Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

29.6.10

Konnte Köhler überhaupt zurücktreten?

Mit dieser Frage befasst sich ein sehr schön geschriebener Text des Juristenkollegen Gerhard Altenhoff, der sich zunächst an dem schillernden Begriff des Rücktritts abarbeitet.

Die Frage, ob Köhler in staatsrechtlicher Hinsicht überhaupt zurücktreten konnte, ist mit Sicherheit diskutabel, denn einen „Rücktritt“ vom Amt des Bundespräsidenten sieht das Grundgesetz schlicht nicht vor.

Die pragmatische Lösung des Bundestagspräsidenten einfach die Bundesversammlung einzuberufen, schafft zwar Fakten, muss deshalb aber nicht zwingend verfassungskonform sein.

Vielleicht quält man deshalb in Zukunft ja auch Jurastudenten in staatsrechtlichen Klausuren mit der Frage, ob der Rücktritt des Bundespräsidenten K. verfassungsrechtlich wirksam war.

posted by Stadler at 12:00  

13 Comments

  1. sorry, aber warum soll ich nicht von einem Amt, in das ich gewählt worden bin, zurücktreten können? Will man den BP bei schwerer Krankheit im Amt halten. Und zudem: Was ist mit Art. 54 Abs. 4 GG. 4): „…Die Bundesversammlung tritt spätestens dreißig Tage vor Ablauf der Amtszeit des Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendigung spätestens dreißig Tage nach diesem Zeitpunkt zusammen…“ Also gibt es eine vorzeitige Beendigung. Damit kann ja nicht nur der Tod gemeint sein.
    Aber vielleicht sehe ich es als Strafrechtler auch zu einfach :-).

    Comment by Detlef Burhoff — 29.06, 2010 @ 12:38

  2. Der Text ist nicht gut geschrieben, vielmehr halte ich ihn nach Form und Inhalt für miserabel. Der Beginn ist langatmig und hochgradig redundant, im eigentlichen Kern ist er oberflächlich und unhaltbar. Mit dem Schluss stellt sich Altenhoff ohne Not in die Reihe der KRR-Spinner.

    Mein Hauptkritikpunkt lautet, dass Altenhoff nicht argumentiert, nicht diskutiert, nicht abwägt. Er behauptet einfach. Dazu zieht er nichts heran als den blanken Wortlaut, als ob er noch nie von Auslegungsmethodik gehört hätte. Er stellt keine Bezüge her, greift nicht zur Literatur, sondern trägt lediglich im Brustton der Überzeugung die Enge seiner Gedanken zur Schau.

    Dabei vergibt er die Chance eine tatsächliche Diskussion über die spezielle Rolle des Bundespräsidenten im Verfassungsgefüge zu führen und zu erwägen, ob und wie ein Rücktritt in dieses Gefüge passt. Diese Diskussion wäre für Staatsrechtler durchaus spannend. Altenhoff versucht sie gar nicht erst.

    Comment by Marc B. — 29.06, 2010 @ 12:57

  3. Die vorzeitige Beendigung kann u.a. durch Tod erfolgen. Möglicherweise ist auch eine dauerhafte Verhinderung (Krankheit) ein Grund. Dass einer aber ein Jahr nach der Wahl sagt, er hätte jetzt keine Lust mehr, ist ein Umstand, den das GG jedenfalls nicht vorsieht. Und was aus diesem Schweigen der Verfassung für Schlussfolgerungen zu ziehen sind, bedarf evtl. der Diskussion.

    Comment by Stadler — 29.06, 2010 @ 13:02

  4. R. Herzog hält den Rücktritt jedenfalls für unproblematisch.

    Siehe dazu Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Januar 2009, Art. 54 Rn. 59

    e) Schließlich hat der Bundespräsident auch das selbstverständliche Recht, sein Amt niederzulegen bzw. von ihm zurückzutreten. Das ist im Text des Art. 54 zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen, versteht sich aber von selbst und ist in § 51 BVerfGG übrigens auch vom Gesetzgeber vorausgesetzt. Ungeklärt ist, ob es ausreicht, dass der Bundespräsident seinen Rücktritt gegenüber der Öffentlichkeit erklärt oder ob eine Erklärung gegenüber einem anderen, dafür zuständigen obersten Bundesorgan notwendig ist. Nach Lage der Dinge könnte das nur der Bundestagspräsident als der geborene Präsident der Bundesversammlung sein, dem gegenüber ein zum Rücktritt entschlossener Bundespräsident eine solche Erklärung schon aus Gründen der Courtoisie und auch der Zweckmäßigkeit abgeben wird….

    Gruß

    HG

    Comment by HG — 29.06, 2010 @ 13:40

  5. Wenn man sonst nichts zu tun hat, beschäftigt man sich halt mit der Frage, ob die Zwangsarbeit in Deutschland nun abgeschafft ist oder nicht.

    Comment by Matthias — 29.06, 2010 @ 14:29

  6. Es stellen sich hier zwei Fragen. Zu Frage 1 – ist der Text, den der Autor mittels Link vorstellt, gut oder nicht. Aus Sicht des Naturwissenschaftlers, der ich bin, kann ich nur sagen: Er ist es nicht, aus den vorbenannten Gründen. So geht man wissenschaftlich nicht vor (nicht reliabel, valide, nachprüfbar).
    Zu Frage 2 – Darf der BuPrä zurücktreten? Hier gilt -für mich- das von Matthias Gesagte. Allein schon die Tatsache, dass jemand auf die Idee kommt, diese Frage überhaupt zu stellen, ist typisch deutsch. Die Antwort ist übrigens vernachlässigbar – es mag zulässig sein oder nicht, was soll’s. Aber wirklich, wir beschweren uns darüber, dass drei Viertel der Weltsteuerliteratur angeblich deutsch seien, zermartern uns aber das Hirn über so einen… ups… ich meine, über so etwas.
    Und doch hat diese „Diskussion“ etwas Gutes: Sie kann uns als Ermahnung dienen, auch überschüssige Energie stets konzentriert zum Guten und Nützlichen einzusetzen, und nicht sinnlos „abzufackeln“.

    Comment by Germike — 29.06, 2010 @ 15:33

  7. Liebe Freunde des guten Geschmacks,
    ob man den Text des Herrn Altenhoff für gut hält oder nicht, ist wie immer Ansichtssache. Die naturwissenschaftliche Herangehensweise bei der Beurteilung dieses Texts ist gleichwohl verfehlt, denn die Rechtswissenschaften zählen bekanntlich nicht zu den Naturwissenschaften – was manche offenbar bedauern – und der Text verfolgt nach meinem Verständnis auch gar keine wissenschaftliche Intension.

    Dass dieses Thema in den Kommentaren so bierernst diskutiert wird, ist wiederum etwas, das ich für typisch deutsch halte.

    Comment by Stadler — 29.06, 2010 @ 16:22

  8. Ich find’s typisch deutsch anderen ein typisch deutsches Verhalten vorzuwerfen.

    Comment by SD — 29.06, 2010 @ 19:19

  9. Ich sehe bei Altenhoff durchaus keine bierernste Diskussion; er selbst und auch die anderen scheinen sich doch klar darüber zu sein, dass sein Text tongue-in-cheek ist.

    Außerdem kann es ganz offensichtlich in diesem Land nicht schaden, mal ein wenig grundsätzlicher über das Grundgesetz zu debattieren.

    Comment by Dierk — 29.06, 2010 @ 20:01

  10. @Dierk: Danke, dem schließe ich mich voll umfänglich an.

    @SD: Ich erkenne den Vorwurf in dem „Bierernst-Kommentar“ nicht. Vielleicht ist es typisch deutsch, den Ausdruck „typisch deutsch“ automatisch als Vorwurf auszulegen :-) (sorry, konnte nicht widerstehen!)

    Comment by SvB — 29.06, 2010 @ 20:25

  11. Dass die Angaben im Text so stimmen, nehme ich als vertrauensvoller Mensch an. (Mein Vertrauen beruht auf fachkundiger Überprüfbarkeit sowie der Annahme, dass der Autor vor Peinlichkeit zurückschrecken dürfte.)

    Ich finde den Text erfrischend. Denn dieser Bursche, dieser Herr Köhler, der ist mir suspekt: trägt Monat für Monat ein fürstliches Gehalt nach Hause — und vepisst sich.

    Comment by Wolf-Dieter — 29.06, 2010 @ 21:58

  12. Selbstverständlich kann der Bundespräsident, so wie jeder andere Amtsträger von seinem Amt zurücktreten. Da wird wieder eine Phantomdiskussion eingeleitet. Warte auf den Tag, in dem sich wieder jemand beschwert, dass im Grundgesetz der Tag nicht definiert wurde… ;)

    Comment by Herr Unsinn — 1.07, 2010 @ 15:10

  13. sehr erwachsen herr unsinn…
    mal daran gedacht, daß so eine diskussion durchaus wichtig ist, u.a. um zu ermitteln was für ruhebezüge er weiterhin beziehen kann? (s. § 1 BPräsRuhebezG)

    Comment by Durchblick — 3.07, 2010 @ 17:18

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