Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.6.09

Zypries, die Südhessen-SPD und die Netzsperren

Bei manchen Meldungen reibt man sich verwundert die Augen. Soeben hat der Bundestag – mit den Stimmen der SPD-Fraktion wohlgemerkt – das Zugangserschwerungsgesetz beschlossen und schon fordert der Bezirksparteitag der SPD in Südhessen eine Rücknahme des Gesetzes. Der hierfür zuständigen Arbeitsgruppe des Bezirks Südhessen gehört neben Torsten Schäfer-Gümbel auch Bundesjustizminsterin Brigitte Zypries an(sic!).

Wenn mich nicht alles täuscht, ist Frau Zypries sowohl Mitglied der Bundesregierung als auch des Deutschen Bundestags. Als Abgeordnete ist sie freilich der Abstimmung letzten Donnerstag ferngeblieben. Aber auch davor ist von ihr kein erkennbarer Widerstand gegen das Gesetz ausgegangen.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Eine Ministerin, die sich in der Bundesregierung nicht gegen das Gesetz ausspricht und die als Abgeordnete nicht zur Abstimmung geht, fordert nun als Mitglied der südhessischen SPD die Rückgängigmachung des Gesetzes? Ist das jetzt endgültig Polit-Comedy?

Ach ja, Frau Zypries wurde letzte Woche zur Internet-Politikerin des Jahres gekürt. Und zwar von eco, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft. Die Begründung von eco ließ ebenfalls aufhorchen. Frau Zypries wurde nämlich für ihre klare und verlässliche Internetpolitik geehrt. Man konnte das, angesichts der Tatsache, dass Frau Zypries nicht weiß was ein Browser ist und außerdem die Verschärfungen des Urheberrechts der letzten Jahre zu verantworten hat, allenfalls als Versuch von eco bewerten sich selbst zu desavouieren. Und jetzt noch die Geschichte mit der SPD Südhessen. Da muss man sich nicht wundern, wenn sich manche nur noch in Sarkasmus flüchten wollen.

posted by Stadler at 16:42  

6 Comments

  1. Bei Frau Zypris hat man das Gefühl dass sie selbst nicht wirklich weiß was sie selbst will … erst gegen Sperren (Brief an VDL), dann dafür (mit Verschärfung: Speicherung der Daten), und dann wieder dagegen ?
    Oder ärgert sie sich nur dass Frau von der Leyen durchgekommen ist ? Bekannt ist ja dass sich beide Frauen nicht wirklich mögen

    Comment by Anonymous — 22.06, 2009 @ 17:19

  2. Frau Zypris ist nicht die einzige, die der Abstimmung ferngeblieben ist. Aus NRW fehlten z.B. Guido Westerwelle, Oskar Lafontaine und Ulla Schmidt. Haben alle laut Abgeordnetenwatch nicht abgestimmt.
    Aber vielleicht ist das ja auch eine gute Strategie. Wenn das Bundesverfassungsgericht das Gesetz nächstes Jahr kassiert, können sie alle sagen, sie haben nicht dafür gestimmt.
    Und sollte das Gesetz wider Erwarten Bestand haben, dann können sie sagen, sie waren nicht dagegen.

    Comment by K.H. — 22.06, 2009 @ 17:39

  3. Man sollte nicht unerwähnt lassen, dass Frau Zypries diejenige war, die die Echtzeitüberwachung der Stoppschilder als erste vorgeschlagen hat. Und die SPD feiert sich noch großartig, dass das nicht umgesetzt wurde. Die Partei ist einfach nur noch widerlich.

    Comment by daMax — 22.06, 2009 @ 20:36

  4. wahrscheinlich wie bei vielen anderen politikern auch nur ein richten der fahne nach dem wind… als abgeordnete war es wohl leichter sich der verantwortung, die sie in ihrer funktion nunmal zu tragen hat, zu entziehen… vielleicht ist es für sie in ihrem bezirk ja leichter, wenn sie sich gegen die netzsperren ausspricht… wir werden es wohl nie wirklich erfahren… aber immer wieder gut zu wissen, wie unbeständig die "meinung" einiger politiker doch ist!

    Comment by mydarktime — 22.06, 2009 @ 22:14

  5. Völlig wertfrei werfe ich folgenden Link dazu in den Raum. Es macht es nicht besser, aber ich denke, man versteht, was dort anscheinend los ist.

    http://unkreativ.net/wordpress/?p=6226

    Comment by Anonymous — 22.06, 2009 @ 22:59

  6. Ich habe mir mal die Freiheit genommen, in einer eingehenderen Befassung mit Brigitte Zypries auf diesen aufschlussreichen Artikel zu verweisen :-)

    Comment by netmob — 9.07, 2009 @ 21:01

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