Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

3.6.09

Das Internet ein rechtsfreier Raum?

Die Zeit hält große Stücke auf ihre Debattenkultur, weshalb man bei Zeit Online ein Spezial zum „Kulturkampf im Netz“ eingerichtet hat, in dem verschiedene Autoren durchaus gegensätzliche Ansichten zum Besten geben.

Unlängst forderte dort Heinrich Wefing, dass das Internet endlich allen Regeln des Rechtsstaats unterworfen werden müsse. Wefing stellt hierzu folgende Frage: „Wieso hat es fast zwanzig Jahre gedauert, bis öffentlich formuliert wird, was doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist: dass das Netz kein rechtsfreier Raum ist. Dass im Cyberspace dieselben Gesetze gelten wie in der realen Welt.

Wenn man diese Zeilen liest, drängt sich zunächst die Frage auf, wo der Autor die letzen 15 Jahre verbracht hat. Das Postulat, wonach das Internet kein rechtsfreier Raum sein dürfe, existiert in Deutschland mindestens seit der Diksussion um die erste Fassung des Teledienstegesetzes, also jedenfalls seit 1997 und wird seither mantraartig wiederholt.

Dass das Internet zu keiner Zeit rechtsfrei war und, dass auch die Unterstützer der Petition gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen keine Rechtsfreiheit fordern, wird dabei aus durchaus ideologischen Gründen gerne unterschlagen.

Während also über die Frage, ob das Internet rechtsfrei ist oder sein darf seit langer Zeit diskutiert wird, erachtet man den zweiten Aspekt, nämlich den des Internets als Raum wohl nicht als diskussionswürdig.

Aber gerade die Idee vom virtuellen Raum oder dem Cyberspace verstellt den Blick auf einige zentrale Aspekte des angeblich tobenden Kulturkampfs. Man mag bestimmte Communities und Plattformen als (virtuelle) Räume betrachten. Davon zu trennen ist aber die technische Infrastruktur. Und genau die bildet den Anknüpfungspunkt der staatlichen Regulierung von Inhalten.

Wer postuliert, im Internet müssten alle Regeln des Rechtsstaats umgesetzt werden, meint in Wahrheit, dass technische Dienstleister wie Zugangsprovider dazu verpflichtet werden sollen, technische Standards zu manipulieren, weil der Staat dies als opportune Möglichkeit zur Durchsetzung des Sicherheits- und Strafrechts betrachtet.

Dies allerdings ist eine Vorgehensweise, die in der realen Welt so nicht praktiziert wird. Derjenige, der lediglich eine technische Leistung erbringt und seinen Kunden Zugriff auf eine Infrastruktur bietet, soll in staatlichem Auftrag rechtswidrige Inhalte im Netz bekämpfen. Ist das tatsächlich seine Aufgabe? Kann man das von ihm verlangen oder sollten technische Leistungen nicht vielmehr als neutral bewertet werden? In Wirklichkeit geht es also um die Frage der Technikneutralität des Netzes, eine Frage die man in anderen Bereichen erst gar nicht stellen würde.

Letztlich passiert bei den Sperrvorhaben nichts anderes, als dass man vom Betreiber einer Straße verlangt, den Weg zum Täter zu versperren, damit dadurch der Verkehr mit dem Täter abgeschnitten wird. Nachdem aber noch eine Vielzahl anderer Straßen zum Täter führen, auf die problemlos ausgewichen werden kann und außerdem durch diese Maßnahme auch andere Verkehrsteilnehmer, die die zu sperrende Straße benutzen wollen, beeinträchtigt werden, würde man Derartiges in der Offline-Welt als geradezu töricht empfinden. Zumal die Polizei ungefähr weiß, wo sich der Täter befindet und ihn dingfest machen könnte.

Während die Bundesregierung unter Federführung der Minister von der Leyen und zu Guttenberg nunmehr einen Gesetzesentwurf zur Blockade einzelner virtueller Straßen in den Bundestag eingebracht hat, sprechen sich die Unterstützer einer Petition gegen dieses Gesetzesvorhaben und dafür aus, die Personalkapazitäten der Polizei nicht für wirkungslose Straßensperren zu vergeuden, sondern darauf zu verwenden, den Täter zu ergreifen und die von ihm in Umlauf gebrachten strafbaren Inhalte zu beseitigen. „Löschen statt sperren“ lautet die Forderung.

Wenn gesagt wird, dass online dieselben Regeln gelten müssen wie offline, dann kann ich dem nur zustimmen. Genau deshalb sollte man online nicht Dinge tun, die man in der realen Welt als geradezu absurd empfinden würde.

In der Debatte um die „Sperrung“ kinderpornografischer Websites wird weder ein rechtsfreier Raum propagiert noch ein (neuer) Kulturkampf ausgefochten. Vielmehr fordern die Sperrkritiker nur die Beachtung der Gesetzmäßigkeiten der Vernunft ein. Es gilt, die Zusammenhänge und deren Bedeutung zu erkennen und danach zu handeln. Und mit Kant möchte man manchem Politiker zurufen: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Das Zeitalter der Aufklärung ist möglicherweise noch nicht zu Ende oder es erlebt gerade eine Renaissance. Denn es geht nach wie vor darum, überholte Vorstellungen und Ideologien zu beseitigen und Akzeptanz für neu erlangtes Wissen zu schaffen. In diesem Sinne handelt es sich vielleicht doch um eine Art Kulturkampf. Der tobt allerdings seit Jahrhunderten.

posted by Stadler at 10:20  

Ein Kommentar

  1. […] den Missbrauch von Kindern verhindern kann…. dass das Internet ein rechtsfreier Raum wäre…. dass man mit Vorratsdatenspeicherung Telefone abhören könne…. dass Rabattmarken sammeln […]

    Pingback by pfeff.eroni.de - Ich habe Angst ... — 27.11, 2010 @ 19:51

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