Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

1.1.10

Neo-Individualliberalismus

Das neue Jahr ist erst wenige Stunden alt, ich sitze an einem Ort, an dem man eben gelegentlich sitzt und stelle bei der Lektüre einer Zeitschrift, die ich früher für relevant gehalten habe (Spex), fest, dass ich im alten Jahr wieder Mal einen gesellschaftspolitischen Trend völlig verpasst habe. Den Neo-Individualliberalismus (N.I.L.). Kennt sonst auch niemand? Dann wird es vermutlich höchste Zeit. Der Begriff wurde laut Spex-Autor Wolfgang Müller vom Berliner Kulturarchäologen Matthias Mergl entwickelt und zum ersten Mal in der jungen Welt vom 12.09.2009 verwendet. Aha. Müller definiert N.I.L. dankenswerter Weise auch gleich:

Dem Neo-Individualliberalismus liegt die Ansicht zu Grunde, dass es unsere westliche Gesellschaft erfolgreich geschafft hat, die ursprünglich linksalternative Emanzipationsutopie der freien, individuellen Selbstentfaltung zu verwirklichen: Eine Frau aus Ostdeutschland ist Kanzlerin, ein Homosexueller aus der CDU ist Bürgermeister in Hamburg, ein anderer aus der SPD ist es in Berlin, ein dritter aus der FDP ist Außenminister und ein nicht-weißer Deutscher Gesundheitsminister. Eine lesbische Premierministerin rettet 2009 Island vor dem Staatsbankrott, und in den USA wird ein Schwarzer Präsident. Allen Minderheiten und Benachteiligten stehen dieser Tage scheinbar die Türen weit offen. Was zu der Annahme verleitet: Es gibt keine Randgruppen mehr! Auf Basis dieser Annahme werden Schlüsse gezogen, die ein groteskes gesellschaftliches Bild zeichnen.

Das wird das Herz all derer erwärmen, die sich bereits am inflationären Gebrauch des Begriffs Neoliberalismus erfreut haben. Aber verbirgt sich hinter dem neuen Sprachmonster tatsächlich eine bestimmte neue Entwicklung, eine Tendenz oder ist sich der Begriff als solcher schon genug? Angesichts der Platittüden, die Müller in seinem Artikel zum Besten gibt, erscheint mir Letzteres naheliegend. Und dabei hätte ich so gerne gleich am Neujahrstag den Trend für 2010 ausgerufen.

posted by Stadler at 14:15  

Keine Kommentare

  1. Also das Wort Plattitüden finde ich jetzt echt ein bißchen unangebracht, um nicht zu sagen platt ;-)

    Comment by Wolfgang Müller — 3.01, 2010 @ 16:00

  2. Was ist N.I.L.?

    Ein Artikel im GenderWiki:

    http://www.genderwiki.de/index.php/Neo_-_Individualliberalismus

    Comment by Matthias Mergl — 15.01, 2010 @ 12:28

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