Funkzellenüberwachung bei Demonstration
Die taz berichtet über einen rechtsstaatlich bedenklichen Fall einer sog. Funkzellenüberwachung während einer Demonstration in Dresden am 19.02.2011.
Hierbei wurden offenbar in großem Umfang Mobilfunkverbindungsdaten von Demonstranten, Anwohnern, und Passanten erfasst. Über einen Zeitraum von viereinhalb Stunden sollen laut taz die Verbindungsdaten sämtlicher Anrufe und SMS-Nachrichten von allen Personen, die sich in der Südvorstadt von Dresden aufgehalten haben, erfasst worden sein.
Die Funkzellenüberwachung wurde nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Dresden angeblich aufgrund von Ermittlungen wegen eines Angriffs auf Polizeibeamte, also zu Zwecken der Strafverfolgung, angeordnet.
Diese Anordnung dürfte bereits deshalb problematisch sein, weil sie faktisch zu einer TK-Überwachung der Teilnehmer einer Versammlung geführt hat. In dieser Konstellation ergibt sich ein Spannungsverhältnis zwischen präventiv-polizeilichen Maßnahmen im Umfeld einer Demonstration und der Strafverfolgung.
Wegen der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind präventive Maßnahmen der Polizei ohne Vorliegen einer konkreten Gefahrensituation bei Demonstrationen grundsätzlich nicht zulässig. Der Grundsatz der Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts verbietet beispielsweise das generelle Filmen des Demonstrationsgeschehens und erst Recht Maßnahmen der TK-Überwachung. Sollte also die Strafverfolgung auch dazu dienen, die Teilnehmer der Versammlung zu überwachen, dann wäre die Maßnahme allein deshalb rechtswidrig.
Aber selbst wenn man unterstellt, es sei ausschließlich um eine Strafverfolgung gegangen, dürften die gesetzlichen Voraussetzungen des § 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO, der diese sog. Funkzellenüberwachung ermöglicht, kaum erfüllt sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist allein deshalb nicht gewahrt, weil die Maßnahme erkennbar dazu führt, dass tausende von Versammlungsteilnehmern erfasst werden. Daneben müsste es sich auch um eine Straftat von erheblicher Bedeutung gehandelt haben und die Ermittlung der Täter müsste ohne die Maßnahme wesentlich erschwert sein.
Die Funkzellenüberwachung ist eine Maßnahme, die regelmäßig die Rechte einer größeren Anzahl Unbeteiligter beeinträchtigt, weshalb sie eine besonders sorgfältige Verhältnismäßigkeitsprüfung erfordert. Diese Anforderungen sind im konkreten Fall zusätzlich dadurch erhöht, dass die Maßnahme im Umfeld einer Versammlung erfolgt.
Vor diesem Hintergrund ist die Maßnahme mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.
Es geht bei der geschilderten Maßnahme ersichtlich um eine Verkehrsdatenauskunft un Form der Funkzellenabfrage (oder -auswertung), wie bei der taz auch benannt. Diese Maßnahme erfolgt retrograd, kann also schon von daher kaum präventiv-polizeilich sein und ist natürlich nicht in Par. 100h StPO, sondern in Par. 100g Abs. 2 S. 2 geregelt. Das Erfordernis einer Straftat erheblicher Bedeutung und die besonderen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung bestehen freilich; allerdings kann man daraus nicht zwingend auf die Unverhältnismäßigkeit und damit Rechtswidrigkeit schließen. Ein versuchten Tötungsdelikt z.N. von Polizeibeamten liegt gerade in Berlin nicht völlig fern und könnte in Rahmen einer entsprechenden Abwägung durchaus die Maßnahme legitimieren. Ohne Kenntnis der tatsächlichen Sachlage dürfte das kaum zu beurteilen sein.
Die Verwendung der erhobenen Daten für andere Straftaten ist damit aber noch nicht zulässig.
Comment by -thh — 19.06, 2011 @ 23:39
Gut, Dresden, nicht Berlin, aber viel ändert das nicht. :-) (Und Bildschirmtastaturen sind bei längeren Texten eine Qual.)
Comment by -thh — 19.06, 2011 @ 23:43
„Vor diesem Hintergrund ist die Maßnahme mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.“
Ja, aber wen interessiert das? Wird es irgendwelche Konsequenzen für die Rechtsbrecher geben? Natürlich nicht! Wird verhindert, dass in Zukunft solche Rechtsbrüche geschehen? Selbstverständlich nicht! Kann man Deutschland noch als Rechtsstaat bezeichnen? …
Comment by Rangar — 20.06, 2011 @ 09:35
Die Polizei hat sich einfach nur ungeschickt angestellt.
Hätte Sie die Überwachung als Maßnahme gegen die aufmarschierenden Nazis deklariert, dann wäre bei vielen jetzigen Kritikern stattdessen Jubel ausgebrochen – beispielsweise bei denen, die zwar den Bundestrojaner ablehnen, doppeldenkartig aber das hacken von Nazi-Servern in Ordnung finden.
Comment by Tribble — 20.06, 2011 @ 10:01
Äpfel und Ananas? Die Nazi-Server werden nicht im staatlichen Auftrag gehackt.
Comment by Ein Mensch — 20.06, 2011 @ 12:54
Als Konsequenz bleibt letztendlich nur noch, bei Demos das Handy auszuschalten, oder gleich zu hause zu lassen!
Irgendwo hat jemand zum Thema Rasterfahndung folgende URL empfohlen:
http://www.dubistterrorist.de
Comment by Otto — 20.06, 2011 @ 20:55
@Ein Mensch
Stimmt, es wäre schlimm, wenn im staatlichen Auftrag gehackt würde, und seien es Nazi-Server.
Aber die Nazi-Server werden natürlich gar nicht vom Staat gehackt sondern von, ähm, irgendwem. Die haben sich aber ganz kreative Namen wie Daten-Antifa gegeben. Und wer sich Daten-Antifa nennt, ja, dem kann man einfach nur vertrauen – mindestens genauso wie den nigerianischen Geschäftsleuten, die einem ständig ganz viel Geld bieten, wenn man ihnen nicht ganz soviel Geld schickt.
Und es ist ja auch logisch, wenn es für jeden x-beliebigen – vielleicht aber auch nur, wenn er sich dafür Daten-Antifa nennt – in Ordnung sein soll, Nazi-Server zu hacken, aber nur nicht im Auftrag des Staates.
Comment by Tribble — 21.06, 2011 @ 10:47