Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.2.11

Die rote Linie im Internet

Ein Artikel des Heise-Newstickers hat mich an ein Thema erinnert, zu dem ich vor Weihnachten schon mal etwas bloggen wollte. Es geht um das geplante Gesetz zum Schutz vor besonders schweren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht („Rote-Linie-Gesetz“), das offenbar derzeit in den Ministerien abgestimmt wird. Hiermit wird sich der zweite Teil dieses Beitrags befassen, aber zuerst noch ein paar Worte  zu den Aussagen von Michael Wettengel, Mitglied der IT-Steuerungsgruppe des Bundes und Zentralabteilungsleiter im Kanzleramt. Wettengel plädiert dafür, sich stärker mit den ethischen und moralischen Herausforderungen des Internets zu beschäftigen und meint damit sicherlich nichts anderes als eine weiterreichende Netzregulierung. Es folgt dann leider aber nur die Wiederholung der netzpolitischen Plattitüde schlechthin „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ sowie eine Kritik an der Verwendung von Pseudonymen im Netz.

Das von Wettengel ebenfalls angesprochene sog. „Rote-Linie-Gesetz“ will u.a. einen neuen § 38b in das BDSG einführen, der lautet:

§ 38b Unzulässige Veröffentlichungen in Telemedien

Die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten in Telemedien durch Stellen im Sinne des § 1 Absatz 2, wodurch ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen herbeigeführt wird, ist unzulässig, soweit nicht eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene ausdrücklich und gesondert eingewilligt hat oder ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Veröffentlichung besteht. Ein besonders schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen liegt insbesondere vor, wenn in Telemedien personenbezogene Daten veröffentlicht werden,

1. die geschäftsmäßig gezielt zusammengetragen, gespeichert und gegebenenfalls unter Hinzuspeicherung weiterer Daten ausgewertet wurden und die dadurch ein umfangreiches Persönlichkeits- oder Bewegungsprofil des Betroffenen ergeben können oder

2. die den Betroffenen in ehrverletzender Weise beschreiben oder abbilden.

In systematischer Hinsicht kann man einwenden, dass diese Vorschrift nicht in das BDSG gehört, weil die datenschutzrechtlichen Regelungen zu Telemedien entsprechend des bereichsspezifischen Konzepts des deutschen Datenschutzrechts bislang im TMG angesiedelt waren. Außerdem handelt es sich im Kern nicht um eine datenschutzrechtliche Regelung, sondern um eine solche des Zivil- bzw. Deliktsrechts. Der Schutz der Ehre und des Persönlichkeitsrechts ist keine originäre Aufgabe des Datenschutzrechts.

Sachlich stellt sich die Frage des Regelungsbedarfs. Schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht sind bereits nach geltendem Recht unzulässig. Inhaltlich bietet der Entwurf eines § 38b BDSG deshalb keinerlei Neuerungen. Er schließt weder eine Regelungslücke, noch löst er eine Streitfrage auf.

Vielleicht sollte man irgendwann einfach damit anfangen, sich den regelungsbedürftigen Aspekten zuzuwenden.

posted by Stadler at 18:10  

3 Comments

  1. Ich kann mir vorstellen, dass ein Teil der Idee hier war, die Verbindung von Daten im grossen Stil zu verbieten, selbst wenn der Betroffene der Speicherung der einzelnen Daten zugestimmt hat. Also eine spezifische Zustimmung zu der Datenverbindung zu erfordern.

    Die Frage ist dann allerdings, wieso nur bei Veröffentlichung in Telemedien.

    Comment by AndreasM — 10.02, 2011 @ 11:34

  2. Es geht hier offensichtlich darum, verdeckte Ermittler zu schützen, und zum Teil eignet es sich auch als Anti-Leak-Gesetz. Also alles „zum Wohl des Volkes“.

    Comment by Clowncharlie — 10.02, 2011 @ 13:03

  3. CDU-Spendenaffäre

    Dafür, dass Herr Wettengel anscheinend Teil der CDU-Spendenaffäre ist „Ethik“ und „Rechtsfreier Raum“ ganz schön Frech.

    Comment by cervo — 11.02, 2011 @ 14:49

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