Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.3.11

Parlamentsfernsehen unzulässig?

Das „Parlamentsfernsehen“ des Deutschen Bundestages wurde von der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) als unzulässig beanstandet. Nach Ansicht der ZAK handelt es sich um ein Rundfunkangebot, das einer rundfunkrechtlichen Zulassung bedarf, die allerdings nicht erteilt werden könne, nachdem der Programmanbieter ein Verfassungsorgan ist.

Der Bundestag strahlt Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse über das Internet und eine Satelitenfrequenz aus.

Unabhängig davon, ob es sich hierbei um Rundfunk im Sinne des RStV handelt, ist die Einschätzung der ZAK unter verfassungsrechtlichen Aspekten bedenklich. In Art. 42 Abs. 1 GG ist geregelt, dass der Bundestag öffentlich verhandelt. Die vollständige und ungeschnittene Ausstrahlung von Sitzungen des Plenums und der Ausschüsse ist ein Instrument, durch das die vom Grundgesetz geforderte Öffentlichkeit hergestellt wird. Damit wird gleichzeitig die Informationsfreiheit und die politische Bildung gefördert. Man muss sich also zunächst fragen, ob ein derartiges Parlamentsfernsehen im Internetzeitalter nicht geradezu verfassungsrechtlich geboten ist.

Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob die Bundestagsverwaltung auch redaktionelle Bearbeitungen anbieten darf. Die ungeschnittene und unkommentierte Übertragung von Bundestagsdebatten muss aber als zulässige Öffentlichkeitsarbeit bewertet werden. Aus Sicht des Bürgers, der sich informieren will, wäre die Einstellung des „Parlamentsfernsehens“ eine schwer nachvollziehbare Entscheidung.

posted by Stadler at 11:52  

6 Comments

  1. Grundgesetz schlägt Rundfunkstaatsvertrag.

    Zu einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit gehören neben dem Live-Stream und dem Video-Archiv selbstverständlich auch redaktionelle Bearbeitungen.

    Für eine lebendige Demokratie brauchen wir diese Form der Öffentlichkeitsarbeit. Es wäre töricht, sich dagegen auszusprechen.

    Comment by Dr. Christian Kohlschütter — 22.03, 2011 @ 12:22

  2. Ich glaube, Ihre Position und die der Kommission liegen nicht so weit auseinander. In der Pressemitteilung heißt es:

    Außerdem wird es inzwischen deutlich stärker redaktionell gestaltet, so dass zu klären war, ob das Parlamentsfernsehen bereits ein Rundfunkangebot darstellt und gegebenenfalls eine Lizenz braucht.

    Comment by Oliver García — 22.03, 2011 @ 12:25

  3. Ich könnte mir vorstellen, dass die ZAK-Einschätzung die Medienpolitiker von Bund und Ländern noch mal darauf hinweist, wie wenig das alte Medien-/Rundfunkrecht noch ins Internet-Zeitalter passt. Ich habe zufällig letzte Woche die aktuellen Informationen zur Politischen Bildung zum Thema Massenmedien in die Hand bekommen – da wird als allererstes Thema das Internet behandelt. Ein Großteil dessen, was ich vor 20 Jahren im Publizistik-Studium gelernt habe, gilt heute einfach nicht mehr.
    Naja, wahrscheinlich ist es eher „hoffen“ als „vorstellen“.

    Comment by Andreas Maurer — 22.03, 2011 @ 13:04

  4. Wie ich im Landesblog (http://landesblog.de/2011/03/parlamentsfernsehen-rechtlich-nicht-unproblematisch/) bereits schrieb, kritisieren die Landesmedienanstalten eben auch die redaktionelle Ausgestaltung des „Programms“. So kann man die Aussage „Derzeit gibt es aber keine Rechtsgrundlage für ein SO GESTALTETES Parlamentsfernsehen.“ durchaus auch so verstehen, dass ein Parlamentsfernsehen ohne redaktionellen Teil durchaus zulässig wäre.

    Damit wäre den oben genannten Anforderungen des Art. 42 Abs. 1 GG ebenso genüge getan wie dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks. Was durch Medienrechtler unabhängig davon zu klären bliebe, ist die Frage, ob der Internetstream des Bundestages als Rundfunk einzustufen wäre.

    Inhaltlich wäre der Verlust jedes Parlamentsfernsehens im Sinne einer ungeschnittenen, unkommentierten freien Übertragung gesellschaftlich eher schädlich. Allerdings mag ich die Aussagen der Medienanstalten nicht uneingeschränkt kritisieren. Das Gebot der Staatsferne erscheint mir durchaus wichtig zu sein und ein durch die Parlamente redaktionell gestaltetes „Informationsmedium“ sehe ich auch nicht als zwingend an.

    Comment by Oliver Fink — 22.03, 2011 @ 13:52

  5. Ich vermag der Einschätzung dieses Beitrags nicht zu folgen:

    Bislang hat der Deutsche Bundestag, u. a. gestützt auf ein Rechtsgutachten von Professor Dr. Gersdorf (Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags, 2008), eben gerade ein Programm angeboten, das eine – weitgehend – ungeschnittene und unbearbeitete Wiedergabe der Parlamentsdebatten enthielt. Dieses Programm wurde im Berliner Kabelnetz und verschlüsselt über Satellit übertragen. Dieses Modell ist von den Landesmedienanstalten als Form verfassungsrechtlich zulässiger (wenn auch im Schrifttum nicht unstrittiger) Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments angesehen und von daher nicht beanstandet worden.

    Grund zur Überprüfung des Angebots ist gerade die nunmehr unverschlüsselte Übertragung über Satellit und die Verstärkung des redaktionellen Elements im Programmangebot, die sich nun auch in Beiträgen niederschlägt, die nur noch mittelbar etwas mit den jeweils anstehenden Parlamentsdebatten zu tun haben.

    Von daher geht es aus meiner Sicht sowohl am rundfunk- wie auch am verfassungsrechtlichen Problem vorbei, nun die Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments zu beschwören, die eben, das zeigt die Rechtsprechung des BVerfG recht deutlich, das Parlament nicht vollständig aus den Bindungen des Gebots der Staatsfreiheit des Rundfunks entlässt.

    Comment by Ralph Zimmermann — 22.03, 2011 @ 14:14

  6. @Ralph Zimmermann: Genau so ist es.

    Comment by ElGraf — 24.03, 2011 @ 09:27

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