Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.4.11

Netzsperren für Glücksspiele?

In einer gemeinsamen Pressemitteilung des Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur (AK Zensur) und des Chaos Computer Clubs (CCC) wird auf eine geplante Neuregelung des Glücksspielstaatsvertrags hingewiesen, der evtl. auch Sperrungsanordnungen gegen Access-Provider ermöglichen soll.

Die bisherige Regelung in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 des GlüStV hierzu lautet:

Sie kann insbesondere (…) Diensteanbietern im Sinne von § 3 Teledienstegesetz, soweit sie nach diesem Gesetz verantwortlich sind, die Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen.

Die geplante Neuregelung (nach dem Entwurf vom 03.12.2010) will die Vorschrift wie folgt neu fassen:

Sie kann insbesondere (..) Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die verantwortliche Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird durch Satz 1 eingeschränkt. Hierdurch sind Telekommunikationsvorgänge im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes betroffen.

Nach der Gesetzesbegründung soll damit keine inhaltliche Änderung verbunden sein, sondern nur eine Klarstellung.

Ob diese Vorschrift Sperrungsanordnungen gegenüber Zugangsprovidern ermöglicht, dürfte zumindest fraglich sein. Access-Provider werden zwar vom TMG – wie schon nach dem TDG – als Diensteanbieter betrachtet. Sie sind nach dem Gesetz allerdings unter den Voraussetzungen des § 8 TMG für fremde Informationen nicht verantwortlich, weshalb auch keine verantwortliche Mitwirkung, die der Glücksspielstaatsvertrag aber voraussetzt, vorliegt. Gegen Zugangsprovider kann deshalb nach dieser Vorschrift wohl keine Sperrungsanordnung ergehen.

Die Formulierung zielt offenbar auf Hoster ab und auf inländische Portale, die auf ausländische Glückspielseiten weiterleiten. Dafür spricht auch der Wortlaut „nach vorheriger Bekanntgabe“. Denn für Hoster entfällt die Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG, sobald sie von rechtswidrigen Inhalten Kenntnis erlangen. In Fällen des § 8 TMG bewirkt aber selbst eine solche Bekanntgabe keinen Wegfall der Haftungsfreistellung.

Update:

Gerade habe ich den aktuellen Entwurf vom 04.04.2011 erhalten und der liest sich nunmehr ganz anders und sieht das Instrumentarium von Sperrungsanordnungen ausdrücklich vor. Die maßgebliche Passage lautet jetzt:

Sie kann insbesondere (…) Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen.

Dieser Entwurf zielt, anders als der vom 03.12.2010, nunmehr eindeutig auf Sperrungsanordnungen gegenüber Access-Providern und sogar gegenüber Registraren ab, was ein Novum darstellt.

Da scheint einiges passiert zu sein hinter den Kulissen seit Dezember 2010.

posted by Stadler at 10:52  

14 Comments

  1. Wo ist der juristische Unterschied zu den Büssowschen Netzsperren, die ja in NRW gerichtlich bestätigt wurden? Ist die juristische Grundlage hier nicht sehr ähnlich?

    Comment by Torsten — 11.04, 2011 @ 10:56

  2. @Torsten: Nicht wirklich. Allein der Wortlaut weist kaum Ähnlichkeiten auf.

    Die Rechtsgrundlage im nicht mehr existierenden MDStV, auf die sich Büssow gestützt hat, sah einerseits Sperrungen ausdrücklich vor und erklärte, dass solche Maßnahmen auch gegenüber Access-Providern ergriffen werden können.

    Das alles findet man im GlüStV nicht. Der Wortlaut des GlüStV deutet demgegenüber vielmehr darauf hin, dass gegen Zugangsprovider, die Nichtverantwortliche (im Sinne des TMG) sind, auch keine Sperrungsverfügungen ergehen können.

    Im übrigen bietet der Staatsvertrag auch keine Handhabe für eine Sperrinfrastruktur wie das ZugErschG. Dieser Vergleich ist deshalb an den Haaren herbei gezogen.

    Comment by Stadler — 11.04, 2011 @ 11:28

  3. Ist das einwirken auf Hostern ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Grundgesetz?

    Und wie berührt das §88 TKG, bei dem es um den Inhalt von Kommunikation geht? Wenn es nur um das löschen von Inhalten geht, müsste dann nicht jedes Löschen per Gesetz begründet werden (Nach Absatz 3)?

    Das mit der Klarstellung hab ich schon gelesen, allerdings ergibt das grad nicht wirklich Sinn ;(

    Hab ich da jetzt was ordentlich verbockt? oO

    lg

    Ben

    Comment by Benjamin Stöcker — 11.04, 2011 @ 11:34

  4. Nunja, ein Praktikant (und ehemaliger Mitstudent) eines der Beteiligten aus der Staatskanzlei hatte mir vorigen Monat gesteckt, dass Zugangssperren bei Glücksspielen durchaus diskutiert wurden, schon letztes Jahr. Es sei übrigens intern nicht sehr kontrovers zugegangen.

    Ich halte die Warnung des CCC für angemessen. Lustigerweise chattete mich ebenjener ehemaliger Kommilitone eben an und meinte, wie froh er sei, dass das jetzt endlich öffentlich diskutiert würde.

    Comment by Tharben — 11.04, 2011 @ 11:43

  5. @Ben: Der Kommunikationsvorgang als solcher verändert sich doch nicht dadurch, dass ich als Anknüpfungspunkt einen Hoster oder einen Portalbetreiber und nicht einen Zugangsprovider wähle.

    Der Gesetzgeber weiß scheinbar auch selbst nicht so genau, ob das Fernmeldegeheimnis betroffen ist. Um dem verfassungsrechtlichen Zitiergebot Genüge zu tun, zitiert man aber vorsichtshalber.

    Comment by Stadler — 11.04, 2011 @ 11:46

  6. >> Der Kommunikationsvorgang als solcher verändert sich doch nicht dadurch, dass ich als Anknüpfungspunkt einen Hoster oder einen Portalbetreiber und nicht einen Zugangsprovider wähle. <<

    Es ist doch ein Unterschied ob ich den Inhalt eines Schaufensters ändere oder den Weg dorthin sperre, oder?

    Comment by Benjamin Stöcker — 11.04, 2011 @ 11:49

  7. *Räusper* : http://www.golem.de/1104/82687.html

    So weit hergeholt ist es wohl nicht – zumindest scheinen auch Politiker die Texte so zu verstehen.

    Aber ich wünsche persönlich ich hätte deinen positive Sicht auf den Gesetzgeber und vor allem die Exekutive – und das war jetzt nicht sarkastisch gemeint!

    Comment by Benjamin Stöcker — 11.04, 2011 @ 12:39

  8. Wenn der Medienstaatsvertrag eh hinfällig ist, wieso sind es die Sperrverfügungen nicht?

    Comment by Torsten — 11.04, 2011 @ 13:27

  9. Herr Vetter zitiert auf dem Lawblog (http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/04/11/lgner/) aus dem aktuellsten Entwurf:

    „Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann … insbesondere Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die MItwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses wird insoweit eingeschränkt (§ 9 Abs. 1 Ziff. 4).“

    Das klingt dann doch schon sehr stark nach Netzsperren und aus der „verantwortlichen Mitwirkung“ ist nur die „Mitwirkung“ geworden.

    Comment by AndreasM — 11.04, 2011 @ 13:40

  10. Ich kann mich der Meinung von Thomas nur anschließen.

    Problem ist hier eher das TMG, das Access-Provider und Inhaltsanbieter in einen Topf schmeißt und als „Dienstanbieter“ bezeichnet.

    Ist halt von Leuten gemacht, die vom Internet nix verstehen oder zumindest nicht verstanden haben, als sie das TMG geschrieben haben.

    Das führt dann irgendwann zu Normenunklarheiten.

    Aber wenn Jimmy Schulz jetzt erstmal in einer PM alle FDP-Landtagsfraktionen auffordert, keiner Fassung zuzustimmen, die Netzsperren enthält, kann das auch nix schaden.

    Comment by Christoph Hochstätter — 11.04, 2011 @ 15:56

  11. Gibts den aktuellen Entwurf vom 04.04.2011 irgendwo zum nachlesen?

    Comment by Zensurgegner — 11.04, 2011 @ 16:46

  12. Volltext-Dateien hier:

    http://glueckstv.piratenpartei.de/

    Comment by Bernd Fachinger — 11.04, 2011 @ 19:16

  13. @12: Danke!

    Comment by Zensurgegner — 12.04, 2011 @ 11:47

  14. Golem.de: Netzsperren über Glücksspielstaatsvertrag rücken näher

    http://www.golem.de/1104/82857.html

    besonders auch der letzte Absatz:

    Auf EU-Ebene wird auch nachdrücklich die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland gefordert…

    Comment by Michael Eichhorn — 18.04, 2011 @ 11:54

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