Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.4.11

Hamburger Landrecht auch im Strafrecht

Am Landgericht Hamburg existieren offenbar nicht nur in der Zivilabteilung seltsame Rechtsansichten. Es gibt da draußen tatsächlich Richter, die der Meinung sind, dass ein mehrstündiges Einsperren in eine Gewahrsamszelle weder eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG noch eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO darstellt.

Was mich bei der Lektüre derartiger Entscheidungen wirklich betrübt, ist der Umstand, dass so was überhaupt vor das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 08.03.2011, Az.: 1 BvR 47/05) gebracht werden muss. Denn dies ist ein deutliches Indiz dafür, dass viele offensichtliche Grundrechtsverletzungen irgendwo im Instanzenzug hängen bleiben.

(via Verfassungsblog)

posted by Stadler at 18:36  

7 Comments

  1. Nun ja, auch die Hamburger Strafrichter haben ja große Namen hervorgebracht: Ronald Barnabas Schill, Barbara Salesch, …

    Positiv möchte ich am Landgericht Hamburg die Kantine erwähnen.

    Comment by RA Kompa — 6.04, 2011 @ 19:00

  2. Und in Karlsruhe braucht man 6 Jahre, um das dann auch festzustellen….Das scheint ja ein ganz schön klarer und eindeutiger Fall einer offenkundigen Grundrechtsverletzung gewesen zu sein, wenn man so schnell entscheidet.

    Comment by klabauter — 6.04, 2011 @ 21:27

  3. @klabauter:

    Wenn Sie schon von den 6 Jahren auf die Offensichtlichkeit schließen, dann müssen Sie das natürlich in Relation zu anderen offensichtlichen Grundrechtsverstößen betrachten.

    Wenn ich mir also überlege, dass der Grundrechtsverstoß des Verbotes für Frauen, in der Bundeswehr Dienst an der Waffe zu leisten von 1949 bis 2001 Bestand hatte und nicht in Karlsruhe, sondern vom Europäischen Gerichtshof gekippt wurde, erscheinen mir die 6 Jahre doch geradezu rasend schnell.

    Dieser Grundrechtsverstoß muss also relativ betrachtet (nach Ihrer Sichtweise) um ein Vielfaches offensichtlicher sein als die „Frauen in der Bundeswehr – Sache“.

    MfG

    Comment by Meister des Offensichtlichen — 7.04, 2011 @ 07:41

  4. Aus der Perspektive eines Laien sind (deutsche) Gerichte vor allem nicht für ihre Schnelligkeit bekannt. Insofern würde ich von ihr auch nicht auf die Offensichtlichkeit eines Rechtsverstoßes schließen wollen.

    Comment by Seb — 7.04, 2011 @ 08:45

  5. Was ich mich frage – wie kann man dem Abhilfe schaffen ? Dass unterschiedliche Richter die gleichen Sachverhalte unterschiedlich entscheiden ist ja nichts neues, in Zeiten von Globalisierung und Forum-Shopping aber zunehmend problematisch.
    Wenn also für den Betroffenen nur der Gang durch die Instanzen bleibt, der jeweilige Richter seine Entscheidungspraxis aber dennoch unbeirrt weiterführen kann, haben wir doch ein strukturelles Problem. Vorschläge ?

    Das gleich gilt übrigens auch für Bundesregierungen, deren verfassungswidrigen Gesetze regelmäßig vom BVerfG kassiert werden, und dennoch ungestraft so weitermachen können, übrigens auch beim gleichen Sachverhalt (wie es sich für die VDS vulgo Mindestspeicherdauer voraussichtlich herausstellen wird).

    Comment by Oliver — 7.04, 2011 @ 10:22

  6. Auch wenn lange Verfaheren kein neues Problem sind, Kafka schrieb „Der Prozess“ schon 1914/15, kann und muss man Verfahrenlängen kritisieren. Ein Hinweis auf übliche Langsamkeit/Verzögerung im Gerichtsalltag oder bei bestimmten Gerichten – wo in der Wirtschaft kann man so lässig mit Zeit umgehen? – m. E. jedenfalls nicht herangezogen werden um eine überlange Verfahrensdauer zu entschuldigen bzw. den Verdacht zu entkräften, es ginge bei den sprichwörtlich langsam mahlenden Mühlen der Justiz nicht gelegentlich auch um die bloße Verweigerung von Recht, Machtmisbrauch etc.

    Noch ein Wort zur Bundeswehr: die Wiederbewaffnung der BRD fand 1955 statt, nicht 1949; das Wehrpflichtgesetz gibt es erst seit dem 21. Juli 1956. Klagen seitens Frauen zum Dienst an der Waffe in der BW gab es m. W. erst in Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, vermutl. auch in Folge der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die 1996/97 eingereichte Klage von Kreil erreichte nicht nach einem langen Instanzenweg den Europäischen Gerichtshof, sondern wurde vom angerufenen Verwaltungsgericht Hannover dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, das dann 2001 entschied. Auch diese Zeit ist sicher lang, wenn man die Lebensplanung eines jungen Menschen berücksichtigt, aber doch deutlich kürzer als der oben angeführte Zeitraum von 52 Jahren.

    Comment by M. Boettcher — 7.04, 2011 @ 10:42

  7. Zum „Nebenkriegsschauplatz“ Bundeswehr (gutes Beispiel): Frau Kreil hatte vor dem VG 1996 geklagt. Dieses rang sich irgendwann einmal dazu durch, eine Vorlage an den EuGH zu machen (in einem parallelen Fall hat das BVerwG schon die Idee, den EuGH anzurufen, als absurd zurückgewiesen, 1 WB 94.98), die dort im Juli 1998 einging. Der Generalanwalt gab sein Votum im Oktober 1999 ab und der EuGH entschied (nach allerlei Anhörungen) im Januar 2000 (C-285/98). Was will man mehr?

    Der Rechtsverstoß begann tatsächlich nicht 1949, sondern währte „nur“ von August 1978 (Inkrafttreten der Beruflichen-Gleichbehandungs-Richtlinie) bis Dezember 2000 (Änderung von Art. 12a GG).

    Comment by OG — 7.04, 2011 @ 12:08

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