Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.12.08

Die Renaissance der Sperrungsverfügungen

Im Jahre 2002 hat die Bezirksregierung Düsseldorf als erste deutsche Sicherheitsbehörde Sperrungsanordungen gegenüber Internet Service Providern erlassen. Gestützt wurden diese Verwaltungsakte auf den damaligen Mediendienstestaatsvertrag. Die Sperrungsverfügungen sind in der rechtswissenschaftlichen Diskussion überwiegend auf Kritik und Ablehnung gestoßen. Zuletzt hatte ein ausführliches Rechtsgutachten des Max Planck Instituts die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen für Sperrungsanordnungen als nicht verfassungskonform eingestuft. Eine abschließende rechtliche Klärung durch das BVerwG oder gar das BVerfG steht leider weiterhin aus. Auch in technischer Hinsicht sind Sinn und Nutzen derartiger Sperrungsanordnungen bezweifelt worden, u.a. deshalb weil die Inhalte technisch gesehen gar nicht gesperrt werden, sondern der Zugangsprovider nur versucht, die zu sperrenden Inhalte vor seinen Kunden zu verbergen, während der Content im Netz verbleibt.

Obwohl die Verwaltungsgerichte in NRW die Sperrungsverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf unbeanstandet gelassen haben, ist anschließend mehrere Jahre lang Ruhe eingekehrt.

Die Diskussion hat in den letzten Wochen wieder Fahrt aufgenommen, u.a. durch Ankündigungen der Bundesfamilienministerin von der Leyen die Zugangsprovider zur Sperrung kinderpornographischer Inhalte verpflichten zu wollen. Die Ministerin will hierfür auch das Telemediengesetz ändern.

Speziell zur Beseitigung kinderpornographischer Inhalte erscheinen Sperrungsverfügungen als in noch stärkerem Maße ungeeignet als bei rechtsradikalen Inhalten. Kinderpornographie ist praktisch in allen zivilisierten Ländern der Welt gesellschaftlich geächtet und strafbar. Es besteht also anders als bei rechtsradikalen Inhalten die Möglichkeit, durch internationale Zusammenarbeit der Behörden, die tatsächlichen Betreiber vor Ort zu greifen, was auch das einzig effektive Mittel zur dauerhaften Verbannung solcher Inhalte darstellt. Außerdem wird sich kein einziger Konsument von kinderpornographischen Inhalten, der ohnehin immer im Verborgenen und in eigenen inneren Zirkeln agiert, davon abhalten lassen, Sperrmaßnahmen, die einfach zu umgehen sind, auch tatsächlich zu umgehen. Zur Bekämpfung der Kinderpornographie ist dieses Instrumentarium deshalb denkbar ungeeignet. Der Vorstoß von der Leyens dient wohl auch nur dem Zweck, der Öffentlichkeit vorzugaukeln, die Politik würde handeln.

Außerdem scheinen die Bundesländer, gestützt auf den Glückspielstaatsvertrag, zu beabsichtigen, Webseiten von Glückspielbetreibern, die ihren Sitz formal stets im Ausland haben, sperren zu lassen.

Erste derartige Sperrungsanordungen sind z.B. von der Bezirksregierung Düsseldorf auch bereits erlassen worden, wenngleich die Bezirksregierung dies bislang nicht öffentlich kommuniziert. Die Zielrichtung sind in diesem Fall nicht (nur) die Access-Provider, sondern im Inland sitzende Personen wie Registrare, Admin-C oder Tech-C. Dass § 9 des Glücksspielstaatsvertrag hierfür eine ausreichende Grundlage bietet, darf noch stärker bezweifelt werden, als bei den seinerzeit auf den Medienstaatsvertrag gestützten Anordungen, zumal Registrare keine Diensteanbieter im Sinne des TMG sind.

Die neuen Verfügungen legen auch inhaltlich noch kräftig zu. Eine mir vorliegende Sperrungsverfügung beinhaltet ergänzend die zeitlich befristete Verpflichtung, den Regierungspräsidenten als Domaininhaber einzutragen!

Nachdem die Registrare und sonstigen Dienstleister rund um die Domain, nicht diejenigen sind, die mit dem Glückspiel Geld verdienen, dürfte für sie der einfachste Weg darin bestehen, die Verfügungen zu befolgen und den Vertrag mit dem Domaininhaber zu kündigen. Die höchstrichterliche oder verfassungsgerichtliche Klärung wird deshalb weiter auf sich warten lassen.

posted by Stadler at 09:37  

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