Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.5.09

Die Uneinsichtigkeit der Ursula von der Leyen

Die Online-Petition gegen Netzsperren wird von immer mehr Menschen unterzeichnet. Dennoch zeigt sich Familienministerin von der Leyen unbeeindruckt. Das Hamburger Abendblatt zitiert sie mit den Worten: „Eine zivilisierte Gesellschaft, einschließlich der Internetgemeinschaft, die Kinderpornografie ernsthaft ächtet, darf auch im Internet nicht tolerieren, dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann. (…) Das Leid der Opfer ist real, nicht virtuell. Jeder Klick und jeder Download verlängert die Schändung der hilflosen Kinder„.

Frau von der Leyen argumentiert emontional, was in Wahlkampfzeiten nicht ungewöhnlich ist, aber sie argumentiert vor allen Dingen falsch.

Die Ministerin will mit ihren Aussagen erneut den Eindruck erwecken, man würde an jeder Ecke des Internet auf Kinderpornografie stoßen und dem könne durch Zugangsblockaden der Provider entgegengetreten werden. Beides ist unzutreffend. Richtig ist vielmehr das Gegenteil.

Man hat nämlich mit der naheliegenden Möglichkeit zu rechnen, dass das geplante Gesetz zur Sperrung kinderpornografischer Websites die Zahl der Zugriffe auf derartige Inhalte sogar noch erhöhen wird, anstatt sie zu verhindern. Genau diesen Effekt hatten nämlich die ersten in Deutschland praktizierten Sperrungsanordungen im Jahre 2002 zur Folge. Die Bezirksregierung Düsseldorf verpflichtete Provider in NRW dazu, zwei Neonazi-Sites zu sperren, die in Nordamerika gehostet wurden. Dadurch haben die bis dahin in Deutschland wenig bekannten Sites einen deutlichen Bekanntheitsschub erfahren, die Zugriffe sind sprunghaft angestiegen. Einen ähnlichen Effekt wird auch die nunmehr geplante Verwendung von Sperrlisten auslösen. Die Sperrlisten sämtlicher Staaten, die derartige Zugangsblockaden bereits praktizieren, sind im Internet veröffentlicht. Dasselbe wird auch mit der deutschen Sperrliste innerhalb kürzester Zeit passieren.

Dadurch werden Neugierige angelockt und den Pädophilen wird eine „Top-List“, die direkt vom BKA erstellt worden ist, als Surfvorlage frei Haus geliefert. Das Risiko in die Fänge des BKA zu geraten, ist aus Sicht der Pädophilen gering. Denn wer im Netz regelmäßig solche Inhalte aufruft, ist nicht so naiv, hierfür den Domain-Name-Server eines großen deutschen Providers zu benutzen, sondern trägt stattdessen in seinen Browser einfach einen alternativen Name-Server ein. Die eigentlichen Täter kann man so weder abhalten noch ermitteln. Stattdessen erzeugt man künstlich zusätzliche Zugriffe, die es ohne Sperrlisten nicht geben würde und fördert die Verbreitung von Kinderpornografie damit sogar noch.

Wenn sich die Bundesregierung ernsthaft mit den Erfahrungen aus den skandinavischen Ländern befasst hätte, dann wäre ihr auch nicht entgangen, dass die schwedische Polizei mittlerweile ernüchtert feststellen musste, dass die Sperren dort zu keinem erkennbaren Rückgang von Straftaten der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte geführt haben.

Wer die Kinder schützen will, muss sich deshalb gegen das Vorhaben von Netzsperren aussprechen und seinen Blick auf wirkungsvolle Maßnahmen richten. Frau von der Leyen hat sich möglicherweise nur verrannt. Aber das wird sie gerade in Wahlkampfzeiten niemals zugeben. Und aus diesem Grund steht zu befürchten, dass ein sinnloses Gesetz, das nicht dem Schutz der Kinder dient, dafür aber die Gefahr beinhaltet, die Rechte Unbeteiligter zu beeinträchtigen, in Kraft treten kann. Und aus diesem Grund steht mein Name auf der Liste der Mitzeichner der Online-Petition.

posted by Stadler at 16:05  

7 Comments

  1. Ja super. Sobald 62.000 Erwachsene unterschrieben haben werden, ist schon ein glattes Promille aller Wahlberechtigten zusammen. Das sollte dann doch wirklich reichen, um den sofortigen Rücktritt von Frau von der Leyen oder am besten gleich der ganzen Bundesregierung zu erzwingen.

    Comment by Conny — 8.05, 2009 @ 16:46

  2. Schade, dass diese oder eine ähnliche Begründung keinen Eingang in die Petition gefunden hat…

    Comment by Anonymous — 8.05, 2009 @ 17:25

  3. Noch Richtiger wäre
    „Wer im Netz regelmäßig solche Inhalte aufruft , wird sich grundsätzlich sogar eher überlegen gleich ganz Anonymisierungsdienste zu verwenden“
    Spätestens wenn jemand nach einer Stop Seite absichtlich weiter machen will , wird er zwischen 2 möglichkeiten Entscheiden können
    1) DNS Server zu verändern
    2) TOR
    Während bei 1) noch die klassische Strafverfolgung möglich wäre , z.b durch Severlogs die das BKA vielleicht dann doch vom eigentlichen Hoster bekommen würde, wäre nach 2) schnell schluss.
    Ist es der Sinn diese Leute dazu zu animiern sich Tor zu installieren ?
    Ich würde mal behaupten man erwischt zu 90% eh nur die Leute , die zu naiv sind um solche Dienste zu nutzen.. Nur diese Naivität wird abnehmen, wenn großflächig bekannt wird dass man beim Besuch der Stop Seite geloggt wird.. klasse.. wie soll man das einen Mißbrauchten Kind klarmachen ? „Die Leute die deine Pornos ansehen wollen, können dank der Regierung schlechter ermittelt werden , wir bekommen nur die Leute die deine Pornos eigentlich eh nicht sehen wollen….“

    Comment by Anonymous — 8.05, 2009 @ 19:08

  4. Hallo,

    ich empfehle die letzte ZAPP-Sendung. Da war ein interessanter Bericht über Frau vdLeyen. Vermutlich werden da die Motive der Frau Ministerin nachvollziehbar:

    http://www3.ndr.de/sendungen/zapp/media/zapp3290.html

    Viel Spaß.

    Comment by Anonymous — 9.05, 2009 @ 01:16

  5. Schreibt Herrn zu Guttenberg eure Meinung:
    Bei http://www.zuguttenberg.de/ gibt es ein Kontaktformmular.

    Wenn seine Mailbox platzt, wird er vielleicht wenigstens mal kurz nachdenken bevor er das nächste mal in ein Mikro schwafelt.

    Comment by icke — 9.05, 2009 @ 09:21

  6. Guter, kompetenter Artikel.

    Jetzt gilt es, Franziska Heine den Rücken zu stärken, denn die Rufmordkampagne gegen sie wird sicher bald beginnen. Ignoranz (Politiker) und Argumentendreher (konservative Presse) sind die ersten Anzeichen.

    Comment by eMaster — 9.05, 2009 @ 12:26

  7. Kann man denn nicht auch als DSL-Kunde gegen die DSL-Provider, die bereits heute schon aufgrund der vertraglichen Verpflichtung mit dem BKA Internetseiten sperren, rechtlich vorgehen?

    Arcor hat bspw. in seinen AGBs stehen:

    Arcor ermöglicht das Übermitteln von IP-Paketen zwischen den an das Internet angeschlossenen Rechnern.

    Nun wird jedoch durch die freiwillige Sperre die Übermittlung an alle an das Internet angebundene Rechner eingeschränkt bzw. verhindert und nach meiner Ansicht erfüllt der Provider nicht mehr zu 100 % seine vertragliche Pflicht im Sinne eines uneingeschränkten Internetzugangs. Außerdem fühle ich mich in meinem Grundrecht gem. Art. 5 Abs. 1 GG eingeschränkt.

    Allerdings würde ein Rechtsstreit aufgrund des heiklen Themas einiges an Mut erfordern, denn ich bin mir sicher, dass man nach relativ kurzer Zeit in die Schublade der „Pädokriminellen“ geschoben wird, obwohl man sich ganz deutlich für die Bekämpfung, aber mit anderen Mitteln ausgesprochen hat.
    Der Begriff „Kinderpornografie“ wird nun mal als Totschlagargument missbraucht, um Zensurstrukturen zu schaffen. Durch Sperrungen werden leider keine Kinder vor diesen Schwerkriminellen geschützt, wie die Erfahrungen mit Internetsperren in Schweden bewiesen haben.

    Ich hoffe, dass die Bundesregierung endlich einsieht, dass sie sich viel mehr Fachkompetenz bezüglich IT aneignen muss, um auf diesen Gebieten sinnvolle und erfolgsversprechende Gesetze erlassen zu können.

    Comment by Anonymous — 9.05, 2009 @ 14:04

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