Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

2.8.09

Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern

Als CDU-Politikerin greift Ursula von der Leyen nur auf eine gute alte Tradition zurück, indem sie den Ausspruch Konrad Adenauers mit Blick auf die Netzsperren beherzigt.

Wurden Politiker bisher nicht müde zu behaupten, das Zugangserschwerungsgesetz würde auf den Ausnahmefall Kinderpornografie beschränkt bleiben, haben Kritiker von Anfang an die Befürchtung geäußert, dass die Verlockungen dieses Instrumentariums zu groß sind und es früher oder später darauf hinauslaufen wird, „unerwünschte“ Inhalte unterschiedlichster Art von den Nutzern fernzuhalten.

Und wer den Namen „Zensursula“, den die Netzgemeinde der Familienministerin verliehen hat, für Polemik oder Übertreibung hielt, wird spätestens jetzt umdenken müssen.

Denn Frau von der Leyen spricht mittlerweile offen davon, weitere Diskussionen führen zu wollen, wie Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet ins richtige Verhältnis zu setzen sind. Sonst so von der Leyen, drohe das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen könne.

Dass die ewige Behauptung vom Internet als rechtsfreier Raum realitätsferner kaum sein könnte, spielt dabei keine Rolle mehr.

Es ist aber immer wieder wichtig, sich vor Augen zu führen, was man von Versprechungen und Beteuerungen von Politikern halten darf, nämlich nichts. Adenauer, sicher auch für von der Leyen ein großes Vorbild, hat auch Ursula von der Leyens wichtigste politische Grundposition bereits vorformuliert und sie lautet: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.

Lesen Sie auch Udo Vetters Beitrag „Die Meinungsfreiheit als Sondermüll„.

Update vom 03.08.09
Von der Leyen dementiert, aber das kennt man ja.

posted by Stadler at 19:58  

4 Comments

  1. Full Ack.

    was wäre denn eigentlich die "andere Abhilfe", die in Art. 20 Abs. 4 GG genannt wird ?

    Comment by sigi — 2.08, 2009 @ 20:08

  2. Das einzige, was da eigentlich noch verwundern kann, ist, wie schnell es ging.

    Und trotzdem ist, so traurig es ist, ist abzusehen, dass die meisten Bürger das bei ihrer Wahlentscheidung nicht interessieren wird. Mit der "Dienstwagenaffäre" hat man ja auch was, an dem man sich eher was vorstellen und auf "die da oben" schimpfen kann.

    Comment by Markus — 2.08, 2009 @ 20:14

  3. "Wir" müssen einfach einsehen, dass "die da oben" gar nicht so doof sind.

    Wir können hier im Web einen Aufstand anzetteln so groß wie Texas, wir können hier die Meinungshoheit mit guten Argumenten erringen und wir bewegen sogar ab und zu jemanden aus der Zeit, der TAZ oder dem Spiegel dazu, unseren Protest wohlwollend einem etwas breiteren Spektrum mal vorzuführen.

    Aber Wahlen gewinnt man mit den Generationen 40+, vielleicht sogar 50+ … und auf die haben wir keinerlei Einfluss aus dem Netz heraus.

    Solange also nicht jeder von uns es über sich bringt, wieder politische Themen in den Familienkreis zu tragen (wie furchtbar, gab es schon seit Jahren nicht mehr), können wir uns aufregen so viel wir wollen … wir werden immer nur auf ein wenig Restkorrektur durch das BVerfG hoffen dürfen.

    Ab zurück ins Leben und macht den Lügnern und Betrügern von den großen wie kleinen Parteien Wählerfeuer unter den Hintern!

    Comment by Hans — 2.08, 2009 @ 20:39

  4. Ist in der Befürchtung, das Internet könne ein «rechtsfreier Chaosraum» werden, wohl eine Abkehr von der bislang vertretenen Position zu sehen, das Internet sei ein rechtsfreier Raum? Oder ist der rechtsfreie Chaosraum nur die Steigerung der aktuell herrschenden haltlosen Zustände?

    Comment by Anwalt Niemeyer — 3.08, 2009 @ 14:01

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