In Absurdistan: Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur "Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen"
Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf wie erwartet verabschiedet, die erste Lesung soll bereits am 06.05.09 im deutschen Bundestag stattfinden.
Nachdem – entgegen früher Aussagen der Bundesregierung – nunmehr auch die IP-Adressen der Nutzer mitgeloggt werden, die auf eine „gesperrte“ Site zugreifen, hat sich Justizminsterin Zypries gegenüber Heise zu einer interessanten Aussage hinreißen lassen.
Eine Strafbarkeit liege laut Zypries schon dann vor, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung gehandelt habe.
Die Beweislastumkehr jetzt auch im Strafrecht? Es muss immer noch konkret nachgewiesen werden, dass der Täter den Straftatbestand vorsätzlich erfüllt hat. Innere Umstände wie vorsätzliches Verhalten sind aber häufig schwer feststellbar, weshalb man bei solchen subjektiven Elementen von äußeren Umständen auf die Motivation des Täters schließt. Hier müssen aber die Besonderheiten des Web beachtet werden und insbesondere der Umstand, dass man vorher nie genau weiß, welcher Inhalt einen erwartet, wenn man auf einen Link klickt. Nachdem Frau Zypries bekanntlich aber noch nicht einmal weiß, was ein Browser ist, sollte man ihr gerade bei diesem Thema kein überhohes Maß an Sachverstand unterstellen.
Langsam erkenne ich auch, warum die Fälle von Kinderpornografie nach den Erkenntnissen der Bundesregierung derzeit so stark zunehmen. Deutsche Kriminalitätsstatistiken leiden bekanntlich seit jeher darunter, dass nicht etwa (nur) verurteile Fälle in der Statistik auftauchen, sondern einzig und allein (polizeiliche) Verdachtsfälle aufgenommen werden, was freilich wenig aussagt über die Zahl tatsächlich begangener Straftaten.
Denn 300.000 – 450.000 Zugriffe auf gesperrte Seiten pro Tag – diese Zahlen durfte Wirtschaftsminister von und zu Guttenberg gestern nochmals in der FAZ zum Besten geben – ergibt wieviele Straftaten im Jahr? Schwindelerregend. Dass sich Herr von und zu Guttenberg für seine Berechnungen desselben Milchmädchens bedient wie Frau von der Leyen, hat die FAZ leider nicht erwähnt.
Interessant ist sicher auch die Frage, wie es um den Rechtsschutz derjenigen bestellt ist, die zu Unrecht auf die Sperrliste gesetzt werden. Diese Frage dürfte vor den Verwaltungsgerichten überprüfbar sein.
Man muss auch kein Prophet sein, um sagen zu können, dass laufend Websites fälschlicher Weise auf diesee Sperrliste landen und damit täglich Unschuldige pönalisiert werden. Bei dieser Sachlage muss man eigentlich sogar hoffen, dass die Verwaltungsgerichte mit Klagen und Eilanträgen überhäuft und die Staatsanwaltschaften mit Strafverfahren der Zyprieschen Lesart geflutet werden, damit wirklich jeder das Ausmaß des Irrsinns erkennt. Das Tragische daran ist nur, dass die hierauf verwendeten behördlichen Ressourcen dann bei der Bekämpfung der wirklichen Kinderpornografie fehlen werden.
Dieser Kabinettsbeschluss ist deshalb ein Lehrstück des politischen Versagens. Dass das Vorhaben im Bundestag gleichwohl eine Mehrheit finden wird, muss angesichts der Abnickmentalität die bei den meisten Abgeordneten vorherscht, als sicher gelten. Dennoch sollte man jetzt die Abgeordneten ansprechen, anschreiben und sie mit den Fakten konfrontieren.