Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.8.09

Guttenberg lässt Gesetz von internationaler Großkanzlei schreiben

Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg hat das „Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes“ nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vollständig von der Anwaltskanzlei Linklaters ausarbeiten lassen. Offenbar wurde der Entwurf der Kanzlei auch mehr oder weniger unverändert übernommen.

Auch wenn die Gesetzgebung an sich Sache des Parlaments ist, entspricht es der Üblichkeit, dass ein erheblicher Teil der Gesetzesentwürfe von der Ministerialbürokratie verfasst werden. Dass man sich dafür auch externer Unterstützung bedient, ist zwar nicht neu, scheint aber in letzter Zeit zuzunehmen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer eigentlich die Fäden zieht, die Ziele definiert und die Entscheidungen trifft. Dass die Hypo Real Estate gerettet wurde, weil Josef Ackermann und andere Top-Akteure der Finanzwirtschaft der Bundesregierung eingeredet haben, dass andernfalls der Zusamenbruch des europäischen Bankensystems bevorgestanden hätte, passt in Zeiten der Finanzkrise ebenso ins Bild, wie dieses Vorgehen des Wirtschaftsministeriums.

Jeder Jurastudent hat die sog. Wesentlichkeitstheorie vermittelt bekommen, die als Ausfluss des Demokratieprinzips besagt, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen zu treffen hat. Die tatsächliche Situation könnte von der staatsrechtlichen Theorie gar nicht weiter entfernt sein. Denn der Bundestag entscheidet eigenständig vielfach gar nichts mehr, sondern nickt nur noch das ab, was ihm die Bundesregierung vorsetzt. Und die reicht offenbar in manchen Fällen eins zu eins das durch, was externe Berater ihr präsentieren. Irgendwie stelle ich mir parlamentarische Demokratie anders vor.

posted by Stadler at 21:35  

10 Comments

  1. Diese Praxis muß sich auf die Auslegung auswirken. Wir können nun definitiv nicht mehr davon ausgehen, daß Gesetze in Ausübung eines öffentlichen Amtes erarbeitet werden. Man muß neben den politischen Zielen der Auftraggeber auch die private Autorenschaft würdigen.

    Wer schrieb nochmal das SGB II? Und wer dachte sich den Gesundheitsfonds aus?

    Comment by Juergen Fenn — 8.08, 2009 @ 22:01

  2. Dass für Gesetzgebung im Wesentlichen der Bundestag zuständig ist, wird uns aber auch in den Medien nicht mehr wirklich vermittelt.

    Ein Gesetz gilt für die Tagesschau als verabschiedet, sobald der Koalitionsausschuss (bestenfalls das Kabionett) zugestimmt hat. Passt aber auch, die Abwrackprämie konnten wir schon wochenlang beantragen, als der Bundestag dem Haushalt dafür zugestimmt hat.

    Comment by maxb — 8.08, 2009 @ 22:23

  3. Es wird ja noch besser, wenn man sich die ganze Presse zum Thema ansieht:

    sueddeutsche.de

    Das Justizministerium, von Brigitte Zypries (SPD) geführt, die ja auf diesen Seiten auch schon eingehender Kritik unterzogen wurde, scheint deutlich fähigere Mitarbeiter zu haben:

    Die haben nämlich festgestellt, dass der Entwurf, der angeblich von Linklaters ausgearbeitet wurde, in den wesentlichsten Teilen identisch ist mit einem bereits im März vorgelegten Entwurf,

    den der Bundestagsfinanzausschuss "mit den Stimmen von CDU/CSU" verworfen habe.

    Und zwar nicht, weil ihnen das Papier nicht gepasst hat, auf dem der Entwurf gedruckt war, sondern weil der Entwurf gegen EU-Recht verstößt!

    Es ist nach meiner Quellenlage nicht bekannt, bei welcher New Yorker Anwaltskanzlei Guttenberg gearbeitet hat (zeitgeist-online.de).

    Aber der Verdacht liegt nahe, dass hier mal wieder Seilschaften funktioniert haben, die in dem angegebenen Link ausführlich erläutert werden.

    Überflüssig darauf hinzuweisen, dass der Herr Baron auch den ersten Entwurf des ZugErschwG übers Knie gebrochen hat, der nun wirklich ganz offensichtlich verfassungswidrig war?

    Die CDU hat sich übrigens in einer Pressemitteilung dafür gelobt, dass sie den ersten Entwurf, der angeblich von der SPD stamme, in ihrem Sinne korrigiert habe:

    cducsu.de

    Sind dann noch irgendwelche Fragen zu Guttenberg oder der CDU / CSU offen?

    Comment by lcBifi — 8.08, 2009 @ 22:32

  4. Wen wundert's? Hierzulande wird doch jeder verstaubte einarmige Bandit in der Bahnhofskneipe strenger kontrolliert als die Zocker in den Management-Etagen.

    Comment by BananenTutziFrutzi — 9.08, 2009 @ 01:05

  5. Nun muss man auch ehrlich sein: Da wir den "Ministerialbeamten" gerne mal Unfähigkeit beim Gesetzschmieden bescheinigen ist es nur klug, wenn fachkundige Hilfe geholt wird.

    Ansonsten ist die Aufregung und das Symptom jetzt nichts anderes als Ende der 60er, wo schon einmal Bundestagsabgeordnete einer "großen Koalition" abgenickt haben, was die Regierung der gleichen Koalition vorgegeben hat.

    Der einzige Unetrschied jetzt ist, dass die Menschen Ende der 60er ihren Arsch auf die Strasse bewegt haben und junge Menschen eine "APO" gegründet haben. Heute scheint man mit Blogs seinem Unmut und den staatsbürgerlichen Pflichten genügen zu können.

    Comment by Fawkes — 9.08, 2009 @ 12:54

  6. Als jemand, der seit rund 15 Jahren notgedrungen die bundesdeutsche (und europäische) Gesetzgebung verfolgen muss, kann ich nur sagen: Warum soll man GesetzesENTWÜRFE nicht von jemand verfassen lassen, der das (im Gegensatz zu fast allen Ministeriumsmitarbeitern) wirklich gut kann?
    Die Kritik übersieht nämlich, dass fähige Juristen nicht im Staatsdienst arbeiten, sondern (für gutes Geld) in den gerne gescholtenen privaten Unternehmen.
    Ja, Ausnahmen bestätigen diese Regel, aber sie sind tatsächlich selten.
    Und Gesetze werden übrigens (immer noch) vom Bundestag/Bundesrat bzw. vom Vermittlungsausschuss "gemacht".

    Comment by Jörg Paßmann — 9.08, 2009 @ 13:51

  7. 1. Es ist nicht zutreffend, daß "fähige Juristen nicht im Staatsdienst arbeiten". Die Einstellungsvoraussetzungen dort sind nämlich recht hoch.

    2. Das Ministerium erarbeitet den Gesetzentwurf in Ausübung eines öffentlichen Amts. Für eine Großkanzlei ist es ein Auftrag wie andere mehr. Die Interessenkollision ist dabei notwendig Teil des ganzen Designs.

    3. Schon früher waren Fälle bekannt geworden, in denen Lobbyisten in Ministerien als Mitarbeiter "entsandt" worden waren, um dort Gesetzentwürfe zu schreiben, die ihren primären Arbeitgebern in den Kram paßten. Es ist schon ziemlich schamlos, wie mittlerweile öffentliche und private Belange miteinander vermengt werden.

    Comment by Jürgen Fenn — 9.08, 2009 @ 19:28

  8. Meiner Meinung nach eine Frechheit.

    Ich finde sowieso diesen ganzen Hype um diesen Minister viel zu übertrieben. Meiner Meinung nach hat er keine fachliche Kompetenz die seine Stellung berechtigt.

    In der schwersten Finanzkriese holt man einen NEWBIE?

    Comment by Anonymous — 9.08, 2009 @ 20:42

  9. Als Techniker denke ich mal laut: Wenn ich was nicht kann oder der Ansicht bin, daß andere etwas besser können, dann hole ich mir Hilfe. Es wird sowas wie ein Pflichtenheft erstellt, in dem möglichst detailliert die Aufgaben und Ziele definiert werden. Wenn dann anschließend genau das rauskommt was was im Pflichtenheft steht, also nach Fertigstellung nix mehr nachgearbeitet oder verbessert werden muß (während des Entstehungsprozesses besteht zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer enger Kontakt), dann ist das für mich eine gelungene Zusammenarbeit, resultierend aus einem hervorragenden Pflichtenheft und einer fruchtbaren Kommunikation zwischen den Parteien. Insofern verstehe ich nicht ganz, weshalb es nun schlecht sein muß, wenn der Guttenberg (auch wenn ich ihn absolut nicht abhaben kann) das Gesetz von dieser Großkanzlei einfach so übernimmt.

    Comment by Anonymous — 10.08, 2009 @ 20:25

  10. man Demokratie

    Comment by Juergen Fenn — 10.08, 2009 @ 23:47

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