer eingehalten werden.

    Comment by Flo — 16.08, 2011 @ 12:35

  6. @5: Das Thema mit dem Kostenrahmen hat mich auch schon lange verwundert. Wenn die Zustimmung der alten Landesregierung aufgrund geschönter Zahlen der Kosten zustandegekommen ist, müßte doch für die neue Landesregierung hier ein weiterer Angriffspunkt vorliegen, um den früheren Beschluss zu kippen – a la Änderung der Geschäftsgrundlage.

    Comment by Oliver — 16.08, 2011 @ 15:43

  7. Ich habe das durchaus gelesen, aber wieso sollen sich die Projektbeteiligten nicht an einem Bahnprojekt beteiligen dürfen? Im GG steht das doch gar nicht drin. Herr Meyer steht mit seiner umstrittenen Auffassung im übrigen ziemlich alleine da. Mit dieser Sache wird man das Projekt vermutlich nicht aushebeln können. Und noch entscheiden in solchen Fragen die Gerichte und nicht „Experten“.

    Comment by Baranek — 16.08, 2011 @ 17:04

  8. “Bananenrepublik mit eigenen Gesetzen”
    Wir haben uns schon weit vom Rechtsstaat entfernt. Juristen lernen m.E. heute nur noch, die Buchstaben der Gesetze solange zu verdrehen – nein zu vergewaltigen – bis das Ergebnis herauskommt, was sich der Jurist bzw. dessen Auftraggeber wünscht.
    Als ich studiert habe, gab es die Orientierung an Gerechtigkeit. „Was würde dazu der Rechtsfreund sagen oder denken“. Heute geht es mehr um Geld. Mancher spricht bei Rechtsanwälten bereits von der Hure des Geldes! Und Zweifel an der Unabhängigkeit der Gerichte/ Richter sind auch durchaus berechtigt!

    Comment by Bananenrepublik — 17.08, 2011 @ 08:15

  9. Mal eine Frage, kann das Land denn überhaupt Klagen in einer Angelegenheit, in der das Land Nutznießer der möglicherweise rechtswidrigen Handlung ist? Das Argument lautet ja, reiche Bundesländer sollten nicht in der Lage sein, durch Mitfinanzierung Bundesmittel an sich zu ziehen. Müssten nicht die anderen Bundesländer bzw. der Bund klagen?

    Comment by nevermore — 20.08, 2011 @ 16:20

  10. November 2010 Die Finanzierungsvertrage zu Stuttgart 21 und zur Neubaustrecke sind nichtig so der Fraktionsvorsitzende der Grunen im Landtag Winfried Kretschmann bei der Vorlage eines Rechtsgutachten zu den Finanzverfassungsrechtlichen Fragen des Stuttgarter Bahnkonflikts des renommierten Verfassungsrechtlers Professor Hans Meyer von der Humboldt Universitat Berlin. Kretschmann Daraus folgt dass der Anteil des Landes eindeutig verfassungswidrig geleistet wurde. .Wie Professor Hans Meyer auf einer Pressekonferenz am 15.

    Comment by Panama foundation — 22.08, 2011 @ 21:06

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