Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.3.10

Münchener Staatsanwaltschaft drückt beide Augen fest zu

Zumindest die gefühlte Hälfte der juristischen Blogs hat in den letzten 24 Stunden darüber berichtet, dass die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I die Ermittlungsverfahren gegen die umstrittene Abofallen-Anwältin Katja Günther eingestellt hat. Kein Betrug, keine Nötigung und auch keine Erpressung lautet die Schlussfolgerung der Ermittler.

Das halte ich mit Verlaub für diskussionswürdig. Es mag durchaus sein, dass sich Rechtsanwältin Günther zu Beginn ihrer segensreichen Tätigkeit nicht wirklich bewusst war, dass sie sich mit ihrem Verhalten im strafrechtlich relevanten Bereich bewegen könnte. Wer sich allerdings mit dem Geschäftsmodell ihrer Mandanten wie Content Service Ltd. näher beschäftigt hat, wird um die Frage nicht herumkommen, ob man davon auch nach längerer Zeit, und vor allen Dingen nach all der Berichterstattung, nach den Strafanzeigen und Zivilverfahren, weiterhin ausgehen kann. Die Geltendmachung von Forderungen, von denen man, gerade als Jurist, wegen Kenntnis vom zugrundeliegenden Geschäftsmodell wissen muss, dass sie nicht bestehen, ist Betrug.

In vielen anderen Fällen, in denen die Rechtslage oftmals wesentlich unsicherer ist, sind die Staatsanwaltschaften häufig weniger zimperlich eine Anklage zu erheben.

Und die Aussage der Staatsanwaltschaft, dass es jedem Bürger zuzumuten sei, derartigem Druck standzuhalten, grenzt an Zynismus. Vermutlich werden die Verfahren nun erst einmal beim Generalstaatsanwalt landen, weshalb es für die Kollegin Günther verfrüht wäre, schon aufzuatmen.

Dass die Würdigung der Zivilgerichte durchaus anders ausfallen kann – was für sich noch kein Argument gegen eine Strafbarkeit darstellt – zeigt ein neues Urteil des Landgerichts Mannheim.

posted by Stadler at 08:11  

6 Comments

  1. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu.

    „Folglich darf diese Verfügung keinesfalls dahingehend missverstanden werden, die Staatsanwaltschaft sei der Auffassung, es bestehe eine Zahlungsverpflichtung.[…]"

    Wenn keine Zahlungsverpflichtung besteht, ein Anwalt jedoch trotzdem abmahnt, dann liegt m.E. ein Betrug nahe. Es ist nicht
    "den Bürger[n] zuzumuten, einem solchen „Druck“ standzuhalten“, sondern vielmehr RAin Günther zuzumuten, die Forderung vorher zu überprüfen. Sie ist doch diejenige mit Rechtskenntnissen. Die Masse der Abmahnungen ist kein Argument, eine solche Prüfungspflicht abzulehnen. Denn oft werden massenhaft Abmahnungen für einen Mandanten verschickt. Es ist aber zumutbar, das Webangebot dieses Mandanten vorher zu überprüfen. Die Abmahnungen sind dann ohnehin immer gleich, sodass eine einmaligen Prüfung genügen würde.

    Außerdem sind die Zusammenhänge zwischen Content Service Ltd. und Frau Günther bislang ungeklärt. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, in diese Richtung zu ermitteln. Allerdings kenne ich die Einstellungsverfügung nicht und will RAin Günther insofern nichts unterstellen. Über die Bewertung des Sachverhalts durch die StA wundere ich mich trotzdem…

    Comment by Duke — 11.03, 2010 @ 10:14

  2. Wie aus der Einstellung zu lesen ist, hat die liebe RAin ja saftige Gebühren für ihr "einschreiten" verrechnet. Gerade deshalb hätte sie überprüfen müssen, ob die Forderungen berechtigt sind.
    Spätestens, wenn jedoch Einsprüche gegen die Forderung geltend gemacht werden hätte sie das ganze nochmals prüfen müssen.
    Anstelle dessen hat sie ja einfach weitere (Massen)Mahnungen mit diversen Drohungen verschickt, anstatt zu klagen (warum wohl).
    Wenn das keine Nötigung ist, was dann?

    Comment by Anonymous — 11.03, 2010 @ 10:38

  3. In NRW werden Abzockseiten selbst ja schon nicht einmal mehr verfolgt. Begründung: Das sei ja nur so ein bißchen Beschiß, die Bürger sollten halt besser aufpassen.

    Quelle: http://www.polizei-nrw.de/presseportal/behoerden/alle-behoerden/article/meldung-080408-154731-51-172.html

    So funktioniert Wirtschaftsförderung für organisierte Kriminalität!

    Ach ja, bezogen hatte sich das übrigens auf die Firma IP69, die mittlerweile im bayerischen Kronach sitzt. Dort soll dem Vernehmen nach diese Wirtschaftsförderung noch besser funktionieren, weil das zuständige Amtsgericht den Geschädigten wohl eher selten Recht gibt. Dumm gelaufen, NRW.

    Gruß, Frosch

    Comment by Sabine Engelhardt — 11.03, 2010 @ 11:49

  4. … und ergänzend sei auf das brandaktuelle Urteil des AG MArburg gegen den ebenfalls hinlänglich und einschlägig bekannten RA Olaf Tank verwiesen, das die NJW in nur unzureichend anonymisierter Form ;-) zum Download bereit hält:

    http://rsw.beck.de/rsw/upload/NJW/KW_10-2010.pdf

    Comment by Anonymous — 11.03, 2010 @ 12:14

  5. Ich habe mir gerade die Urteilsbegründung des AG Marburg durchgelesen. Sie haben den Sachverhalt richtig erfasst. Leider brauchen andere Gerichte da noch eine Rechtsnachhilfe. Ganz allgemein gilt im Justizwesen immer. Was nach dem gesunden Menschenverstand nicht sein darf, kann auch so nicht erlaubt sein (außer es liegt eine Gesetzeslücke vor, hier nicht der Fall).

    In Deutschland wurden schon DDR-Grenzsoldaten angeklagt und verurteilt, obwohl sie sich nach DDR-Recht nicht strafbar gemacht haben.

    Comment by Anonymous — 11.03, 2010 @ 13:33

  6. Kann evtl. ein Anwalt einem Ingenieur einmal erklären, warum §12a BRAO weder für die Frau "Rechts"anwältin noch für den Herrn Staatsanwalt gilt?

    "(1) Der Bewerber hat folgenden Eid vor der Rechtsanwaltskammer zu leisten:
    "Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und die Pflichten eines Rechtsanwalts gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe."
    (2) Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden"

    Wenn ich zum Beispiel 'ne Maschine nicht fachgerecht ("gewissenhaft"), d.h. nicht gemäß den Normen, Richtlinien und Gesetzen ("Pflichten eines Ingenieurs") herstelle bzw. in Verkehr bringe und es passiert etwas, dann kann ich mit Sicherheit nicht sagen, daß der Betreiber selbst Schuld ist…

    Was kann man denn dagegen unternehmen? Wie kann man den Staatsanwalt an seine Pflichten erinnern? Das Gleiche gilt übrigens für den Staatsanwalt im Fall "Digiprotect/Kornmeier".

    Aber wenn's zum Beispiel wegen 'nem Piss um 'ne Hausdurchsuchung geht, dann wird nicht 'mal in beide Richtungen ermittelt, denn das ist ja mit Areit verbunden – da wird dann direkt dem Richter 'n Hausdurchsuchungsbefehl vor die Nase gehalten. Zumeist natürlich OHNE hinreichenden Tatverdacht. Wie sieht das auch im Tätigkeitsnachweis aus, wenn man alles einstellt – dann doch lieber zwischendurch die Grundrechte von willkürlich herausgepickten Bürgern mit Füßen treten…

    Wann wird endlich für diejenigen Anwälte (d.h. natürlich inkl. Staatsanwalt und Richter) eine technische Qualifizierung Pflicht, die sich mit Themen die das Internet betreffen, auseinandersetzen? Diese – auf offensichtlich purer Ahnungslosigkeit basierenden "Entscheidungen" sind einfach nicht mehr hinnehmbar!

    Gruß, Baxter

    Comment by Baxter — 11.03, 2010 @ 18:24

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