Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.7.10

Die Kampagne gegen rechte Zeitungen

Die Kampagne „Let’s Push Things Forward“ hat sich zum Ziel gesetzt, rechte Zeitungen aus den Regalen von Supermärkten und von den Kiosken zu verbannen. Die Kampagne richtet sich insbesondere gegen die Zeitungen »Junge Freiheit«, »Deutsche Stimme«, »Zuerst!«, »Deutsche Militärzeitung« oder »Preußische Allgemeine Zeitung«. In dem Aufruf heißt es wörtlich:

„Ein Abdrängen dieser Zeitungen aus dem offenen Verkauf zurück ins Abo-Geschäft würde diesem Ansinnen entgegenwirken und somit grundsätzlich zu einer Schwächung der Positionen führen, die in den Zeitungen vertreten werden. Genau das ist unser Ziel und deshalb muss der offene Verkauf beendet werden. Ansatzpunkt dafür sind die Verkaufs- und Vertriebsstrukturen.“

Der Aufruf wird u.a. von ver.di (Berlin), von einigen Ortsgruppen der Jusos und Antifa-Gruppierungen unterstützt.

Wer an Freiheit und Demokratie glaubt, muss mit derartigen Kampagnen seine Probleme haben. Ein Voltaire zugeschriebenes Zitat bringt es auf den Punkt:

„Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“

Die Kampagne, die vorgibt, die Dinge voran zu treiben atmet leider nicht diesen Geist der Aufklärung, sondern den des Totalitarismus.

Wenn bestimmte Publikationen strafbare oder rechtswidrige Inhalte aufweisen, dann ist es Sache der Behörden und Staatsanwaltschaften dagegen vorzugehen. Solange das nicht der Fall ist, stehen auch solche Veröffentlichungen unter dem Schutz von Presse- und Meinungsfreiheit, egal wie widerwärtig sie inhaltlich auch sein mögen.

posted by Stadler at 11:45  

17 Comments

  1. bis zu dem Absatz „Wer an Freiheit und Demokratie glaubt…“ dachte ich mir „Klasse, jetzt ist sogar auch Herr Stadler jemand der die Demokratie mit Füßen tritt im Namen der Demokratie“ – aber dann doch die Wende. Endlich mal ein aufklärender Artikel über solche Aktionen ohne dass irgendjemand dem Autor vorwerfen könnte er sei ein Scherge der rechten Gruppierungen.

    Vielleicht gibt es ja doch mal wenn viele das verstanden haben bei der nächsten Nazidemo eine Gegendemo zur Gegendemo a la „Meinungsfreiheit auch für Idioten“

    Comment by 1984 — 14.07, 2010 @ 12:26

  2. Ich weiß gar nicht, warum Du Dich echauffierst: Totalitarismus kommt doch gerade wieder sehr in Mode.

    Ernsthaft: Ich finde es dumm, die Braunen aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Die Ergebnisse sehe ich jedes Jahr, gerade jetzt im Sommer, in meiner Umgebung. Das erinnert eher an den Vogel Strauß als an kluge Politik.

    Comment by vera — 14.07, 2010 @ 12:41

  3. Doppelmoral (bzw.: fehlendes Grundrechtsempfinden) scheint traurigerweise nach wie vor Alltag (auch) in unserem Land zu sein.
    Erst wenn wir erkennen das Rechte entweder für alle gelten, oder für keinen, haben wir Demokratie verstanden.

    Comment by Hendrik — 14.07, 2010 @ 13:18

  4. Es erinnert doch wieder ganz fatal an die Kinderpornographie-Debatte, die man durch Ausblenden zu lösen gedachte. Der Öffentlichkeit wird Wegsehen verordnet, während das eigentliche Problem nach wie vor existiert.
    Wenn es eine potentielle Mehrheit an Bürgern gäbe, die für derartig abstruse Ideen empfänglich ist, dann ist das kein Problem des Mediums, sondern der mangelnden Bildung und Aufklärung dieser Gesellschaft. Was eine Aufgabe der Politik und eben jener Organisationen ist, die sich nun durch Kampagnen hervortun.
    Wenn das Volk krude Ideen lesen und assimilieren will, bekommt es eben die Dumpfbacken, die es verdient. Das war 1933 schon so und wäre dann heute nicht anders.

    Comment by Groucho — 14.07, 2010 @ 13:27

  5. Meinungsfreiheit ist immer das Recht der Andersdenkenden.

    Comment by Bodo W. — 14.07, 2010 @ 13:44

  6. Da muss ich doch mal des Teufels Anwalt markieren:

    Wer an Freiheit und Demokratie glaubt, darf genau solche Kampagnen nicht verbieten, könnte ich das Argument umdrehen. Nun weiß ich nicht, inwiefern die Kapagne sich staatlicher Instrumente zur Zensur annähert. So lange es aber bei einem „Kampf der Argumente“ unter meinungsfreiheitlicher Ausrichtung bleibt, ist es doch genau im Geiste Voltaires, solche Auseinandersetzungen zu würdigen. Soll doch das aufklärerische Argument rechtes Gedankengut verdrängen.

    Mir leuchtet beim besten Willen nicht ein, warum hier der Schutz einer fragwürdigen Meinung vor der Niederlage in einer Auseinandersetzung von Meinungen mit dem Schutz vor Zensur gleichgesetzt wird. Natürlich wäre es nicht im Sinne der Meinungsfreiheit, wenn die genannten Publikationen nicht mehr gedruckt werden dürften. Wenn aber die Kioskbesitzer (und im besten Fall auch die Öffentlichkeit und einige Leser) überzeugt werden sollen, das sie Schund verkaufen und deswegen frei entscheiden, die Publikation aus dem Programm zu nehmen, scheint mir das geradezu ein Paradebeispiel des Liberalismus (was immer man von ihm halten mag).

    Oder missverstehe ich da die Zielrichtung der Kampagne?

    Comment by erz — 14.07, 2010 @ 14:21

  7. @erz

    Sie missverstehen die Kampagne durchaus. Ziel der Kampagne ist es, die Verbreitung der „unerwünschten“ Schriften zu stoppen. Als Mittel zum Zweck sollen die Teilnehmer der Kampagne Druck auf die Zeitungsverlage und die Kioskbesitzer ausüben. Mit einem „Wettstreit der Meinungen“ im aufklärerischen oder liberalen Sinn hat das nichts mehr zu tun – es geht nicht darum, sich mit einer unerwünschten Meinungsäußerung auseinander zu setzen, sondern darum, diese Meinungsäußerungen gezielt aus dem öffentlichen Bereich zu verdrängen.

    Ganz unabhängig davon auf welche Weise die Einwirkung auf Verlage und Kioskbesitzer vorgehen soll (Beschwerdebrief? Demonstation? Kiosk nachts anzünden?), ist es doch grenzwertig totalitär, hier Zeitungen die weder verboten noch verfassungsfeindlich sind, aus dem öffentlichen Vertrieb mobben zu wollen. Das ist einer freien Gesellschaft unwürdig.

    Comment by Delix — 14.07, 2010 @ 15:21

  8. niemand spricht davon die Kampagne zu verbieten, nachdem sie ja nicht um Zensur geht. Keiner von den Postern hat den „Kampf der Argumente“ verlassen.

    Das Ansinnen der Kampagne ist es den Händlern zu drohen a la „wenn ihr weiter fragwürdige rechte Zeitungen verkauft dann werden wir euch in einer Kartei für potenziell rechtslastige Verkäufer stecken und das ganze veröffentlichen“. Liberalismus pur – hab ich auch nichts dagegen, denn solche Aktionen sind die einzige Waffe die Organisationen wie z.B. Greenpeace haben.

    Jetzt komme aber ich und sage „Eure Aktion ist falsch, die Meinungsfreiheit muss hochgehalten werden – steckt euren Aufwand lieber in Aufklärung anstatt in Repression, das ist weit sinnvoller“ und mache somit deutlich dass ich keinen Zeitungshändler boykottieren werde weil er Zeitungen aus allen Richtungen verkauft, ganz im Gegenteil, ich unterstütze ihn sogar.
    Man muss sich nur mal fragen: Warum gibt es Leute die auf Propaganda reinfallen? Und die Antwort ist nicht „weil sie die Propaganda nicht hätten lesen dürfen“ sondern „weil niemand auf die Propaganda eingeht, und gut dargestellte Informationen die nicht widerlegt werden als Fakt dastehen“.

    Also mein Fazit: Aufklärung statt Repression, Hinsehen statt Verbergen, Bildungsförderung statt Umerziehung.

    Comment by 1984 — 14.07, 2010 @ 15:55

  9. erz trifft einen m.E. wichtigen Punkt: Der Boykottaufruf ist grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt und ich will gar nicht weiter über die einschlägige und vergleichsweise eindeutige Rechtsprechung des BVerfG zu diesem Thema dozieren. Entscheidend ist in jedem Fall die Art und Weise des Vorgehens beim Einwirken auf Verlage und Kioskbesitzer: Beschwerdebriefe und Demonstrationen sind natürlich zulässig (@Delix: warum sollte das Gegenteil der Fall sein), Anzünden des Kiosk natürlich nicht.

    Comment by ElGraf — 14.07, 2010 @ 16:02

  10. @Dirk Nö, den Kioskbesitzern zu sagen, dass sie aus Sicht des Antragsstellers abscheulichen Schund in ihren Regalen stehen hätten und diese zu bitten, darauf zu verzichten ist in höchstem Sinne liberal und sehr gezielt. Meinungen zu gunsten anderer Meinungen aus der Öffentlichkeit zu verdrängen ist schließlich die Grundlogik eines liberalen Wettbewerbs.

    Dazu sind Beschwerdebriefe und Demonstrationen obendrein Ausdruck eines sehr liberalen Demokratieverständnisses – der Gegenseite ist schließlich unbenommen, gleichermaßen für ihre Meinung zu werben. Kioske nachts anzünden hingegen ist tatsächlich nicht mit unserem Gesellschaftsentwurf vereinbar. Aber warum soll sich eine freie Gesellschaft nicht dazu entschließen, die Meinungen zu bewerten, die öffentlich durch Presseerzeugnisse vertreten werden?

    Comment by erz — 14.07, 2010 @ 16:06

  11. Urk, jetzt überschneidet sich alles. 1984s Replik kann ich schon eher gelten lassen, wenngleich ich einen gewissen Mangel an Konsequenz attestieren möchte – aber ich will mich in einer Internetdiskussion nicht zum fanatischen Vertreter des Liberalismus aufschwingen, der sicherlich seine Schwächen hat. Besten Dank ;-)

    Comment by erz — 14.07, 2010 @ 16:12

  12. Boykottieren und Verdrängen hat nichts mit sachlicher, fachlicher oder „liberaler“ Auseinandersetzung zu tun.
    Es lenkt lediglich weitgehend von den Ursachen ab und die sind nunmal inhaltlicher Natur. Anstatt „wir wollen nicht, daß Leute dies lesen“ wäre ein „Hey Leute, habt ihr schon mal so einen Quark gelesen, habe mich köstlich amüsiert“ deutlich besser angebracht.
    Andernfalls kann prinzipiell jeder eine Kampagne aufsetzen mit dem Ziel, irgend etwas aus dem Kioskportfolio entfernen zu wollen, was ihm nicht in den ideologischen Kram passt. Dann wären die Kioske irgendwann recht leer.

    Comment by Groucho — 14.07, 2010 @ 16:32

  13. da kann ich Herrn Stadler nur 100%ig zustimmen !

    Comment by Dr.Schiwago — 14.07, 2010 @ 16:54

  14. Ihr Standpunkt findet meine Zustimmung. Zwar finde ich rechtsextreme Organe zum Knochenkotzen, aber sie in irgend einer Form zu behindern, wäre kontraproduktiv.

    Beispielsweise würde ich ein regelrechtes Verbot der BILD ebenfalls ablehnen.

    Comment by Wolf-Dieter — 14.07, 2010 @ 20:08

  15. Word!

    Comment by tonycrouton — 15.07, 2010 @ 01:35

  16. Dieser Aufruf ist mir zuwider. Ich empfinde ihn der pluralistischen Gesellschaftsordnung nicht angemessen. Die Kampagne möchte daß „reaktionäre Ideologien … nicht mehr als ‚einfache Meinung‘ unter vielen anerkannt und diskutiert werden können“. Das alleine ist in meinen Augen bereits sehr fragwürdig. Es geht letztendlich darum, dass einer Meinung, die von der eigenen abweicht, abgesprochen wird, dass sie vertreten werden darf. Da sind wir nicht mehr einen Schritt von der Stasi entfernt, sondern schon mittendrin. Es wird zwar von „menschenverachtende Festschreibungen von Individuen aufgrund von z.B. Herkunft, Geschlecht und Religion“, dann liest man im Aufruf von „nationalistische, rassistische, sexistische, homophobe, militaristische … Inhalte“. Den Teil mit dem neonazistisch hab ich mal weggelassen, das ist wohl am ehesten strafrechtlich relevant und nicht das, was stört.

    Die Frage ist da doch wie immer: Wo wird die Grenze gezogen? Kommt dann morgen der Playboy dran? Wenn jemand sagt „Frauen sollen an den Herd“, dann ist das sicher nicht besonders klug. Und auch nicht aufgeschlossen und modern. Soll er das nicht sagen dürfen? Weil es sexistisch ist?
    Wenn ich sage „Ich kann mit Chinesen nicht gut arbeiten, weil die immer zu allem ja sagen, egal ob es stimmt oder nicht.“, ist das dann rassistisch? Zu dem Dunstkreis der Gruppen, die da unterschrieben haben, gehören doch auch die Spinner, die gerne mal in Kreuzberg deutsche Flaggen runterreissen und verbrennen wollen. Das halten die dann wahrscheinlich für nationalistisch, wenn jemand solch eine Flagge aufhängt. Ich hab auch schon erlebt, wie solche Leute bei einem public viewing Böller in die friedlichen Zuschauer geworfen haben, weil sie sich an den Fahnen störten.

    Es steht nicht den Gewerkschaften, den Jusos und erst recht nicht der Antifa oder irgendwelchen Kommunistenbünden zu, zu definieren, was in diesem Staat gesagt werden darf und was nicht. Sondern der Legislative und der Judikative.

    Noch dazu sind diese Anhänger einer reaktionären (sozialistisch/kommunistischen) Ideologie wirklich die letzten, die anderen vorschreiben dürfen, dass sie ihre reaktionären Ideologien nicht verbreiten dürfen. Sie dürfen es ja auch.

    Diese Leute hatten schon mal ihren eigenen Staat, und haben es mit ihrer Verfolgung Andersdenkender und ihrer ideologischen Verblendung geschafft, dass viele Leute nur noch raus wollten aus diesem zugrunde gerichteten Staat. Mit seiner Unfreiheit und seiner hoffnungslosen Wirtschaft.

    Mir sind die Rechtsextremen zuwider. Man muss sie Bekämpfen und ihnen Widerstand leisten. Aber alles im legalen Rahmen und auf der Basis des Grundgesetzes.

    Diese Basis verlässt diese Kampagne.

    Comment by _Flin_ — 15.07, 2010 @ 12:20

  17. Der Vollständigkeit halber wollte ich noch erwähnen, dass der oben verlinkte Blog nicht in der Lage war, innerhalb von 4 Stunden meinen kritischen Kommentar unter seinem Beitrag „Meinungsfreiheit“ zu veröffentlichen.

    q.e.d.

    Comment by _Flin_ — 15.07, 2010 @ 15:15

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