Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.4.10

Rat der EU will Notice And Take Down Verfahren einführen

Eine neue Entwurfsempfehlung des Rates plädiert für die Einführung eines Notice And Take Down Verfahrens zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Netz, aber auch zur Bekämpfung von rassistischen und ausländerfeindlichen Inhalten und solchen mit terroristischem Hintergrund. Andererseits stellt die Empfehlung klar, dass eine Erstreckung auf sonstigen unrechtmäßigen oder unerwünschten Content nicht beabsichtigt ist. Klargestellt wird zudem, dass die Empfehlung nicht auf die Filterung oder Bloackade von Netzinhalten abzielt. Äußerst problematisch ist allerdings das Vorhaben der EU, alle Personen unter 18 Jahren als Kinder zu definieren und damit den Anwendungsbereich der Strafvorschriften auch auf sog. Jugendpornografie zu erweitern. Dieser Gleichsetzung tatsächlich nicht vergleichbarer Phänomene muss entgegen getreten werden.

Kernstück der Empfehlung ist die Einführung eines Notice And Take Down Verfahrens. (Host-)Provider sollen auf Anweisung der zuständigen (nationalen) Behörden illegalen Content entfernen oder den Zugang zu solchen Inhalten beseitigen.

Der Entwurf weist aber ausdrücklich darauf hin, dass die Verantwortlichkeitsregeln der E-Commerce-Richtlinie nicht angetastet werden und die Provider auch weiterhin nicht verpflichtet werden sollen, aktiv nach illegalen Inhalten zu forschen.

Den gegen das Vorhaben erhobenen Einwand, dass ein derartiges Verfahren fundamental gegen das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung im Internet verstoßen würde, kann ich nicht ohne weiteres nachvollziehen. Eine solche Regelung bedarf einer sauberen Umsetzung in nationales Recht, in der die Befugnisse der Polizei- und Sicherheitsbehörden ausreichend konkret umrissen sind. Der Ansatz ist aber keinesfalls von Vornherein mit Grundrechten unvereinbar. Die Möglichkeit der kurzfristigen Unterbindung der Verbreitung von illegalen Inhalten durch sofort vollziehbare Verwaltungsakte – ohne vorhergehende richterliche Anordnung und Anhörung des Betroffenen – ist nicht grundsätzlich neu. In gewissem Umfang besteht auch eine tatsächliche Notwendigkeit für derartige Anordnungen. Die behördliche Maßnahme muss aber in jedem Fall einer vollständigen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegen.

Wer Löschen statt Sperren fordert, kann derartige Konzepte nicht per se ablehnen. Es kommt vielmehr auf die konkrete gesetzliche Ausgestaltung an.

posted by Stadler at 09:57  

4 Comments

  1. „Die Möglichkeit der kurzfristigen Unterbindung der Verbreitung von illegalen Inhalten durch sofort vollziehbare Verwaltungsakte – ohne vorhergehende richterliche Anordnung und Anhörung des Betroffenen – ist nicht grundsätzlich neu.“

    Neu ist, dass hier auf europäischer Ebene geregelt wird, was als illegale Inhalte gilt. Dass ausländerfeindliche oder rassistische Meinungen in Deutschland zum Teil strafrechtlich verfolgt werden, ist sicher nicht neu. Dass das jetzt auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten passieren soll, ist es zum Teil schon, wenn es dort solche Regelungen (eben wegen der dort höher gewerteten Meinungsfreiheit) bisher nicht gab. Ist es wirklich richtig, dass damit deutsche Grundrechtsvorstellungen EU-weit durchgesetzt werden sollen?

    Comment by sm — 10.04, 2010 @ 11:10

  2. „Andererseits stellt die Empfehlung klar, dass eine Erstreckung auf sonstigen unrechtmäßigen oder unerwünschten Content nicht beabsichtigt ist. “

    „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten.“

    Ist das erst Mal auf EU Ebene so verankert, dauert es nicht lange bis die Lobbyverbände mit ihren schwarzen Köfferchen das ausweiten wollen auf andere Sachen. Wir haben es ja bei der KiPO Debatte gesehen. Die war noch nicht mal vorbei und schon kam das Sperren von Seiten mit (angeblichen) urheberrechtsverletzendem Material zur Sprache…

    Comment by SJ — 10.04, 2010 @ 11:35

  3. “Andererseits stellt die Empfehlung klar, dass eine Erstreckung auf sonstigen unrechtmäßigen oder unerwünschten Content nicht beabsichtigt ist. ”

    Wäre ja auch noch schöne, wenn man lediglich „unerwünschten“ Content unterdrücken könnte.

    Von wem stammt denn diese Formulierung? Es läßt IMO ziemlich tief blicken, daß jemand der Ansicht war, das klarstellen zu müssen.

    Comment by Jens — 10.04, 2010 @ 14:30

  4. Der Text spricht von undesirable content, was von mir mit unerwünscht übersetzt worden ist.

    Comment by admin — 10.04, 2010 @ 15:42

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