Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

20.7.09

Zypries an Peinlichkeit kaum zu überbieten

Justizminsterin Brigitte Zypries hat der Welt ein Interview gegeben, das aufhorchen lässt.

Frau Zypries äußert sich u.a. zum Thema Filesharing und zwar so:

„Schon in meiner Jugend war das Mitschneiden von Musik aus dem Radio üblich, damals auf Tonbändern oder Kassetten. Es gibt also eine gewisse Tradition zu glauben: Man darf das.“

Dies, werte Frau Zypries, mag daran liegen, dass man das tatsächlich durfte und immer noch darf!

Noch besser wird es dann beim Thema Netzsperren:

„Das ist Unsinn. Es geht nicht um Zensur. Es geht darum, strafbare Inhalte aus dem Netz zu entfernen. Es gibt eine Gruppe von Internet-Usern, die glaubt: Im Netz darf man alles, das Internet ist ein Ort unbegrenzter Freiheit, jede Regel verletzt unsere Identität. Das ist falsch: Meine Freiheit, mein Recht endet auch im Netz dort, wo sie die Freiheit und das Recht von anderen verletzt. Grundrechten wie der Meinungsfreiheit sind im Internet genauso Grenzen gesetzt wie in der realen Welt. Es gibt kein Recht des Stärkeren oder technisch Versierteren. Was offline verboten ist, ist auch online verboten. Das ist keine Zensur, sondern eine simple Erkenntnis, die auch juristischen Laien verständlich sein sollte.“

Die Platitüden der Justizministerin sind für juristische Laien bestimmt verständlich. Von mir dann noch zwei Anmerkungen zur Sache.

Ziel des Zugangserschwerungsgesetzes íst es ja gerade nicht, strafbare Inhalte aus dem Netz zu entfernen. Das Konzept des Gesetzes besteht vielmehr darin, diese Inhalte online zu belassen. Und genau hiergegen richtet sich u.a. auch die Kritik der Community.

Von welcher Gruppe von Internetnutzern Frau Zypries spricht, bleibt rätselhaft. Die Justizministerin stellt sich, zuhause in Wolkenkuckucksheim, eine Netzgemeinde vor, die so nicht existiert. Und das, was diese nicht existierende Community angeblich für zutreffend hält, erachtet Frau Zypries für falsch. Und da kann ich ihr dann wieder zustimmen.

posted by Stadler at 10:00  

14 Comments

  1. Was mich am meisten erstaunt: Frau Zypries kommt nicht auf den Gedanken, dass geltende Gesetze so heißen, weil sie überall gelten, auch auf den Servern, die das Internet bilden. Und dass sie außer acht lässt, dass eine Sperrliste, für die es keine rechtsstaatliche Kontrolle gibt, vermutlich gegen geltendes Recht verstößt.

    Comment by Björn Sievers — 20.07, 2009 @ 10:18

  2. Naja, wenn sie doch nicht einmal weiß, was ein Browser ist … ;-)

    Comment by RA JM — 20.07, 2009 @ 11:03

  3. Man hat den Eindruck, dass diese Herrschaften von Dingen reden und über Sachen entscheiden, von denen sie keine Ahnung haben. Schlimm.

    Comment by Britta Stahl — 20.07, 2009 @ 11:24

  4. "Naja, wenn sie doch nicht einmal weiß, was ein Browser ist"

    Ich persönlich finde es unerheblich zu wissen, was ein Browser ist. Das ist für das Thema vollkommen irrelevant. Das Thema Bürgerrechte beschränkt sich nicht aufs Internet und auf technische Probleme. Entscheidend ist doch vielmehr, dass Zypries das Grundproblem nicht versteht: dass der Staat unkontrolliert mehr Befugnisse erhält. Dies ist auch nicht nur eine juristische Frage, sondern eine politische: Wollen wir das? Möchten wir einen Staat, der uns vorschreibt, was wir sehen ddürfen und was nicht? Wollen wir einen Polizeiapparat, der über diese Dinge befinden darf? Hier fehlt es Frau Zypries an Sensibilität für Grundprobleme demokratischer Gesellschaften. Und das zeigt, wie konservativ manche in der SPD bereits denken.

    Comment by Milo — 20.07, 2009 @ 11:50

  5. Ich darf (oder vielleicht darf ich nicht) daran erinnern, das Frau Zypries mal als Nachfolgerin für Winfried Hasemer gehandelt wurde
    Quelle: http://www.rp-online.de/public/kompakt/politik/415262/Zypries-zum-Verfassungsgericht.html

    Gut, das dieser Kelch an uns vorüber ging.

    Comment by Anonymous — 20.07, 2009 @ 12:47

  6. Naja, wie Content auf einem fremden Provider gelöscht werden soll, muss mir mal jemand erklären.

    Ein Sperrung scheint jedenfalls technisch umsetztbar….

    Die Eingriffsrechte der Steuerverwaltung sind bei weitem gravierender.

    Und wenn man liest, dass alleine in NRW im Jahr 56.000 Haftbefehle erlassen werden, dürfte sich die Aufregung der "Netz-Community" etwas relativieren.

    Comment by Anonymous — 20.07, 2009 @ 13:44

  7. Die Note der Abstimmung ist verwunderlich?
    90% geben ihr eine Sechs?
    Ich hoffe sie bleibt nicht sitzen und muss die Legislaturperiode wiederholen.

    Comment by Erzhammer — 20.07, 2009 @ 14:54

  8. @Anonym: man schreibt dem Hoster, auf dessen Servern sich der Dreck findet eine kurze E-Mail mit einem Hinweis.

    Comment by Anonymous — 20.07, 2009 @ 18:34

  9. Da zweifelt man doch immer mehr an der Fachkompetenz manch Minister…

    Und der Hoster löscht den "Dreck", nach dem kurz draufgeschaut wurde.

    Comment by A — 20.07, 2009 @ 18:38

  10. Kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Nachdem Kinderpornografie in praktisch allen Ländern dieser Erde in denen Webserver stehen strafbar ist, kriegt man sie binnen 48 Stunden durch schnöde Abuse-Mails vom Netz.

    Wenn es um den Schutz der Kinder gehen würde und nicht um Wahlkampf, dann würde man auf effektive Maßnahmen setzen.

    Comment by Pavement — 20.07, 2009 @ 21:36

  11. Die peinlichste Aussage des Interviews wurde hier nicht thematisiert. Nachdem Frau Zypries vor einigen Monaten die informationelle Selbstbestimmung noch auf das Recht auf Selbstauskunft reduzierte, ist es hier nun irgendwie mit der Redefreiheit und/oder der Rezipientenfreiheit durcheinandergeraten.

    Comment by Anonymous — 20.07, 2009 @ 22:50

  12. Rabulistik?

    Comment by Yvonne — 21.07, 2009 @ 06:44

  13. Ich schätze dieses Blog, weil hier juristisch-sachkundig politisch umstrittene Themen mit IT-Bezug thematisiert werden.

    Was Frau Zypries angeht, liegt allerdings noch weit mehr im Argen, als der Blogeintrag vermuten lässt:

    Sie hat nämlich ganz nebenbei mal wieder gezeigt, dass sie nicht verstanden hat, was informationelle Selbstbestimmung ist. Indem sie die munter mit der Informationsfreiheit durcheinandergeworfen hat.

    Zwar sind SPD-Verrisse nicht mein Schwerpunkt, wer aber eine Analyse des Interviews einschließlich Komplettverriss lesen möchte, dem kann ich dies empfehlen:

    http://schwarze-pest.org/psychogramm-einer-psychopathin-analyse-eines-wahlkampf-interviews/1155

    lcBifi / netmob
    (Rechtsassessor)

    Comment by lcBifi — 21.07, 2009 @ 08:21

  14. Verzeihung, Informationsfreiheit ist wieder ganz etwas anderes. Da geht es um die Transparenz behördlichen Handelns. Oder ja, vielleicht kann man die Geheimhaltung der Sperrliste da irgendwo auch verorten, aber ich bezweifle, dass es darum in dem betreffenden Statement von Zypries ging.

    Bei Sperrungen bzw. Filterungen ist entweder die Redefreiheit eingeschränkt (des Senders) oder die Rezipientenfreiheit (des Empfängers).

    Comment by Anonymous — 21.07, 2009 @ 22:05

RSS feed for comments on this post.

Sorry, the comment form is closed at this time.