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Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.11.09

Hassemer kritisiert den Gesetzgeber wegen § 130 Abs. 4 StGB

Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts hat gegenüber dem Deutschlandfunk den Gesetzgeber wegen § 130 Abs. 4 StGB kritisiert, ohne diese Kritik explizit auf seine Nachfolger zu erstrecken, die die Vorschrift unlängst, mit fragwürdiger Begründung als verfassungskonform angesehen haben. Wenn Hassemer allerdings ausführt,

„Aber was ist bitte schön Störung des öffentlichen Friedens? Die Strafrechtler diskutieren seit langer Zeit darum und die allermeisten sind der Meinung, das entspricht dem Bestimmtheitsgebot der Verfassung nicht“

wird doch ziemlich deutlich, dass er Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der Norm hat. Ein weiterer früherer Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem, in dem manche gar den lange Zeit wichtigsten Gegenspieler Schäubles gesehen haben, hatte sich bereits im letzten Jahr kritisch zur Strafnorm des § 130 Abs. 3 StGB geäußert. Möglicherweise wäre die Entscheidung mit ihm als Berichterstatter also anders ausgefallen.

Die neue Entscheidung des Verfassungsgerichts ist in den großen Medien kaum auf Kritik gestoßen, was vereinzelt zum Teil auf heftig Kritik gestoßen ist. Vermutlich wird die Entscheidung auch in der rechtswissenschaftlichen Diskussion ein eher geteiltes Echo finden. Möglicherweise ist sie zwar epochal, wie Steinbeiß meint, aber sie ist epochal falsch, denn sie bricht mit den Vorgaben des Art. 5 Abs. 2 GG und schafft ein Sonderrecht, das die Verfassung nicht vorsieht. Und gerade im Kontext der Volksverhetzung ist die Schaffung von Sonderrecht möglicherweise das falscheste aller Signale, das das höchste deutsche Gericht aussenden konnte.

posted by Stadler at 21:30  

Keine Kommentare

  1. Es ist die Frage, wie sehr die wehrhafte Demokratie ohne Strafnormen mit einer Verherrlichung des Nationalsozialismus leben kann. Hierbei dürfen auch die Ängste der potentiellen Opfer und Nachkommen der Opfer vergessen werden, die durch eine Verherrlichung des NS-Regimes verursacht werden.

    Comment by TS — 22.11, 2009 @ 13:29

  2. Das ist genau die Frage. Wehrhafte Demokratie meint ja eigentlich streitbarer Demokratie. Soll diese Demokratie also versuchen eine Gesinnung mithilfe des Strafrechts zu verbieten oder ist es nicht sinnvoller sich offensiv mit ihr auseinanderzusetzen?

    Comment by Pavement — 22.11, 2009 @ 14:54

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