Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.4.09

Welches Massengeschäft will von der Leyen eigentlich eindämmen?

Wenn man sich die öffentlichen Äußerungen von Familienministerin Ursula von der Leyen und Wirtschaftsminister Karl- Theodor von und zu Guttenberg (CSU) zum Thema Netzsperren anschaut, so fällt auf, dass beide mantraartig wiederholen, den Markt der Kinderpornografie austrocknen zu wollen und das Massengeschäft mit Kinderpornografie einzudämmen und dadurch weniger lukrativ zu machen.

Warum wird dieser Punkt von den Journalisten nicht stärker hinterfragt? Denn die Unrichtigkeit der Aussagen der beiden Bundesminister erschließt sich unter Beachtung der Gesetzmäßigkeiten der Denklogik aus sich selbst heraus.

Ob es für Kinderpornografie tatsächlich einen kommerziellen Massenmarkt gibt, ist eine Frage, bei der sich die Antwort nicht ohne weiteres aufdrängt. Zumindest gibt es aber bislang keine ausreichenden Anhaltspunkte für die These vom Massengeschäft und die Bundesregierung hat dafür auch keine Belege geliefert.

Aber unterstellen wir einfach, es gäbe einen solchen Massenmarkt und einer der Vertriebswege dieses Marktes wäre das Web. Dann müssten Frau von der Leyen und Herr von und zu Guttenberg zumindest erklären können, wie dieses Massengeschäft konkret funktioniert, insbesondere, mit welchen Bezahlmodellen gearbeitet wird.

Die geplanten Zugangssperren richten sich jedenfalls ausschließlich gegen im WWW frei zugängliche Websites. Mit frei abrufbaren, kostenlosen Websites können aber keine Milliardenumsätze erzielt werden.

Die Sperrung frei zugänglicher Websites ist also von vornherein nicht geeignet, einen Massenmarkt zu stören.

Entweder ist also die These vom Massenmarkt falsch oder die Zugangssperren stellen von Anfang an ein gänzlich untaugliches Mittel zur Bekämpfung der Kinderpornografie dar. Man sollte den Leuten deshalb nicht ernsthaft erzählen, mit der Sperrung des Zugangs zu frei zugänglichen Webangeboten, einen Massenmarkt empfindlich stören zu können. Denn gerade das ist denklogisch ausgeschlossen.

Es ist daher auch wenig erstaunlich, dass in Schweden insoweit keinerlei Erfolg erkennbar ist, denn das was sich die Bundesregierung angeblich erhofft, kann nicht eintreten.

Für diejenigen, die dies erkannt haben, stellt sich die Folgefrage, ob Frau von der Leyen und Herr von Guttenberg tatsächlich so naiv sind, oder sich nur naiv geben. Nachdem man der gesamten Bundesregiegerung ein solches Maß an Borniertheit nicht zutraut – obwohl man das vielleicht tun sollte – fragt man sich im Anschluss natürlich, welche Ziele mit dem Vorhaben in Wirklichkeit verfolgt werden.

Nach meinem Eindruck geht es vordergründig darum, mit diesem Wahlkampf zu machen. Hierfür spricht gerade auch der Umstand, dass man das Gesetezsvorhaben noch vor den Bundestagswahlen durch den Bundestag peitschen möchte. Nachdem in einigen anderen europäischen Staaten – allerdings ohne erkennbaren Erfolg – Access-Sperren schon seit Jahren praktiziert werden, ist es mehr als erstaunlich, dass die Bundesregierung die gesamte Legislaturperiode über untätig bleibt, um ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl urplötzlich und medienwirksam aktiv zu werden.

Die guten Menschen von der Leyen und von Guttenberg missbrauchen ein ernstes Thema zum Zwecke eines populistischen und schändlichen Wahlkampfs.

posted by Stadler at 12:35  

6 Comments

  1. So wirklich glaubt Frau von der Leyenhaft wohl selbst nicht an den Unsinn.

    Comment by RA JM — 27.04, 2009 @ 13:26

  2. Naja, die eine Sperre hilft schon gegen Webseiten, die gegen Bezahlung (kinder-) pornografisches Material anbieten. Ich habe vor wenigen Jahren eine Präsentation eines BKA-Ermittlers gesehen, der solche kostenpflichtigen Seiten (unverpixelt) präsentiert hat. Also scheint es einen kommerziellen Markt schon zu geben.
    Es sollte eher hinterfragt werden, warum es diesen Markt gibt. Die damals relevanten Staaten Russland und Ukraine sind alle Mitglieder der OSZE!

    Comment by Anonymous — 27.04, 2009 @ 13:49

  3. Einen Bezahlserver zu sperren, bringt gar nichts, denn dann wird das Zeug über andere Kanäle verbreitet, z.B. auf dem Postweg. Soll demnächst auch noch die ganze Post kontrolliert werden?

    Wenn man einen Markt austrocknen will, dann muß man dafür sorgen, daß der Marktpreis gegen Null geht.

    Sicher mag es solche kostenpflichtigen Seiten geben. Aber daraus einen Massenmarkt zu konstruieren, ist schlichtweg eine Unverfrorenheit.

    Das eigentlich skandalöse ist das Besitzverbot. Nehmen wir mal an, ein hoher BKA-Beamter sei in einen Kindesmißbrauch verwickelt und wurde dabei gefilmt. Nach derzeitiger Gesetzeslage dürfen wir uns das nicht einmal ansehen, und nach den künftigen Plänen könnte ein Kollege das Dokument einfach verschwinden lassen. Das Besitzverbot ist eine nicht hinnehmbare Bevormundung!

    Comment by Anonymous — 28.04, 2009 @ 04:08

  4. Grundsätzlich ein guter und argumentativer Beitrag, allerdings mit einem wesentlichen Fehler – sie verwenden den Begriff „Denklogik“. Der ganze Ablauf ist aber bisher frei von jeglicher Hirnaktivität und geprägt durch geistige Aufnahmeverweigerung.

    Tatsächlich muss man hier auch einer Politikerin unterstellen, dass sie offenbar bisher noch keine eigenen Denkprozesse ausgeführt hat, sondern aus dem Hintergrund als Sprechpuppe Ursel aktiviert wird. Dies legt auch die oft geäußerte Vermutung nahe, dass es hier in Wirklichkeit um größere Dinge geht, als ein paar freie PseudoKiPo Seiten zu sperren.

    Bisher stehen ja auch nur eine Fülle von unbestätigten Aussagen im Raum, die als Sau dienen die man durchs Dorf treibt, sei es nun das wiederaufleben des Snuff Märchens, die 400.000 Klick Legende, oder wie von Ihnen angeführt, das Milliardengeschäft.

    Der Erfolg ist aber nun mal garantiert, da die breite Masse des deutschen Volks inzwischen auch darauf verzichtet einen Denkvorgang auszuführen und gleichzeitig auch, wie von Ihnen ja beanstandet, die breite Masse der Medien unkritisch und denkbefreit einfach nur noch Pressemeldungen übernimmt, ohne Sinn und Wahrheit zu prüfen.

    Comment by Hirn Reloaded — 28.04, 2009 @ 07:18

  5. Es könnte auch um einen Dammbruch gehen, ist die Freiheit des Internet in demokratischen Staaten erst einmal beschnitten, istdie Schwelle zu weiteren Entwicklungen geringer.

    Comment by Norma — 28.04, 2009 @ 10:25

  6. Davon würde ich nicht ausgehen. Zwar liegt unbestritten eine „Dynamik des Bösen“ in der Sache, die aber eher selbstorganisierend ist und ohne absichtsvollen Masterplan auskommt. Destruktivität ist nunmal ungleich effizienter, als Konstruktivität. Frau von der Leyen dürfte es wie immer nur um den populistischen Effekt gehen. Wer öffentlich gegen Pappfiguren wie „Terror“, „Klimawandel“ und „Kinderporno“ trampelt, lebt ungleich leichter, als er es durch eine differenzierte Debatte je haben könnte. Zudem setzt er den politischen Gegner dem Verdacht aus, nichts gegen die Übel in der Welt unternehmen zu wollen oder diesem gar zugehörig zu sein – ein Doppelschlag ins Gesicht und unter die Gürtellinie, den Sie im Medienzirkus der verkürzten Botschaften nicht bestehen werden. Dieses Spiel der destruktiven Kommunikation hat insbesondere die CDU über Jahrzehnte geübt. Die Mitleidenschaft der freiheitlichen Grundordnung ist eher ein Kollateralschaden.

    Comment by gonsior — 28.04, 2009 @ 14:12

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