Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.8.09

Verfällt das Sperrgesetz?

Heribert Prantl vertritt in der Süddeutschen die Ansicht, das Zugangserschwerungsgesetz könnte, wenn es nicht mehr in der alten Legislaturperiode zum Bundespräsidenten gelangt, dem Grundsatz der Diskontinuität zum Opfer fallen und damit praktisch obsolet werden.

Die Thesen von Prantl stellen aber allenfalls eine juristische Mindermeinung dar. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass Angelegenheiten, die im Bundestag abschließend behandelt wurden, mit denen sich aber noch andere Verfassungsorgane befassen müssen, auch in der neuen Wahlperiode weiterbetrieben können. Sprich, der Bundespräsident kann das Gesetz auch noch im Oktober ausfertigen.

Es ist ohnehin fraglich, ob der Grundsatz der Diskontinuität überhaupt Verfassungsrang genießt. Normiert ist er nur in § 125 der Geschäftsordnung des Bundestags.

Ich möchte niemandem die Hoffnung rauben, aber der Artikel von Prantl dürfte eher in die Rubrik heiße Luft fallen.

posted by Stadler at 19:11  

8 Comments

  1. Mit Verlaub. Den Punkt der Diskontinuität kann man m.E. durchaus anders sehen (wie üblich im Rechtsbereich).

    Dass die Diskontinuität "nur" in der BT-GO festgehalten wird, kann durchaus wesentlich dabei sein, wenn man prüfen will, ob ein Gesetz unter Berücksichtigung der geltenen Rechtsvorschriften erlassen wurde.

    Dies kann dann, je nach Interpretation, zu dem Schluß führen, dass nur eine nachrrangige Rechtsvorschrift verletzt wurde oder dazu, dass eine nicht zulässige Umgehung des sich von der Legislativen gegebenen Organisationsrechts vorliegt.

    Die Chancen schätze ich auf 50:50. Gar so dumm ist der Gedanke von Prantl m.E.n. nicht.

    Comment by Anonymous — 5.08, 2009 @ 00:22

  2. Man kann vieles anders sehen.

    In der staatsrechtlichen Literatur wird es allerdings kaum so gesehen, wie Prantl sagt. Die ganz überwiegnde Ansicht geht sogar davon aus, dass selbst der Bundesrat einem vom Bundestag beschlossenen Gesetz nach Ablauf der Wahlperiode noch zustimmen kann.

    Der Grundsatz der (sachlichen) Diskontinuität betrifft nur den Bundestag selbst. Gesetzesvorlagen verfallen, wenn der Bundestag vor Ablauf der Legislaturperiode keinen Gesetzesbeschluss fasst. Das Gesetzgebungsverfahren ist dann gescheitert und muss in den neu gewählten Bundestag nochmals neu eingebracht werden. Ist ein Gesetzgebungsverfahren, wie hier, vollständig abgeschlossen und fehlt nur der formale Akt der Ausfertigung ist das schon begrifflich kein Fall von Diskontinuität. Ist praktisch einhellige Ansicht in der staatsrechtlichen Literatur.

    Comment by Pavement — 5.08, 2009 @ 09:48

  3. Naja, ich finde in Art. 39 Abs. 1 GG kommt der Grundsatz der Diskontinuität aber auch heraus. Dort ist eindeutig die Rede von einem Bundestag als "die jeweils gewählte Versammlung von Abgeordneten". Also gerade kein ständiges Gremium, sondern eben diskontinuent. Besonders deutlich wird das in Satz zwei in dem Begriff "neuer Bundestag".

    Ich hab´s aber jetzt nicht in den Kommentaren nachgelesen.

    Davon abgesehen bin ich aber Ihrer Meinung. Die Verfahrensordnung des GG schreibt nicht vor, dass alle formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen gleichzeitig gegeben sein müssen. Im Gegenteil ist Art. 78 GG hier wohl eindeutig:

    "Ein vom Bundestage beschlossenes Gesetz kommt zustande, wenn der Bundesrat zustimmt, den Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 nicht stellt, innerhalb der Frist des Artikels 77 Absatz 3 keinen Einspruch einlegt oder ihn zurücknimmt oder wenn der Einspruch vom Bundestage überstimmt wird."

    Comment by Simon — 5.08, 2009 @ 10:36

  4. @Simon:
    Nachdem ich ein paar Quellen der verfassungsrechtlichen Literatur gecheckt habe, kann ich sagen, dass es überwiegende bis einhellige Ansicht ist, dass der Bundespräsident ein beschlossenes Gesetz auch nach dem Ende der Legislaturperiode ausfertigen muss.
    Der Grundsatz der Diskontinuität ist nach ganz überwiegender Ansicht nur auf den Bundestag bezogen. Siehe dazu meinen vorstehenden Kommentar. Verfassungsrechtlich wird der Grundsatz auch abgestützt und zwar durch das Demokratieprinzip.

    Comment by Pavement — 5.08, 2009 @ 10:48

  5. Wie gesagt, wir sind einer Meinung. :-) Mein Protest bezog sich ausschließlich auf diesen Teil:

    "Es ist ohnehin fraglich, ob der Grundsatz der Diskontinuität überhaupt Verfassungsrang genießt. Normiert ist er nur in § 125 der Geschäftsordnung des Bundestags."

    Comment by Simon — 5.08, 2009 @ 11:42

  6. Ich würde eher sagen (und das hat Prantl meiner Meinung nach auch gemeint), die Gretchenfrage ist, wer dem Bundespräsidenten (wann) das Gesetz zur Prüfung bzw. Ausfertigung vorlegt, nicht, wann er ein bereits vorgelegtes Gesetz unterzeichnet.

    Ob ein neuer Bundestag oder Bundeswirtschaftsminister berechtigt wäre, ihm das Gesetz nicht mehr vorzulegen, ist eine andere Frage. (Diese wirft Prantl indirekt auch im vorletzten Absatz auf.)
    Man könnte zu dem Schluss kommen, dass die Vorlage in diesem Fall dem neu gewählten Bundestag obliegt.

    Comment by Anonymous — 5.08, 2009 @ 22:36

  7. Hallo,

    ich dachte, ich schreibe auch noch mal was :)

    Der Grundsatz der Diskontinuität entspringt in der Tat u.a. dem Art.39 GG, wenn auch (wie so oft) nicht ausdrücklich. Insgesamt ist der Grundsatz an sich (so zu Recht Sachs) als verfassungs(gewohnheits)rechtlich zu betrachten.

    Alelrdings spaltet sich dieser Grundsatz in eine personelle, formelle und materielle Komponente. Dabei schreiben Maunz/Klein, dass von diesem Grundsatz problemlos *nicht* der Fall erfasst sein soll, dass ein Entwurf von Bundesregierung oder Bundesrat bereits alle Verfahrensvorschriften dieser Organe erfüllt und nur noch nicht beim Bundesrat eingereicht waren.

    Wenn aber schon die nicht eingereichte Vorlage der Bundesregierung nicht erfasst sein soll, dann muss das erst recht für die ohnehin schon beschlossene Vorlage gelten.

    Ich hoffe, ein wenig geholfen zu haben

    Comment by Jens Ferner — 6.08, 2009 @ 10:44

  8. Ein wenig… ;-)

    Als Leye ist mir nur nicht klar, wo geregelt ist, wer letztendlich dem Bundespräsidenten das beschlossene Gesetz vorlegt bzw. vorlegen muss (und dass er dies muss).

    Comment by Anonymous — 6.08, 2009 @ 16:33

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