Stadtplanabmahnungen, es gibt sie immer noch
Obwohl das Geschäftsmodell der Stadtplanabmahnungen seit vielen Jahren praktiziert wird und Google Maps längst die bessere Alternative darstellt, gibt es nach wie vor Menschen, die Kartenausschnitte von Unternehmen wie Euro-Cities AG in ihre Website einbinden. Das hat dann zumeist eine Abmahnung zur Folge, die mit einer Forderung nach Schadensersatz und Erstattung von Anwaltskosten in einer Größenordnung von nicht selten ca. EUR 1.500,- verbunden ist.
Und die Gerichte machen das auch weiterhin mit, wie zuletzt das Landgericht München I mit Urteil vom 01.10.2010 (Az.: 21 S 8179/10), durch das der Euro-Cities AG Schadensersatz in Höhe einer „angemessenen“ Lizenzgebühr von EUR 820,- sowie zusätzlich Anwaltskosten in Höhe von EUR 555,60,- zugesprochen worden sind.
Ob nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie tatsächlich ein angemessener Schadensersatz in dieser Höhe in Betracht kommt, darf mittlerweile allerdings bezweifelt werden.
Die Situation hat sich den letzten Jahren insoweit verändert, als jeder durch Nutzung der kostenlose API von Google Maps in die Lage versetzt wird, eine kostenlose und hochwertige Karte in seine Website einbinden zu können. Bei dieser Sachlage wird kein vernünftig agierender Webseitenbetreiber einen Kartenausschnitt, der zumeist qualitativ schlechter ist als Google Maps, zum Preis von EUR 820,- lizenzieren. Als angemessen gilt schließlich nach wie vor die Gebühr, die verständige Vertragspartner vereinbaren würden. Es mag nun durchaus sein, dass Unternehmen wie Euro-Cities Preislisten führen, die derartige Mondtarife ausweisen. Die Frage ist allerdings die, ob auf dieser Basis auch aktuell noch freiwillige Lizenzverträge geschlossen werden und wenn ja, ob diese Verträge noch halbwegs den objektiven Wert der Nutzungsberechtigung widerspiegeln.
Die Mühlen der Justiz mahlen wieder einmal sehr langsam. Die Gerichte sollten langsam erkennen, dass kleinen Kartenausschnitten wie denen von Euro-Cities praktisch kein wirtschaftlicher Wert mehr zukommt und dies auch bei der Schadensbemessung berücksichtigen.
Nicht zu vergessen, dass neben es neben Google auch noch die Openstreetmap gibt, die wirklich kostenlos ist und auch die Einschränkungen von Google nicht hat.
Comment by Kartograph — 10.11, 2010 @ 12:14
Ich arbeite viel mit Bing Maps von Microsoft. Die Kartenqualität scheint etwas besser als bei Google zu sein. Man marschiert nicht unbewusst wegen Kartenfehlern in fremde Staaten ein und die Satellitenfotos sind jünger.
http://www.bing.com/maps/
Der Preis von Euro-Cities AG erscheint mir als Wucher bei den Marktpreisen des Wettbewerbs und unverhältnismäßig. Google und Bing sind koatenlos, wenn man die Einbindungen derer Karten wieder frei verfüglich macht, auch bei gewerblicher Nutzung. Erstaunlich, wie weltfremd Richter urteilen dürfen.
Comment by Jan Dark — 10.11, 2010 @ 14:16
Ich halte es sogar für zweifelhaft, dass zu den offiziellen Lizenzkosten überhaupt in nennenswertem Umfang Lizenzverträge freiwillig, d. h. ohne vorausgehende Abmahnung abgeschlossen wurden. Die genannte Firma bzw. ihr Vorstand haben schon vor Jahren anderen Kartenverlage die Dienstleistungen und Infrastruktur rund um die Verfolgung unberechtigter Kartennutzung angedient (aufspüren, dokumentieren, Fall an Anwälte übergeben) um die „Substanz“ der Verlage zu verwerten. Das erschien um ein Vielfaches lukrativer als die reguläre Vermarktung. Die Mondpreise der Kartenausschnitte hat man ja leider nie überprüft. Für das, was da verlant wurde, konnte man sich in der Regel wunderschöne, individuelle Karten für die Website anfertigen lassen. Ich habe allerdings nie verstanden, was solche Karten nützen sollen. Angesichts der Verbreitung von Navigationsgeräten dürfte der Nutzen als Anfahrthilfe wohl gegen Null gehen.
Comment by M. Boettcher — 10.11, 2010 @ 14:56
Meinem Vorkommentator kann ich mich nur insoweit anschließen, dass ich auch bezweifel, dass die (üblicherweise vorgelegten) „analogen“ Lizenzverträge VOR einer Abmahnung abgeschlossen wurden.
Bekanntermaßen werden dem „Verletzer“ bei einer Stadtplankachelabmahnung immer zwei Alternativen angeboten: Entweder Lizenzvertrag oder UE + analoge Lizenz.
Wenn dann u.a. solche Verträge Grundlage für eine Lizenzanalogie sein sollen, dann beisst sich die Katze in den eigenen Schwanz. Markt- und Branchenüblichkeit ist damit noch lange nicht belegt.
Aber – wie Sie schon zutreffend feststellen Herr Kollege Stadler, die Gerichte (insb. Berlin) machen es mit.
mfkg
Comment by AS — 10.11, 2010 @ 15:16
Das mit Bing Maps halte ich für ein Gerücht. Ich habe neulich erst wieder ein paar Ansichten der Flughäfen Narita, Bielefeld und Gütersloh angeschaut und da war Bing ziemlich weit hinten dran. Genauso bei der Autobahnbrücke am Hoover-Damm nahe Las Vegas.
Deshalb würde ich noch lange nicht behaupten, Google wäre aktueller, aber nur weil man selbst grad den Eindruck hat, dass etwas hier und da besser ist, bedeutet das noch keine generelle Aussage.
Aber gerne wieder zurück zum Thema: von mir aus die Summe runtersetzen auf 100 Euro aber dass es generell wertlos ist, halte ich für ein Gerücht. Google bietet das Produkt zwar umsonst an, deshalb ist es aber noch lange nicht kostenlos für die Nutzer. Man bezahlt mit seiner eigenen Aufmerksamkeit, und die ist etwas wert.
Comment by Sebastian — 11.11, 2010 @ 19:33
Ich kann den Ärger über eine derartige Abmahnung und die hohen „Lizenzgebühren“ verstehen. Ebenso verstehe ich, dass die kostenfreien Alternativen kein Argument für die Entscheidung sind.
Aber warum versucht man nicht über einen Strohmann einen normalen Lizenzvertrag abzuschließen?
Comment by Martin H. — 11.11, 2010 @ 20:35
Weil – wenn jemand dort einen Lizenzvertrag abschließen will – das nur ein Lockvogel sein kann! ;-)
Comment by me — 11.11, 2010 @ 20:51
Dasselbe Prinzip kann man auf die (wohl im Suff entstandenen) Preise von Getty und Co. anwenden. Den geforderten Preis in dieser Höhe (meist > 1000 Euro selbst bei Bildausschnitten von 50*100 Pixel) zahlt kein normaler Mensch. Auch gibt es qualititav gleichwertige, wenn nicht gar hochwertigere Bilder für vernünftige Preise von 10, 20 oder 50 Euro bei anderen Bildagenturen.
Comment by Ja-Sager — 11.11, 2010 @ 21:50
Die Preise von Getty und Co. von >1000 Euro sind ja Jahresgebühren für profess. Webseiten, mit denen auch Geld verdient wird.
Ebenso sind Preise von 200-500 Euro für ordentliche Produktfotos von Berufsfotografen keine Seltenheit, eben das Spiel von Angebot und Nachfrage.
Comment by ben — 12.11, 2010 @ 02:16
Als Ersteller von Immobiliengutachten – die tlw. im Internet veröffentlicht werden – kaufe ich bei zwei Geodatendienstleitern Karten/Stadtpläne etc., die für die Veröffentlichung lizensiert sind. Diese kosten dann ca. 2 bis 4 Euro – nur mal so zum Vergleich.
Comment by Lutze — 12.11, 2010 @ 08:39
@Ben: Die Preise von Getty und Co. von >1000 Euro
> sind ja Jahresgebühren für profess. Webseiten,
> mit denen auch Geld verdient wird.
Klar :) Das sind die Gebühren für jeden, egal ob privat, professionell, …
> Ebenso sind Preise von 200-500 Euro für
> ordentliche Produktfotos von Berufsfotografen
> keine Seltenheit
Dein „Vergleich“ ist ja übel, da sind Äpfel und Birnen ja noch besser. Du solltest nicht ein Bild, welches exklusiv für dich erstellt wird (und daher auch nur einmal an dich verkauft wird) nicht mit 1000fach verkauften Bildern vergleichen.
Die von Getty und Co. geforderten Gebühren sind absolute Mondpreise, Punkt. Wenn die 100 oder auch 200 Euro inkl. der „Strafgebühren“ nehmen würden, wäre das sicherlich im Rahmen. 1000 und mehr ganz sicher nicht. Leider muss das natürlich auch erstmal bei den Gerichten ankommen.
Comment by Ja-Sager — 12.11, 2010 @ 13:15
@Ben: Kleiner Nachtrag
Ich meine natürlich die „Gebühren“ für Bilder, an denen Getty angeblich sämtliche Rechte hält aber vom Websitebetreiber nicht lizenziert wurden (darum ging es im Blogeintrag hier)
Dasselbe Bild kann man auch bei Getty für professionelle Website für 14,90 oder einen ähnlichen Betrag lizenzieren. Aber das interessiert die natürlich hinterher nicht mehr. Allerdings würde kein normaldenkender Mensch 600 Euro für die gleiche Lizenz ausgeben, wenn er sie für 14,90 bekommen kann.
Comment by Ja-Sager — 12.11, 2010 @ 13:18
Da wurde letzten Monat in der Zeitschrift GRUR RR 2010, 422 ein interessantes Urteil veröffentlicht. Danach reicht die Preisliste als Nachweis für die am Markt zu erzielenden Preise nicht aus. Für eine Stadtplanansicht forderte die Euro Cities AG 1.620 € und erhielt durch das Gericht lediglich 300 € zugesprochen. Das Urteil ist unter http://www.trenkler.de/lg-berlin-15-s-907.html abrufbar.
Comment by Refake — 3.12, 2010 @ 08:32
Danke für den Hinweis. Es gibt leider aber auch aktuelle Urteile – z.B. des LG München I – in dem das weiterhin anders gesehen wird.
Comment by Stadler — 7.12, 2010 @ 14:06
Ja, die Münchner kannten bis zur Veröffentlichung in GRUR-RR das Urteil aus Berlin noch nicht. Aber die Münchner haben ja schon ein paar deutliche Worte gegen den fliegenden Gerichtsstand und München als Landeplatz in das Stammbuch der Abmahner geschrieben. Auch in München scheint man sich inzwischen genauer anzusehen, welchen zweifelhaften Geschäftemachern man in der Vergangenheit den Hof gemacht hat.
Comment by Refake — 8.12, 2010 @ 00:29
Habe von Euro-Cities in 05/2011 eine Abmahnung über eine Karte (Kartenstand 2001) bekommen. Dazu wurden lächerliche Screenshots als Beweis beigelegt. Falls ich die Karte überhaupt mal verwendet habe, dann wurde sie sicher in 2006 entfernt. Da eine außergerichtliche Einigung vom Kläger nicht angenommen wurde, sehen wir uns jetzt vor Gericht. Mein Anwalt (GGR) hat dazu umfangreich Google-Abfragen, Wayback-Abfragen und Log-Files von meine Server dokumentiert, die zeigen, dass die Behauptung der Euro-Cities nicht zutreffen kann. Wie schon von anderer Seite gesagt wurde, wurden von Euro-Cities die Rechte an uraltem Kartenmaterial, welches an sich inzwischen völlig wertlos ist, erworben, um per Urheberrechtsverletzung-Klage daraus noch Geld zu machen. Dabei scheut man sich offenbar auch nicht, alte Screenshots, die man vielleicht mal vor 2006 gezogen hat, nun mit aktuellem Datum zu versehen und damit abzumahnen. Da hier allerdings Indizien gegen Indizien stehen, ist das Gerichtsurteil leider komplett offen (Wem glaubt man mehr?). Ein Sachverständigen-Gutachten würde allerdings den Streitwert bei weitem übersteigen, so dass ich diese Karte nicht ziehen kann – zumal auch hier (man beachte die Daten 2001 und 2006!) das Ergebnis eher ein „weiß man nicht“ sein dürfte.
Comment by Bergter — 10.10, 2011 @ 14:57
Nachtrag: Jetzt hat auch das Amtsgericht in München im Ergebins bestätigt, was bereits im Berlin in der Berufung ausgeurteilt wurde(Amtsgericht München, Urteil vom 17.10.2011, Geschäftsnummer: Az.: 142 C 32411/10, nicht rechtskräftig). Danach reicht die Preisliste als Nachweis für die am Markt zu erzielenden Preise nicht aus. Für eine Stadtplanansicht forderte die Euro Cities AG 1.620 € und erhielt durch das Gericht lediglich 321 € zugesprochen.
http://www.trenkler.de/news/article/euro-cities-ag-unterliegt-jetzt-auch-in-muenchen-mit-abmahnung.html
http://www.trenkler.de/ag-muenchen-142-c-3241110-euro-cities-ag.html
Comment by refake — 1.12, 2011 @ 13:33