Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

1.7.09

LG Köln: Portalbetreiber haftet für falsche Tatsachenbehauptung in Sat1-Sendung

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 10.06.09 (Az.: 28 O 173/09) eine Haftung eines Betreibers eines Videoportals dafür bejaht, dass über die Person des Klägers/Antragstellers in der Sendung „Akte 09“ angeblich falsche Tatsachen behauptet worden sind.

Die Entscheidung des Landgerichts ist aus unterschiedlichen Gründen bedenklich.

Das Landgericht hätte sich in jedem Fall mit der Frage befassen müssen, ob der Beitrag von Sat1 von der Rundfunk- und Pressefreiheit gedeckt ist. War dies nämlich der Fall, kann die Weiterverbreitung dieses Beitrags auch keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Klägerin darstellen. Die Presse darf nämlich durchaus auch über Tatsachen berichten, deren Wahrheitsgehalt nicht eindeutig feststeht, insbesondere kann insoweit eine Aussage des die Tatsachenbehauptung Äußernden wiedergegeben werden, auch wenn sie in Widerspruch zur Behauptung der Klägerin steht. Insoweit erscheint bereits der Beitrag von Sat1 von der Rundfunkfreiheit gedeckt, weshalb auch die Weiterverbreitung nicht die Rechte der Klägerin verletzen konnte.

Da die Klägerin zudem ein Unternehmen ist, hat sich das Gericht auf die umstrittene Konstruktion eines „Unternehmenspersönlichkeitsrechts“ gestützt. Ob sich Unternehmen überhaupt auf einen Persönlichkeitsschutz berufen können, ist fraglich. Denn das Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz der personalen und sozialen Identität des Einzelnen und der Entfaltung der Persönlichkeit. Es handelt sich deshalb um ein Recht, das vor allem den Menschen schützt und nicht das Unternehmen. Der BGH hat ein „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ in einer einzelnen Entscheidung ausnahmesweise bejaht, wenn das Unternehmen in seinem sozialen Geltungsbereich betroffen ist. Aus welchen Gründen dies hier der Fall sein sollte, begründet das Landgericht Köln dann auch nicht näher. Bei Unternehmen liegt der Schwerpunkt jedenfalls, anders als bei Personen, auf dem Schutz der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit.

Und gerade insoweit lässt die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH Kritik an der gewerblichen Leistung eines Unternehmens in sehr weitem Maße zu. Eine Auseinandersetzung mit dieser hier einschlägigen Rechtsprechung lässt das LG Köln aber vermissen.

Schließlich wendet das Landgericht Köln aber auch die Störerdogmatik des BGH falsch an. Der BGH nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass dem nur mittelbaren Störer der Einwand offen steht, dass ihn keine Prüfpflichten treffen, weil ihm eine Überprüfung im konkreten Fall nicht möglich oder zumutbar ist. Demgegenüber führt das LG Köln aus, es könne dahinstehen in welchem Umfang die Verfügungsbeklagte die Unwahrheit der streitgegenständlichen Äußerung hätte prüfen müssen, da jedenfalls das Ausbleiben jedweder Prüfung eine Störerhaftung begründet.

Damit wird die Rechtsprechung des BGH auf den Kopf gestellt. Zunächst ist stets anhand der Umstände des Einzelfalls zu klären, ob und in welchem Umfang den Inanspruchgenommenen Prüfpflichten treffen. Erst anschließend kann beurteilt werden, ob er diesen Prüfpflichten genügt hat. Hätte man diese Prüfungsreihenfolge eingehalten, dann hätte sich schon die Frage gestellt, wie der Portalbetreiber die Richtigkeit des Fernsehberichts überhaupt hätte überprüfen können.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses fehlerhafte Urteil des Landgerichts Köln keinen Bestand hat.

posted by Stadler at 16:38  

6 Comments

  1. die 28. ZK des LG ist in den letzten 18 Monaten leider ziemlich unberechenbar (und imo zeitgleich qualitativ schlechter) geworden. Ich kenne einige Kollegen, die deswegen mit ihren Verfahren nicht mehr in den Sprengel kommen.

    Herzliche Grüße

    Comment by le D — 1.07, 2009 @ 17:32

  2. Das Stützen auf ein "Unternehmenspersönlichkeitsrecht", das unsinniger Weise sogar aus Art. 2 I i.V.m. 1 I hergeleitet wird, ist unglücklich. Eher kommt hier das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Frage. Ganz so allein auf weiter Flur ist das LG Köln jedoch nicht, es häufen sich die Entscheidungen (zuletzt etwa das BVerwG zur informationellen SB), in denen Unternehmen Schutz aus dem aPR zugebilligt wird.

    Zur Frage, ob Rundfunkfreiheit hier mehr Schutz als bloße Meinungsfreiheit bietet: Bei einer leicht recherchierbaren Frage wie derjenigen, ob die persönlichen Daten bei einem Dating-Dienst gelöscht werden können oder nicht, erfordert es die journalistische Sorgfaltspflicht, das Ganze mal selbst auszuprobieren. Keine Ahnung, ob Sat.1 das im hiesigen Fall geleistet hat. Offenbar wurde es jedenfalls von der Verfügungsbeklagten nicht vorgetragen. Insofern ist das LG wohl zu recht davon ausgegangen, dass in dem Beitrag rechtswidrig die Unwahrheit gesagt wurde. Mit berechtigter Kritik an der gewerblichen Leistung hat das relativ wenig zu tun.

    Was die Überprüfungspflichten des mittelbaren Störers angeht, bewegt sich das LG auch nicht so weit weg vom Mainstream wie hier impliziert wird. Unter Berufung auf einige andere Entscheidungen hat es nämlich dargelegt, wann Prüfungspflichten bestehen:

    "Die mit einer sachlichen Begründung untermauerte Behauptung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts begründet jedenfalls eine Prüfungspflicht (vgl. OLG Nürnberg, MMR 2009, 131)"

    Das muss man nicht überzeugend finden, ist aber eine denkbare und auch nicht völlig realitätsferne Auslegung der "Störerhaftung".

    Ich könnte noch weitermachen, belasse es aber dabei für den Fall, dass das hier ohnehin wieder im leeren Raum verhallt.

    Comment by elgraf — 1.07, 2009 @ 17:47

  3. @elgraf:
    Der eingerichtete und ausgeübte Gewerbetrieb wäre in der Tat der dogmatisch zutreffende Ansatz. Insoweit fehlt es allerdings an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs und damit an der Rechtsverletzung.

    Die Entscheidung des OLG Nürnberg entspricht ebenfalls nicht den Vorgaben des BGH. Allein der Umstand, dass eine Persönlichkeitsrechtsverletzung stattgefunden hat, impliziert noch keine Prüfpflichten des mittelbaren Störers. Der BGH hat regelmäßig über Fälle zu entscheiden, in denen absolute Rechte verletzt werden. Gleichwohl hat er nie so argumentiert, weil dadurch ja nur der eigene Beschränkungsansatz in sein Gegenteil verkehrt würde.

    Comment by Pavement — 2.07, 2009 @ 10:49

  4. Warum war die unwahre Behauptung nicht betriebsbezogen?

    Der BGH:

    "Die Beurteilung, ob und inwieweit eine Prüfung zuzumuten war oder ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, wobei die Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sind."

    Hier hat sich das LG auf den Standpunkt gestellt, dass der plausible und substantiierte Vortrag einer Rechtsverletzung durch die Verfügungsklägerin zumindest irgendeine Prüfung seitens der Antragsgegnerin rechtfertige. Der Widerspruch zum BGH erschließt sich mir nicht. Dem OLG Nürnberg-Urteil mag man ebenfalls im Ergebnis nicht zustimmen wollen – Suchmaschinen ist sicher noch weniger zuzumuten als Plattformen -, aber dass das nicht den "Vorgaben" des BGH entsprechen soll?

    Was würde Ihnen denn für eine Prüfungspflicht ausreichen? Oder soll es unter gar keinen Umständen eine solche geben?

    Comment by elgraf — 2.07, 2009 @ 14:16

  5. @elgraf: Die Maßnahme müsste sich gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten. Sehr fraglich.

    Zur Störerhaftung laut BGH:
    "Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist"

    Der Umstand, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des BGH überhaupt kein Kriterium für die Bejahung oder Verneinung einer Prüfpflicht.

    Wenn man die Prüfung korrekterweise damit beginnt, ob die Rechtsverletzung ohne weiteres oder zumindest ohne größeren Aufwand erkennbar ist, dann wird man bereits dies verneinen müssen. Oder soll sich der Plattformbetreiber bei dieser Dating-Plattform anmelden und mal schauen, wie einfach oder schwer es ist, sich dort wieder abzumelden? Ist das zumutbar?

    Abgesehen davon, vermag ich immer noch nicht erkennen, weshalb der Sat1-Beitrag denn rechtswidrig gewesen sein sollte. Wenn die Medien nur noch über Dinge berichten dürften, deren Wahrheitsgehalt zu 100 % feststeht, dann wären die Zeitungen leer.

    Comment by Pavement — 2.07, 2009 @ 16:33

  6. Mist, leider alles Geschriebene verloren gegangen durch eigene Schusseligkeit. Daher nur kurz:

    (1) Dass das Recht am eingerichteten und ausgeübte Gewerbetrieb es nicht vermag, Äußerungen zu stoppen, die erweislich unwahr sind (wir haben hier nach der Faktenlage keine Grauzone, ohne deren Schutz die Zeitungen leer wäre) und einen Kernbestandteil der Unternehmenstätigkeit betreffen (hier: Handling von Accounts i.w.S. und Umgang mit personenbezogenen Daten der Nutzer), will mir immer noch nicht recht einleuchten.

    (2)Die Rechtsverletzung als solche führt noch nicht zu Prüfungspflichten, wohl aber kann die plausible und substantiierte Behauptung einer solchen ein Kriterium sein bei der Frage der Zumutbarkeit nach den konkreten Umständen. Worin die Prüfungspflichten bestanden, ist eine andere Frage. M.E. wäre zumindest eine Nachfrage bei Sat.1 ohne weiteres möglich gewesen.

    (3) Ich wiederhole meine Frage: Was würde Ihnen denn reichen zur Begründung von Prüfungspflichten? Etwa eine eidesstattliche Versicherung aus dem Unternehmen, dass man tatsächlich seinen Account rückstandsfrei löschen kann und dass der im Beitrag Beschriebene sich tatsächlich nie abzumelden versuchte? Eine einstweilige Verfügung gegen Sat.1? Soll der Portalbetreiber unter gar keinen Umständen passivlegitimiert sein?

    (4) Die eben beschriebenen Fragen bewegen sich in einem alles andere als trivialen und grundrechtlich vielschichtigen Bereich. Man kann sich offensichtlich trefflich darüber streiten, weshalb statt uneinheitlicher, selbst auf Ebene des BGH diffuser Rechtsprechung eine gesetzliche Regelung her sollte (siehe auch mein KOmmentar bei Telemedicus).

    Comment by elgraf — 2.07, 2009 @ 18:15

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