Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.5.11

In Österreich werden Netzsperren von Gerichten angeordnet

Nach einer Pressemitteilung des Vereins Anti Piraterie (VAP) und einem Bericht des Standard wurde der österreichische Provider UPC vom Handelsgericht Wien per einstweiliger Verfügung verpflichtet, das Streaming-Portal „kino.to“ zu sperren bzw. seinen Kunden nicht mehr zugänglich zu machen.

In der Pressemitteilung des VAP vom 17.05.2011 heißt es hierzu wörtlich:

„Der VAP stützte sich auf die im Urheberrechtsgesetz und im EU-Recht ausdrücklich genannte Unterlassungspflicht von Internet Providern (Vermittlern), die eintritt, sobald der Provider von einer konkreten Rechtsverletzung Kenntnis erlangt.“

Diese Aussage ist rechtlich, zumindest soweit sie sich auf das Gemeinschaftsrecht bezieht, schwer nachvollziehbar. Die E-Commerce-Richtlinie regelt in ihrem Art. 12, dass derjenige, der lediglich den Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt, grundsätzlich nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich ist. Eine Regelung wie bei den Host-Providern in Art. 14 ECRL, wonach eine Obliegenheit besteht, im Falle der Kenntnis von einem rechtswidrigen Angebot, tätig zu werden, sieht die Richtlinie für Access-Provider gerade nicht vor.

Worauf die Formulierung in der Pressemitteilung vermutlich abzielt, ist die Regelung in Art. 12 Abs. 3 ECRL, die lautet:

Dieser Artikel läßt die Möglichkeit unberührt, daß ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern.

Das bedeutet also zunächst, dass das EU-Recht keinerlei Unterlassungs- oder Beseitigungspflichten normiert, es den Mitgliedsstaaten aber freistellt, entsprechende Regelungen zu treffen. Insoweit stellt sich allerdings die Frage der Reichweite dieser Norm. Die Richtlinie spricht ausdrücklich davon, dass von einem Diensteanbieter nach nationalem Recht verlangen werden kann, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern. Ein Hoster, der zumindest Zugriff auf die bei ihm gehosteten Inhalte nehmen kann, ist tatsächlich in der Lage, eine Rechtsverletzung abzustellen. Anders muss man dies allerdings bei einem Access-Provider betrachten. Er kann im eigentlichen Sinne nicht sperren, sondern nur den Versuch unternehmen, bestimmte Inhalte vor seinen eigenen Kunden zu verbergen. Diese Inhalte bleiben allerdings unverändert online und sind deshalb auch für jeden Internetnutzer weiterhin erreichbar. Dem Access-Provider fehlt es folglich an einer physisch-realen Möglichkeit, die Rechtsverletzung tatsächlich abzustellen oder zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund kann ein Access-Provider auch nach den Grundsätzen der Haftung eines mittelbaren Störers nicht in Anspruch genommen werden. Er wirkt bereits nicht in adäquat-kausaler Art und Weise an der Rechtsverletzung mit. Wollte man dies anders sehen, ließe sich allerdings nicht mehr erklären, warum nicht auch der Träger der Straßenbaulast einen ursächlichen Beitrag für Unfälle liefert, die sich später auf der von ihm errichteten Straße ereignen.

Man darf also gespannt sein, ob die Verfügung in der nächsten Instanz wieder aufgehoben wird.

Update vom 19.05.2011
Die Betreiber des Portals kino.to nennen auf ihrer Startseite mittlerweile eine alternative Domain, mit der österreichische Nutzer das Angebot erreichen können und kündigen gleichzeitig an, dass man über das Forum immer wieder neue, aktuelle Domains bekanntgeben wird, über die die Plattform erreichbar bleibt.

Der Fall veranschaulicht damit sehr gut, warum Domain- bzw. Netzblockaden nicht funktionieren.

posted by Stadler at 15:20  

4 Comments

  1. Der VAP meint meines Erachtens den Vermittler im Sinn der RL 2001/29 (Urheberrechte in der Informationsgesellschaft) bzw allenfalls die Mittelsperson im Sinn der RL 2004/48 („enforcement-RL“). Die EV ist (noch) nicht veröffentlicht, aber ein vom Standard zugänglich gemachtes vorangegangenes Aufforderungsschreiben legt jedenfalls diese Linie nahe; siehe http://images.derstandard.at/2010/11/04/kino.pdf

    Comment by hp lehofer — 18.05, 2011 @ 15:50

  2. Also bezieht sich das auf Art. 8 Abs. 3 der RL 2001/29/EG? Wie ist das in Österreich umgesetzt?

    Comment by Stadler — 18.05, 2011 @ 16:21

  3. § 81 Abs 1a österr. UrhG: http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bundesnormen/NOR40078175/NOR40078175.html

    Comment by hp lehofer — 18.05, 2011 @ 16:31

  4. Die Regelung besagt aber eigentlich nur, dass sich der Unterlassungsanspruch auch gegen einen Vermittler richten kann. Dass allerdings eine Verpflichtung zu Access-Blockaden aus dem allgemeinen Unterlassungsanspruch hergeleitet werden kann, halte ich für eine eher gewagte Annahme.

    Comment by Stadler — 18.05, 2011 @ 20:46

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