Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte im Internet
In einem Aufsatz für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Computer und Recht (CR) setzt sich Niko Härting mit dem Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten bei Veröffentlichungen im Internet auseinander.
Härting beschäftigt sich in seinem Beitrag „Prangerwirkung und Zeitfaktor“ (CR 2009, 21) vor allem mit der Frage, inwieweit Menschen im Netz namentlich benannt werden dürfen und ihre Person bzw. ihr Verhalten geschildert, bewertet und kritisiert werden darf. Diese Fragen wurden in jüngster Zeit vor allem im Zusammenhang mit Bewertungsportalen wie „spickmich.de“ und „mein-prof.de“ diskutiert und waren auch schon Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Das OLG Köln hat in seiner Entscheidung „spickmich.de“ der Meinungsfreiheit den Vorzug vor den Persönlichkeitsrechten der bewerteten Lehrer gegeben. Gegen diese Entscheidung ist Revision zum BGH eingelegt worden.
Härting formuliert in der Zusammenfassung seines Aufsatz dann 14 Thesen zu Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsrechten und Datenschutz im Netz. Interessant ist hierbei aus meiner Sicht vor allem seine Ansicht, dass Meinungsäußerungen zu Personen schon keine personenbezogenen Daten i.S.v. § 3 Abs. 1 BDSG darstellen, soweit die Äußerung nur Werturteile enthält. Im übrigen meint Härting, müsse sich datenschutzrechtlich ein legitimes Informationsinteresse in der nach § 28 Abs. 1 BDSG durchzuführenden Interessenabwägung regelmäßig durchsetzen.
Diese Fragen sind noch weitgehend ungeklärt, aber von erheblicher praktischer Relevanz. Denn das Datenschutzrecht wird häufig dann ins Feld geführt, wenn der Betroffene in Wahrheit eine unliebsame Meinungsäußerung verhindern will. Für die klassische Presse wurde deshalb im Datenschutzrecht ein Medienprivileg geschaffen, das sich im Internetzeitalter als zu eng erweist. Hier besteht durchaus gesetzgeberischer Handlungsbedarf, weil es nicht Sinn und Zweck des Datenschutzrechts ist und war, offene und kritische Kommunikation zu unterbinden. Das geltende Datenschutzrecht eröffnet aber leider die Möglichkeit, gerade das zu tun. Bislang ist die Zulässigkeit der Datenverarbeitung und Datenübermittlung, gerade auf Bewertungsplattformen, an § 28 Abs. 1 und an § 29 Abs. 1 BDSG zu messen.
Art. 9 der Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) verlangt für die Datenverarbeitung zu journalistischen, künstlerischen und literarischen Zwecken Ausnahmen vorzusehen, um das Recht auf Privatsphäre mit der Meinungsfreiheit in Einklang zu bringen. Ob der deutsche Gesetzegeber diese Vorgabe ausreichend umgesetzt hat, kann man ohnehin bezweifeln. Man wird unter die journalistische Datenverarbeitung auch den nichtprofessionellen Onlinejournalismus fassen müssen, wie wir ihn beispielsweise in Blogs finden, so dass bei richtlinienkonformer Auslegeung des deutschen Rechts insoweit ein Medienprivileg bestehen dürfte. Da man aber Bewertungsportale schwerlich noch als journalistisch einstufen kann, liegt insoweit eine Regelungslücke vor, die im Interesse der Meinungsfreiheit zu schließen ist.
Vielleicht sollte man aber tatsächlich, wie Härting es tut, die Frage stellen, ob bloße Meinungsäußerungen über Personen, Einzelangaben über sachliche oder persönliche Verhältnisse einer natürlichen Person darstellen. Dieser Weg wird dennoch in vielen Fällen keine Lösung bieten, da häufig auch Tatsachenbehauptungen über die fraglichen Personen hinzukommen, die in jedem Fall als personenbezogen zu qualifizieren sind.