Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.2.11

Bayerisches LKA setzt rechtswidrige Methoden der Onlineüberwachung ein

Nach einem Bericht des Münchener Merkur hat das bayerische Landeskriminalamt einen Verdächtigen drei Monate lang mithilfe eines auf den Rechner des Mannes eingeschleusten Trojaners überwacht. Der Trojaner hat offenbar immer dann, wenn der Verdächtige mit seinem Browser online war, alle 30 Sekunden einen Screenshot angefertigt. Auf diese Weise wurden über 60.000 Screenshots an die Polizeibehörde übermittelt. Damit konnte das Internetnutzungsverhalten des Verdächtigen lückenlos erfasst werden.

Für derartige Maßnahmen gibt es (derzeit) keine Rechtsgrundlage und das BVerfG hat auch bereits entschieden, dass die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht werden kann, verfassungsrechtlich nur zulässig ist, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung eines überragend wichtigen Rechtsguts bestehen. Das LKA musste also wissen, dass dieses Vorgehen rechtswidrig ist.

Gegen das, was die Polizeibehörden also tatsächlich praktizieren, ist die Vorratsdatenspeicherung wohl eher Kinderkram. Man muss auch davon ausgehen, dass das LKA diese Technik nicht zum ersten Mal zur Anwendung gebracht hat.

posted by Stadler at 11:57  

14 Comments

  1. Ist so etwas nicht strafbar? Ich vermute Normalbürger dürfen nicht einfach so irgendwo einen Trojaner installieren…

    Comment by Heiner — 17.02, 2011 @ 12:19

  2. @1

    ????

    Normalbürger dürfen sich auch nicht bei einem Betrieb/Unternehmen anmelden und eine Betriebsprüfung durchführen

    Normalbürger dürfen auch nicht mit Tatütata durch die Gegend fahren

    Normalbürger dürfen…..

    Comment by Christian — 17.02, 2011 @ 12:40

  3. @ 2 Christian
    Was ist das denn für eine seltsame Erklärung? Blaulicht und Betriebsprüfungen sind gesetzlich geregelt. Onlineüberwachung eben NICHT!
    Und dann gibt es noch die willkürliche Auslegung hart an der Grenze: http://hinter-der-fichte.blogspot.com/2010/09/zuviel-erbsen-auf-dem-teller-schaubles.html

    Comment by Hartmut Beyerl — 17.02, 2011 @ 13:06

  4. Details siehe http://ijure.org/wp/archives/476

    Dort findet sich auch der Beschluss des LG Landshut, dass die Maßnahme rechtswidrig war.

    Comment by @vieuxrenard — 17.02, 2011 @ 13:18

  5. Das war eine Ermittlung wegen eines Verstoßes gegen das BTMG.

    Das ist doch ganz klar ein überwiegender Rechtsgrund der die Grundfeste der Bundesrepublik gefährdet und nicht anders abgewendet werden kann.

    Unsere Behörden werden schon wissen was gut und richtig für uns ist…

    ;-)
    Wobei man meinen momentanen Gemütszustand gar nicht per Forum darstellen kann

    Comment by stachel — 17.02, 2011 @ 14:23

  6. Für die Behörden lohnt sich rechtswidriges Verhalten, zumal Erkenntnisse aus diesen in DE leider in Gerichtsverfahren verwendet werden dürfen. Und wenn erst Jahre nach einem Demonstrationsverbot dessen Rechtswidrigkeit festgestellt wird, ist der Scahden bereits eingetreten. Das Gleiche gilt bei rechtswidrigen Durchsuchungen/Razzien, Abfangen von Briefen, Verwanzen von Wohnungen etc. Folgen für die Beteiligten Beamten: keine. Kein Wunder also, dass man bei Polizei und Zoll auf die Gesetze mehr und mehr pfeift. Prognose: auch hier wird es keine Sanktionen gegen Beante geben, die das veranlasst bzw. durchgeführt haben.

    Comment by M. Boettcher — 17.02, 2011 @ 14:30

  7. Na der Verdächtige war drei Monate lang jeden Tag im Durchschnitt über 22 Stunden lang online.

    Das MUSS ja ein gefährlicher Raubmordkopierer-Kinderporno-Selbstmordattentäter sein ;-).

    Comment by Spinnzessin — 17.02, 2011 @ 15:38

  8. Ich habe versucht mich über diesbezügliche Rechtsschutzversicherungen zu informieren, aber bin icht fünidg geworden. Zu welchem Bereich von Rechtsstreitigkeiten gehören denn Internetangelegenheiten?

    Comment by Ralph — 17.02, 2011 @ 15:43

  9. Meine Frage war durchaus ernst gemeint! Ich verstehe einfach nicht, wieso niemand persönlich zur Verantwortung gezogen wird, wenn dort offensichtlich rechtswidrig Trojaner installiert wurden.

    Comment by Heiner — 17.02, 2011 @ 19:18

  10. @Heiner

    natürlich kann soetwas strafbar sein, vgl. zB § 202a StGB. Das Problem ist nur, dass man den Beamten wohl allerlei zugute halten wird, um sie nicht bestrafen zu müssen – spontan fällt mir ein: Die StA könnte argumentieren, dass die Beamten dachten, der Beschluss des AG sei eine taugliche Grundlage für ihre Maßnahme. Das wäre dann – je nachdem wie man’s im Detail dreht und wendet – ein Verbotsirrtum nach § 17 StGB oder ein sog. Erlaubnistatbestandsirrtum analog § 16 StGB.

    Als Bürger finde ich das überaus bedauerlich: Man schützt den Rechtsstaat schließlich auch als Polizist nicht, indem man dessen Regeln missachtet, und geschehe es in noch so guter Intention (die ich den Beamten unterstelle). Karrierestreben / Profilierung als „besonders scharfer Cop“ wäre eine weniger schöne alternative Hypothese, aber dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte.

    Comment by @vieuxrenard — 17.02, 2011 @ 21:08

  11. Als Surfer per UMTS-Stick ergibt sich mir bezüglich des „Screenshot-Trojaners“ eine weitere Frage.

    Momentan nutze ich eine Monatsflat in HSDPA-Geschwindigkeit (7,2 MBit/sek). Diese Flat wird ab einem verbrauchten Datenvolumen von 5 GB (Down- und Upload) auf GPRS (384 kBit/sek) gedrosselt.

    Ein Screenshot, welches alle 30 Sekunden durch „meine Leitung“ gezogen wird, ergibt in der Summe einen nicht zu verachtenden Traffic, was zur Folge hat, dass das Datenvolumen von 5 GB früher erreicht wird. Somit steht mir praktisch gesehen weniger Traffic in HSDPA-Geschwindigkeit zur Verfügung. Das heißt, dass die Drosselung auf GPRS früher erfolgt, was auf den Screenshot-Traffic durch den Trojaner zurückzuführen ist. Dadurch entsteht mir als Nutzer ein Nachteil, den ich erst dann bemerke, wenn mir die Installation des Trojaners bekannt wird. Der sogenannte Bundestrojaner wird ja meines Wissens heimlich, also ohne Wissen des PC-Nutzers, auf dessen Rechner installiert.

    Hätte ich als Nutzer einen Anspruch auf Entschädigung gegenüber dem Verursacher, den Traffic betreffend? Ist der Verursacher überhaupt haftbar zu machen, wenn durch seinen Trojaner „auf meine Kosten“ irgendwelche Uploads oder Downloads getätigt werden?

    Comment by Bjoern — 18.02, 2011 @ 10:47

  12. Was soll man den von einem CSU-Staat anderes erwarten? Der Bürger ist für diesen Personenkreis gefälligts im Würgegriff des Staats zu halten.

    Comment by Marvin Werner — 18.02, 2011 @ 13:01

  13. Der US-amerikanische Kommunikationswissenschaftler Robert W. McChesney beschreibt den Unterschied zwischen Faschismus und Neoliberalismus folgendermaßen: „Der Faschismus ist rassistisch und nationalistisch, verachtet die formelle Demokratie ebenso wie die hoch organisierten sozialen Bewegungen. Der Neoliberalismus dagegen funktioniert am besten in einer formellen parlamentarischen Demokratie, in der die Bevölkerung zugleich systematisch davon abgehalten wird, sich an Entscheidungsprozessen sinnvoll zu beteiligen.“ McChesneys Urteil über unsere Demokratien neoliberaler Prägung ist vernichtend: „Ein paar Parteien, die, ungeachtet formeller Unterschiede und Wahlkampfgeschrei, die gleiche prokapitalistische Wirtschaftsform betreiben, führen triviale Diskussionen über Nebensachen. Demokratie ist zulässig, solange die Wirtschaft von demokratischen Entscheidungsprozessen verschont bleibt, d.h. solange die Demokratie keine ist.“
    http://www.neue-wirklichkeit.de/?p=77.html

    Comment by Floh — 18.02, 2011 @ 16:41

  14. Rechtsstaat?? WESSEN Rechtsstaat. Die Gesetze wurden seit 1945, Stück-für-Stück wieder zurechtgebeugt. Es passt doch wieder. Für jedes Rechtsmittel existieren doch lange schon die Maßnahmen/Gesetze, die das jeweils betroffene Rechtsmittel zur FARCE werden lassen. Eine Änderung dieses Zustandes ist ausgeschlossen (worden). Hier hilft nur der (friedliche)Generalstreik oder allenfalls, GG Art.20(4)

    Comment by Helmut Karsten — 4.03, 2011 @ 15:33

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