Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.7.09

Dann nehmt den Dreck doch endlich aus dem Netz

Justizministerin Zypries hat gerade in einem Interview mit der Welt die Notwendigkeit des Zugangserschwerungsgesetzes mit dem markigen Spruch „Der Dreck muss aus dem Netz“ untermauert.

Das Widersinnige daran ist aber, dass dieses Gesetz nichts dazu beiträgt, den „Dreck“ aus dem Netz zu verbannen, sondern deutsche Provider in geradezu lächerlicher Art und Weise dazu gezwungen werden, diese Inhalte vor ihren Kunden zu verbergen, während sie unverändert online bleiben.

Wenn man Mitglieder der Bundesregierung fragt, warum denn nicht durch internationale Zusammenarbeit am Standort der Server dafür gesorgt wird, den „Dreck“ aus dem Netz zu beseitigen, dann erhält man immer dieselbe Antwort, nämlich, dass es einfach eine Vielzahl von Ländern gebe, in denen Kinderpornografie nicht strafbar sei und man dort vor Ort deshalb nichts machen könne. Diese Behauptung erweist sich bei näherer Betrachtung als gänzlich unzutreffend.

Ursula von der Leyen hat mehrfach öffentlich behauptet, 55 Länder würden Kinderpornografie nicht als Straftat verfolgen und sich hierbei auf eine, mehrere Jahre alte und durchaus fragwürdige Studie berufen. Fragwürdig ist diese Studie deshalb, weil es eine ganze Reihe von Staaten gibt, die jegliche Pornografie unter Strafe stellen, somit auch Kinderpornografie. Weil diese Staaten dann natürlich keine zusätzlichen Gesetze gegen Kinderpornografie haben, werden sie einfach als Staaten bewertet, in denen Kinderpornografie per se nicht unter Strafe steht. Mit derart tendenziösen Studien macht Frau von der Leyen anschließend Stimmung und bezichtigt selbst Länder wie Indien nicht gegen Kinderpornografie vorzugehen, wofür sie sich kürzlich kleinlaut entschuldigen musste.

Ein Kollege hat unlängst beim BMJ, dem Haus, dem Frau Zypries vorsteht, nachgefragt, um zu erfahren, wieviele Staaten nach den Erkenntnissen der Bundesregierung tatsächlich Kinderpornografie nicht verfolgen. Man hat ihm geantwortet, man würde davon ausgehen, dass in mindestens 12 Staaten keine Strafbarkeit von Kinderpornografie gegeben sei. Welche Staaten das konkret sind, konnte das Ministerium freilich nicht sagen. Über die Einzelheiten könne eventuell das BKA Auskunft geben, hieß es. Das ist also offenbar das Informations- und Kommunikationsniveau von Ministerien und Bundesbehörden, von dem aus man in diesem Land Gesetzesvorhaben angeht.

Es ist zweifellos richtig, dass es eine handvoll Staaten gibt, in denen Kinderpornografie nicht strafbar ist. Das sind aber überwiegend Länder, die über keine eigene Internetinfrastruktur verfügen oder bei denen gerade Bürgerkrieg herrscht. Auf den internationalen Sperrlisten haben diese Staaten bislang keine Rolle gespielt.

Die Wahrheit ist deshalb schlicht die, dass es international keine nennenswerten Strafbarkeitslücken gibt und es in den meisten Fällen sogar sehr einfach ist, den „Dreck“ durch bloße Abuse-Mails innerhalb von Stunden aus dem Netz zu bekommen. Wenn dies dennoch nicht geschieht, dann liegt das daran, dass unsere Behörden mit den falschen Instrumentarien arbeiten. Das BKA darf angeblich auch keine Abuse-Mails an ausländische Provider schreiben, weil das die Souveränität der fremden Staaten verletzen würde. Ausländische Websites auf Sperrlisten zu setzen, geht freilich dann doch.

Frau Zypries, Frau von der Leyen und Herr von und zu Guttenberg, Sie sind die Bundesregierung. Wenn nicht Sie, wer dann? Sorgen Sie dafür und lassen Sie den „Dreck“ doch endlich aus dem Netz entfernen, anstatt den Menschen weiter Sand in die Augen zu streuen.

posted by Stadler at 13:15  

7 Comments

  1. "Ursula von der Leyen hat mehrfach öffentlich behauptet, 55 Länder würden Kinderpornografie nicht als Straftat verfolgen …"

    Kleine Korrektur: Zensursula sprach mWn von 95 Ländern.

    mfg

    Comment by Anonymous — 21.07, 2009 @ 13:34

  2. Bravo, feines Statement. Danke.

    Comment by monoblog — 21.07, 2009 @ 14:08

  3. Sehr nett geschrieben. Jedoch hat Anonym recht. Frau "Zensursula" von der Leyen redete von 95 Ländern.

    Comment by Sebastian — 21.07, 2009 @ 20:28

  4. Danke, dass Du (mangels eigenen Blogs) meine Frage an das BMJ/BKA aufgreifst.

    Heute kam keine Antwort aus dem BKA. Ich hatte gebeten, dass ich bis Donnerstag Nachmittag Antwort erhalte. Wenn ich bis dahin was hören sollte (bekomme ich nicht nur drei Kölsch spendiert, sondern) lasse Euch das auch wissen.

    Comment by Anonymous — 21.07, 2009 @ 21:01

  5. Was mich schon länger irritiert:
    Laut eigener Homepage des BKA ist es bei Kinderpornographie gar nicht zuständig:
    http://www.bka.de/profil/faq/fragen01.html

    Siehe Antwort zu Nr. 8!

    Die im ZugErschwG vorgesehene neue Funktionalität des BKA, Beurteiler zu sein, ob die Inhalte in angemessener Zeit entfernt werden können, um dann Ersteller + Verteiler der Sperrliste zu werden, beißt sich dann doch mit der Ermittlung, oder?

    Wer entscheidet dann, ob illegale Inhalte nach §184b StGB erhalten bleiben, um Zugriffe zu verfolgen (Honeypot), wenn das BKA eben nicht Ermittler ist?

    Mir bleibt die Rolle des BKA insofern schleierhaft, als sich dessen Chef ja in der ganzen Sache, auch mit den "Privatverträgen", sehr in den Vordergrund gespielt hat. Anscheinend stammt auch viel Zahlenmaterial, mit dem die Dringlichkeit des Anliegens untermalt wurde, ebenfalls von dort.

    Dass die Bundespolizei aber eine (wahrscheinlich innerlich überzeugte) Familienministerin benutzt, um Funktionserweiterungen durchzusetzen, riecht doch eher nach noch Schlimmerem, oder?

    mfg

    hellih

    P.S. Bin ständiger Mitleser hier, weil es gut gemacht ist. Danke.

    Comment by hellih — 23.07, 2009 @ 09:13

  6. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie sich Zypries im März auf AbgeordnetenWatch zu den Zensurverträgen geäußert hat, speziell zur Zuständigkeit des BKA bzw. des Bundes.

    (Siehe auch Beitrag im alternativen Petitionsforum.)

    Comment by Ursula von den Laien — 23.07, 2009 @ 20:38

  7. Ministerin Zypries ist auch Kandidatin für den 5. "Rechtsfreien Raum der Woche".

    Abstimmen bzw. Nominieren kann man im alternativen Petitionsforum oder bei ImpactSuspect.

    Comment by Ursula von den Laien — 24.07, 2009 @ 19:12

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