Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

24.5.11

Eine Anmerkung zum Thema Qualitätsjournalismus

Traditionelle Print-Medien werfen gerne mit dem Begriff des Qualitätsjournalismus um sich, wenn sie den Eindruck erwecken wollen, dass allein sie dazu in der Lage sind, eine ausgewogene, vielfältige und kritische Berichterstattung auf Dauer zu gewährleisten.

Bei der täglichen Lektüre der alten Flaggschiffe zeigt sich allerdings allzu oft ein ganz anderes Bild. Die unreflektierte Wiedergabe von Agenturmeldungen, die sachlich falsch oder einfach schlecht sind, nimmt immer mehr zu.

Ein anschauliches Beispiel liefert eine Zeitung, die ich in manchen Momenten immer noch für großartig halte, aber deren Qualitätsverlust in den letzten Jahren überdeutlich zu Tage getreten ist. Ich spreche von der Süddeutschen Zeitung.

Die Meldung der Nachrichtenagentur AFP mit dem Titel „Ottfried Fischer verliert Klage gegen Reporter“ hat es immerhin auf die Titelseite der heutigen Printausgabe der SZ geschafft, wobei die SZ die Meldung durch Einfügung des Begriffs Klage, der in der Meldung der AFP zumindest in der Überschrift fehlte, noch verschlimmbessert hat. Nun wundert sich vielleicht nur ein Jurist über den Inhalt dieser Meldung, aber letztlich wird der Leser falsch oder zumindest irreführend informiert. Denn Ottried Fischer hat keineswegs eine Klage gegen einen Reporter verloren, weil er eine solche gar nicht angestrengt hatte. Der besagte Reporter war vielmehr im Rahmen eines Strafverfahrens von der Staatsanwaltschaft angeklagt worden. Fischer ist in diesem Strafprozess lediglich als sog. Nebenkläger aufgetreten. Die feinsinnige Unterscheidung zwischen Klage und Anklage zwischen Zivil- und Strafprozess darf man von einer Zeitung, die den Anspruch erhebt, eine der besten des Landes zu sein, erwarten.

Ich habe die SZ seit ca. 20 Jahren abonniert, obwohl ich viele Dinge mittlerweile primär online lese. Und ich denke über die Kündigung meines Abos nach, denn die Zeitung hat insgesamt schlicht nicht mehr die Qualität wie vor 10 Jahren. Das fängt mit der Anzahl der Tipp- und Schreibfehler an, die ich einem Blogger gerne verzeihe, aber nicht der SZ, und endet bei den Lokalteilen, denen man den Personalabbau auch quantitativ überdeutlich anmerkt.

Mein Eindruck ist der, dass sich manche Zeitungen mit ihrer Sparpolitik selbst den Todesstoß versetzen, weil letztlich die journalistische Sorgfalt, die der Zeitungskäufer erwarten darf, auf der Strecke bleibt. Denn die schlechten Agenturmeldungen kann ich überall im Netz haben und wenn ich eines morgens in der Zeitung nicht lesen will, dann sind es sachlich falsche Meldungen von Nachrichtenagenturen, über die ich mich am Vorabend schon im Netz geärgert habe.

posted by Stadler at 21:43  

18 Comments

  1. ja, schade.

    mein sz abo hatte ich zum ende april gekündigt.

    man könnte meinen der print hätte sich schon aufgegeben.

    Comment by stefan — 24.05, 2011 @ 22:13

  2. Auf den Unterschied zwischen „Klage“ und „Anklage“ lege ich bereits bei meinen Schülern der 9. Klasse Wert und bei einer Zeitung allemal.

    Comment by Frank — 24.05, 2011 @ 22:54

  3. Soso, „die feinsinnige Unterscheidung zwischen Klage und Anklage zwischen Zivil- und Strafprozess darf man von einer Zeitung, die den Anspruch erhebt, eine der besten des Landes zu sein, erwarten.“

    Vielleicht sollten Sie doch einmal einen StPO-Text zu Hand nehmen – es lohnt sich. Ihre Ansicht hierzu ist nämlich schlicht nicht die des Gesetzgebers.

    Ein paar Kostproben:

    StPO § 8 (1) Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat.

    StPO § 151: Die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung ist durch die Erhebung einer Klage bedingt.

    StPO § 153 (2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und
    des Angeschuldigten das Verfahren einstellen.
    (ebenso §§ 153a II, 153b II, 153c IV, 153d II, 153e II StPO)

    StPO § 155 (1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.

    StPO § 211: Ist die Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt, so kann die Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden.

    StPO § 380 (1) Wegen Hausfriedensbruchs, Beleidigung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung (§§ 223 und 229 des Strafgesetzbuches), Bedrohung und Sachbeschädigung ist die Erhebung der Klage erst zulässig, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung zu bezeichnenden Vergleichsbehörde die Sühne erfolglos versucht worden ist. Der Kläger hat die Bescheinigung hierüber mit der Klage einzureichen.

    StPO § 381 Die Erhebung der Klage geschieht zu Protokoll der Geschäftsstelle oder durch Einreichung einer Anklageschrift. Die Klage muß den in § 200 Abs. 1 bezeichneten Erfordernissen entsprechen.

    StPO § 383 (1) Nach Eingang der Erklärung des Beschuldigten oder Ablauf der Frist entscheidet das Gericht darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder die Klage zurückzuweisen ist, …

    StPO § 387 (2) Die Vorschrift des § 139 gilt für den Anwalt des Klägers und für den des Angeklagten.
    (3) Das Gericht ist befugt, das persönliche Erscheinen des Klägers sowie des Angeklagten anzuordnen, auch den Angeklagten vorführen zu lassen.

    StPO § 388 (1) Hat der Verletzte die Privatklage erhoben, so kann der Beschuldigte bis zur Beendigung des letzten Wortes (§ 258 Abs. 2 Halbsatz 2) im ersten Rechtszug mittels einer Widerklage die Bestrafung des Klägers beantragen, wenn er von diesem gleichfalls durch eine Straftat verletzt worden ist, die im Wege der Privatklage verfolgt werden kann und mit der den Gegenstand der Klage bildenden Straftat in Zusammenhang steht.
    (3) Über Klage und Widerklage ist gleichzeitig zu erkennen.
    (4) Die Zurücknahme der Klage ist auf das Verfahren über die Widerklage ohne Einfluß.

    Dazu einige dutzend Mal „öffentliche Klage“ und natürlich „Privatklage“, „Nebenklage“.

    Ergebnis: Ihr Kommentar ist mehr als peinlich, zumal Sie gerade beanspruchen, sich juristisch korrekt auszudrücken, die SZ aber (mit einigem Recht) nicht. Und da Fischer als Anzeigeerstatter und Nebenkläger hinter diesem Strafverfahren stand, trifft auch die Aussage in der SZ, Fischer habe „verloren“, sehr wohl den Kern der Sache – jedenfalls für die Bedürfnisse von Tageszeitungs-Lesern.

    Comment by Burschi — 25.05, 2011 @ 00:33

  4. Die SZ suggeriert, dass es Fischers Klage war. Und das ist grundlegend falsch. Er durfte sich nur der öffentlichen Klage anschließen, machte sie aber nicht zu seiner. Das Bedürfnis eines Tageszeitungslesers aus seiner – behaupteten – Unkenntnis herzuleiten ist ganz schön großes Tennis.
    Die Qualitätsmedien haben leider in vielen Bereichen – nicht nur im Rechtsbereich – den Überblick verloren.

    Comment by Malte S. — 25.05, 2011 @ 06:11

  5. Vor allem bei dem Preis für die SZ regt mich auf. Inzwischen sind es ja 2,00 EUR und mehr für eine Ausgabe. Im Abo etwas günstiger, aber insg. immer noch unverschämt für ein Stück Papier das schon veraltet ist, wenn es gedruckt wird…

    Comment by Michael — 25.05, 2011 @ 06:57

  6. Print ist tot. Die Beisetzung war nur noch nicht.

    Comment by fernetpunker — 25.05, 2011 @ 07:19

  7. Man mag sich doch nur die „Berichterstattung“ des spiegel.de zum Thema Beschlagnahme bei den Piraten ansehen um zu erkennen das zwischen Anspruch „Qualitätsjournalismus“ und Wirklichkeit eine nicht mehr überbrückbare Differenz liegt. Die Darstellung der Ereignisse im Spiegel hatte mit der Realität schlicht nichts zu tun.

    mfg
    yb

    Comment by yah bluez — 25.05, 2011 @ 08:21

  8. Die Meldung Ottfried Fischer verliert Klage gegen Reporter ist falsch. Der Reporter wurde in einem Strafverfahren freigesprochen.

    Comment by Stadler — 25.05, 2011 @ 09:12

  9. > und wenn ich eines morgens in der Zeitung nicht lesen will,…

    damit man das nicht als
    und wenn ich eines Morgens in der Zeitung nicht lesen will,…
    missversteht, sollte man es lieber
    und wenn ich Eines morgens in der Zeitung nicht lesen will,…
    schreiben.

    Comment by MarcS — 25.05, 2011 @ 09:51

  10. Das ist tatsächlich einfach Erbsenzählerei hier. Er hat sich der Klage angeschlossen und sie dann verloren. Genau das ist es, was die Leser interessiert. Dass die SZ dabei etwas ungenau gearbeitet hat, ist durchaus kritisierenswert. Aber aus so einer Kleinigkeit den ganz großen Hammer zu basteln und einen „Todesstoß“ für die Zeitung abzuleiten, ist einfach Quatsch. Da gäbe es viele besser Beispiele…

    Comment by Homba — 25.05, 2011 @ 10:23

  11. Es gibt doch nichts älteres als die Zeitung von heute. Da kann man sich das Lesen sparen und direkt den Fisch mit einwickeln – wobei das Einwickelpapier dann doch etwas teuer ist.

    Print ist in der Tat tot nur statt auf echten Qualitätsjournalismis zu bauen und die Onlineangebote (gerne auch Bezahlangebote) ordentlich auszubauen (Code auf jeder Printausgabe, welche das entsprechende Onlineangebot freischaltet, mit Zeitungsabo gleich Onlineabo anbieten, Onlineabo zum halben Preis des Zeitungsabos _zum Beispiel_) wird auf Schutz des geistigen Eigentums und das Abdrucken von dpa-Meldungen gesetzt. Dabei erfüllen die Agenturmeldungen oftmals nicht mal primitivste Ansprüche an eine Schöpfungshöhe und sind somit eh nicht Schutzwürdig…

    gruß

    Comment by Frank Schenk — 25.05, 2011 @ 11:00

  12. Das gibts doch nicht!

    Comment by Käptn Mölders — 25.05, 2011 @ 11:18

  13. Sie haben recht mit Ihrer Kritik. Leider ist es bei anderen Qualitätszeitungen wie der FAZ nicht anders. Die Präzision in juristischen Dingen fehlt auch dort nicht selten in den Berichten.

    Comment by BoPeGZtgh — 25.05, 2011 @ 11:53

  14. @ burschi: Wenn Sie aus Sicht eines Präskriptivisten – wie Bastian Sick – argumentieren, haben Sie Recht. Aus Sicht des Deskriptivisten (die heute übliche Richtung in der Linguistik) sieht es etwas anders aus. Googeln Sie mal und schauen Sie, in welchem Zusammenhang die Begriffe „Klage“ und „Anklage“ benutzt werden. Schauen Sie, in welchem Zusammenhang die Begriffe „Angeklagter“ und „Beklagter“ benutzt werden. Dann werden Sie sehen, dass „Anklage“ für überwiegend bei strafrechtlichen Angelegenheiten benutzt wird, „Klage“ bei sonstigen Gerichtsverfahren. In menem heute gewonnenen Arbeitsgerichtsprozess hieß es auch „Die Beklagte wird verurteilt …“

    btw: Ob die StPO nun „Klage“ oder „Anklage“ schreibt, ist sprachlich als auch rechtlich unerheblich. Schauen Sie mal ins GG und schauen Sie mal, wie dort die Begriffe „Gebühr“ und „Entgelt“ durcheinandergeworfen werden. Hat uns schon mal 30.000 € für ein Rechtsgutachten gekostet, weil selbst das GG sich unklar ausdrückt.

    Ergebnis: Von einem „Leitmedium“ wie der SZ kann ich nicht nur rechtlich, sondern auch linguistisches sauberes Arbeiten verlangen.

    Comment by Logiker — 25.05, 2011 @ 13:23

  15. Mindestens genauso schlimm finde ich dabei den Altpapierterror alle paar Tage. Unsere Briefkästen stehen dummerweise außerhalb des Hausflurs, weswegen neben unmengen von Werbung auch ständig Tageszeitungen reingeschmissen werden, die ich dann immer direkt vom Briefkasten in den Mülleimer werfe. Zum Glück ist das ja alles recyceltes Altpapier, sonst würde mir wohl auch irgendwann das Herz bluten.
    Ironisch an der Sache finde ich zB die Berliner Morgenpost. Die Zeitung von denen bekomm ich ungefragt eingeworfen, aber für einige Artikel auf ihrer Webseite soll ich natürlich ein Abo abschließen.

    Comment by Seb — 26.05, 2011 @ 07:40

  16. @burschi: Mal abgesehen von den reichlich vorhandenen Fragwürdigkeiten in Ihrem – nun ja, ‚Kommentar‘: wieso glauben Sie sich anmaßen zu dürfen, über die „Bedürfnisse von Tageszeitungs-Lesern“ zu entscheiden?

    Ich lese die SZ seit Jahren und erwarte einfach, daß dort sauber gearbeitet wird. Hier war das nicht der Fall.

    Comment by Risus — 26.05, 2011 @ 19:07

  17. Zu der Kritik an den unreflektierten Wiedergaben von Agenturmeldungen sollte noch eine weitere
    Unart der Medien vermerkt werden, nämlich die
    unreflektierte Wiedergabe von PR Meldungen und
    dgl. mehr.
    Jack Shafer, Medienkritiker von Slate, hat vor
    kurzem einen recht interessanten Artikel dazu
    geschrieben, der sich genaus gut auf deutsche
    Medien beziehen könnte:
    http://www.slate.com/id/2293631/

    Comment by Joss — 28.05, 2011 @ 14:21

  18. Kann zwar gerade kein konkretes Beispiel nennen, aber mir ist schon oft während der Zeitungslektüre aufgefallen, wie ungenau und unreflektiert manche Medienhäuser bestimmte Themen behandeln. Denke mal, dass die unzureichende Recherche der Themen dafür mitverantwortlich ist.

    Comment by Tbf — 24.08, 2011 @ 16:24

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