Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.1.10

ELENA: Datenschutzbeauftragter sieht derzeit keine ausreichende Rechtsgrundlage für Datenübermittlung

Das ELENA-Verfahrensgesetz – ELENA steht für elektronischen Entgeltnachweis – vom 28.03.2009 sieht vor, dass Arbeitgeber ab Januar 2010 moantlich bestimmte Daten zu ihren Angestellten an die sog. zentrale Speicherstelle übermitteln müssen. Die gesetzliche Regelung hierzu ist in §§ 95 ff. SGB IV enthalten. Welche Daten übermittelt werden müssen, ist im Gesetz in § 97 Abs. 1 SGB IV geregelt. Die Vorschrift verweist zusätzlich auf § 95 SGB IV, weshalb auch die dort genannten Nachweise und Belege zu übermitteln sind. § 97 Abs. 6 SGB IV enthält außerdem noch eine Verordnungsermächtigung. Danach soll das Arbeitsminsisterium das Nähere zu Inhalt und Form der vom Arbeitgeber nach Absatz 1 zu übermittelnden Meldung durch eine Rechtsverordnung bestimmen.

Ob diese gesetzliche Regelung dem Wesentlichkeitsgebot entspricht oder vielmehr der Gesetzgeber selbst die Daten exakt hätte definieren müssen, ist nur eine der offenen verfassungsrechtlichen Fragen.

ELENA stellt im Grunde eine Vorratsdatenspeicherung von riesigem Ausmaß dar, die die derzeit beim Bundesverfassungsgericht verhandelte Vorratsdatenspeicherung bei weitem in den Schatten stellt. Die vom Arbeitnehmer monatlich zu übermittelnden Daten von ca. 40 Millionen Bürgern werden nämlich dauerhaft zentral gespeichert, damit sie im Bedarfsfalle abrufbar sind.

Die verfassungsgerichtliche Überprüfung des Datenmonsters ELENA wird wohl unausweichlich sein. Hierbei wird vermutlich nicht nur der Umstand der Speicherung personenbezogener Daten auf Vorrat thematisiert werden, sondern auch die Tatsache, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht konkret weiß, welche Daten der Arbeitgeber übermittelt, bzw. was sich aus den übermittelten Dokumenten ergibt. Gerade dies steht in einem erheblichen Spannungsverhältnis zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein ist übrigens der Ansicht, dass vor dem Erlass der sog. ELENA-Datensatzverordnung keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür besteht, von den Arbeitgebern eine Datenübermittlung zu verlangen. Es wird interessant werden zu sehen, ob gegen Arbeitgeber, die sich einer Datenübermittlung verweigern, mit Bußgeldbescheiden vorgegangen wird.

Das ELENA-Verfahren ist übrigens ein Projekt der rot-grünen Bundesregierung. Das Gesetz wurde schließlich im Frühjahr letzten Jahres mit den Stimmen der großen Koalition beschlossen, Grüne und FDP haben sich enthalten. Auch daran sieht man einmal mehr, dass keine Partei ein Garant für die Wahrung der Grundrechte ist. Der systematische Grundrechtsabbau ist bei praktisch allen Parteien Programm und gerade auch Grüne und FDP bilden da keine Ausnahme.

posted by Stadler at 19:13  

Keine Kommentare

  1. Offensichtlich mal wieder der Fall, dass Bürokraten ein "Wollen wir haben" Gesetz entwickelten, dass nach ihrer Einschätzung ein Optimum bedeutet, und wohl nur die Fraktionen darüber abstimmten. Und die einzelnen Beteiligten kannten selbstverständlich die Einzelheiten nicht. Zudem wird auch noch freie Hand für die Ausführungsbestimmungen gelassen.
    Wann werden wir es erleben, dass Verantwortliche wegen Murx ihren Hut nehmen müssen.

    Comment by GustavMahler — 27.01, 2010 @ 20:03

  2. So pauschal kann das nicht stehen bleiben. Strenggenommen speichert jede Verwaltung (auch) Daten auf Vorrat. Elena sieht zunächst einmal nur eine neue Art der Übermittlung vor. Die Frage ist daher nicht: "Entweder ist Du gegen Elena oder gegen Bürgerrechte", sondern: "Wie kann Elena so gestaltet werden, dass Datenschutz und Datensicherheit beachtet werden?" Offenbar gab es bei der Ressortabstimmung zwischen dem Wechsel der Regierungen einige Verschlechterungen was die Zahl der Daten angeht – das muss nun verbessert werden.

    Comment by Anonymous — 27.01, 2010 @ 20:21

  3. @Anonym: Dem stimme ich nicht. Die zentrale und langfristige Speicherung der Daten stellt bereits das Problem dar. Das Konzept ist rechtsstaatlich betrachtet schon im Ansatz verfehlt

    Comment by Pavement — 27.01, 2010 @ 22:28

  4. Interessanter Blog besonders auch für Nichtjuristen. Freue mich über weitere Beiträge!

    Comment by Anonymous — 27.01, 2010 @ 22:37

  5. Eine sinnvolle Lösung wäre eine standardisierte dezentrale Lösung gewesen. Das kann ein Papier mit einem vom Arbeitgeber signierten Barcode (zusätzlich zum Klartext) sein, das dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ausgehändigt wird, oder wenn es denn sein muss, eine Jobcard mit Chip, wo die Daten abgespeichert werden. Aufgrund der ständig fortschreitenden (und inkompatibel werdenden) Technologie scheint mir aber Papier, zumindest als Backup, noch die beste Lösung.

    Comment by Anonymous — 28.01, 2010 @ 09:14

  6. Um sich selbst einmal einen – optischen – Eindruck zu verschaffen, was für teils abstruse Informationen gesammelt werden, ist es sehr, sehr interessant, sich auf der ELENA-homepage umzusehen. Was die Arbeitsgruppe ELENA da zusammengetragen hat, sieht sich wirklich monströs an – kein einziges der Datenhäppchen wurde gesetzlich festgelegt: http://www.das-elena-verfahren.de/verantwortung/gremien/ak-elena/gemeinsame-grundsaetze

    Comment by Wolf J. Reuter — 28.01, 2010 @ 10:41

  7. @an Thomas

    Du hast eine Partei bei der Aufzählung der Bürgerrechtsparteien vergessen. Dass Grüne und FDP keine Bürgerrechtsparteien sind ist allgemein bekannt…

    Comment by Anonymous — 28.01, 2010 @ 13:54

  8. Hallo !

    heißt der Datenschutzbeaftragte nicht Datenschutzbeauftragte ? :-)

    Gruß

    sigi

    Comment by sigi — 29.01, 2010 @ 07:44

  9. @pavement "zentrale und langfristige Speicherung"

    die "langfristige speicherung" ist tatsächlich ein problem. ein entsprechender antrag auf "fristgerechte löschung" von den grünen im federführenden ausschuss wurde bei enthaltung der fdp abgelehnt.

    Quelle: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/116/1611666.pdf

    die zentrale speicherung hat nachteile, ist aber alternativlos, wenn man nicht will, dass die arbeitgeber weiterhin für diese sensible aufgabe in anspruch genommen werden (der erfährt bislang, welche leistungen sein arbeitnehmer gerade beantragt).

    @Anonym "standardisierte dezentrale Lösung"

    "ein Papier mit einem vom Arbeitgeber signierten Barcode"

    was ist daran besser ggü. dem status quo?

    "eine Jobcard mit Chip, wo die Daten abgespeichert werden"

    das ist datenschutzrechtlich ein minus ggü. den doppelten schlüssel. geht die karte verloren, können die daten missbraucht werden…

    Comment by Anonymous — 29.01, 2010 @ 16:45

  10. Der Vorteil gegenüber dem Status Quo vor dem 01.01.2010 wäre, dass das Papier immer ausgehändigt wird, auch wenn keine Sozialleistungen beantragt werden, z.B. als Teil der normalen Gehaltbescheinigung. Der Barcode dient dann dazu, dass auf dem Amt die (aufwendigere) Erfassung automatisierbar ist, sollte der Arbeitnehmer jemals Sozialleistungen beantragen.

    Die Chipkarte wäre natürlich kryptographisch gesichert, und bei Verlust für einen Dritten wertlos. Freilich hat der Arbeitnehmer bei Verlust die Pflicht, die Daten bei den einzelnen Arbeitgebern erneut zusammenzutragen.

    Comment by Anonymous — 30.01, 2010 @ 10:52

  11. Die Datenspeicherung ist eine Sache – für ein solches Verfahren jedoch einen durchaus gebräuchlichen weiblichen Vornamen zu verwenden, ist nicht in Ordnung. Zumal bei vielen durch das Verfahren nun negative Assoziationen mit dem Namen Elena hervorgerufen werden

    Comment by Anonymous — 5.02, 2010 @ 20:48

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