Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.12.10

Kunstfreiheit schlägt Urheberrecht

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil (Urt.v. 09.11.2010, Az.: 6 U 14/10) den Abdruck älterer Zeitungsartikel und Lichtbilder einer Zeitung im Rahmen eines eigenständigen Sprachwerks als einen geringfügigen Eingriff in das Urheberrecht des Zeitungsverlags betrachtet, den der Verlag im Lichte der Kunstfreiheit hinnehmen müsse.  Das Zitatrecht des § 51 Abs. 1, S. 2 Nr. 2 UrhG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass bei der durch eine Montage hergestellten inneren Verbindung der „Zitate“ mit den hinter der Vorgehensweise stehenden Gedanken und Überlegungen des Beklagten, es nicht auf die bloße Belegfunktion ankommt, sondern die Verwendung der Zitate vielmehr als künstlerisches Ausdrucks- und Gestaltungsmittel anzuerkennen ist.

Zumindest in Fällen, in denen der Eingriff in urheberrechtlich geschützte Positionen geringfügig erscheint und nicht mit der Gefahr merklicher wirtschaftliche Nachteile verbunden ist, hat das Verwertungsinteresse des Urheberrechtsinhabers gegenüber dem Interesse dessen zurückzutreten, der nach dem von ihm gewählten künstlerischen Konzept auf die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Positionen angewiesen ist.

Die Entscheidung überrascht mich durchaus. Das OLG hat die Revision zugelassen, so dass es eventuell zu einer Klärung durch den BGH kommen wird.

posted by Stadler at 17:31  

3 Comments

  1. Auf Musik übertragen klingt das für mich so, als ob Sampling – zumindest älterer Aufnahmen – erlaubt wäre.

    Comment by Jon — 9.12, 2010 @ 19:13

  2. Es ist an der Zeit, die gesetzlichen Schranken des Urheberrechts verfassungskonform und verfassungssensibel auszulegen und anzuwenden – insbesondere unter angemessener Berücksichtigung der kommunikativen und kulturellen Grundrechte (vgl. hierzu auch http://petringlegal.blogspot.com/2010/11/kunstfreiheit-siegt-uber-urheberrecht.html). Die bisherige, restriktive Rechtsprechung zu den urheberrechtlichen Schranken(u.a. Grass-Briefe-Urteil des Kammergerichts v. 27.11.2007, Az. 5 U 63/07 und Gies-Adler-Entscheidung des BGH v. 20.03.2003, Az. I ZR 117/00) lässt die Entscheidung des OLG Brandenburg allerdings tatsächlich als überraschend bezeichnen – eine m. E. erfreuliche, überfällige und vielleicht wegweisende Überraschung.

    Comment by Ralf Petring — 10.12, 2010 @ 21:55

  3. Hier nochmal der Link zu meinem Blog-Beitrag v. 15.11.2010. Sorry: http://petringlegal.blogspot.com/2010/11/kunstfreiheit-siegt-uber-urheberrecht.html

    Comment by Ralf Petring — 10.12, 2010 @ 21:58

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