Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.6.19

BGH zur Haftung für Uploads durch Dritte

In welchem Umfang haftet ein Fernsehsender (hier der MDR), wenn ein Dritter einen persönlichkeitsrechtsverletzenden Filmbericht bei YouTube und Facebook einstellt? Mit dieser Frage hatte sich der BGH (Urteil vom 09.04.2019, Az.: VI ZR 89/18) unlängst zu beschäftigen. Anders als das Oberlandesgericht hält der BGH eine Haftung des MDR (für Abmahnkosten) für denkbar.

Der BGH geht zunächst davon aus, dass der MDR die Erstveröffentlichung durch die Ausstrahlung und das Einstellen des Films in die ARD-Mediathek verursacht hat und insoweit auf Unterlassung und Schadensersatz haftet. Für die Folgefrage der Einstellung bei YouTube geht der BGH von der tatbestandlichen Feststellung des Berufungsgerichts aus, dass der Uploader den Filmbericht aus der Mediathek hochgeladen hat. Diese tatbestandliche Feststellung ist möglicherweise falsch, aber wegen § 314 Abs. 1 ZPO für den BGH bindend.

Sodann nimmt der BGH an, dass die von den Uploadern bewirkten Rechtsverletzungen dem MDR zuzurechnen sind. Der BGH bekräftigt damit seine bisherige Rechtsprechung, nach der sich durch die Weiterverbreitung im Internet, sei es durch Verlinkung oder erneutem Upload, eine internetetypische Gefahr verwirklicht, welche gerade durch die Erstveröffentlichung geschaffen wurde. Die hiergegen in der juristischen Literatur erhobene Kritik, dass dies jedenfalls dann nicht gelten könne, wenn der Dritte einen Beitrag urheberrechtswidrig weiterverbreitet, weil dies nicht dem Willen des Erstveröffentlichenden entspreche und dieser gleichsam selbst Opfer einer Rechtsverletzung sei, überzeugt den BGH nicht. Für die Zurechnung einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die durch die Weiterverbreitung eines Beitrags durch Dritte im Internet entstanden ist, sei vielmehr allein die Frage maßgebend, ob in ihr die vom Erstveröffentlicher geschaffene Gefahr fortwirkt.

Der BGH erkennt, dass diese recht starre Betrachtung in Konflikt mit Art. 5 GG stehen könnte, weil von ihr eine veröffentlichungshemmende Wirkung ausgeht. Hier meint der BGH aber, dass abträgliche Effekte auf den Gebrauch von Presse- und Meinungsfreiheit oder gar ein „existenzbedrohender Einschüchterungseffekt“ weder zu befürchten noch eingetreten seien. Das mag man im Fall eines öffentlich-rechtlichen Senders so bewerten. Ob das aber ausnahmslos so gesehen werden kann, darf bezweifelt werden.

Wer im Internet Texte oder Filme veröffentlicht, muss also laut BGH immer damit rechnen, dass diese (auch rechtswidrig) weiterverbreitet werden und haftet deshalb nach deliktischen Grundsätzen regelmäßig auch für solche Rechtsverletzungen, die erst durch das Handeln Dritter entstehen.

posted by Thomas Stadler at 10:43  

2 Comments

  1. Das entscheidende fehlt hier. Wenn mich jemand durch Lügen verunglimpft, darf es nicht darauf ankommen, auf welchem Weg ich davon erfahren habe. Was aber ist, wenn der Urheber, hier der MDR, die Falschbehauptung zurückgezogen, richtiggestellt und alles ihm mögliche getan hat, um die Weiterverbreitung zu verhindern? Ist das hier überhaupt der Fall? Warum steht dazu nichts?

    Eine andere Frage ist, was passiert, wenn ich dokumentieren möchte, daß jemand, der es besser hätte wissen müssen, einmal Unsinn verbreitet hatte, auch wenn er es später zurückzog. Ich muß zu diesem Zweck einen Beleg für meine Behauptung zitieren können, ohne daß mir unsinnigerweise vorgeworfen wird, ich würde eben diese Falschbaehauptung verbreiten.

    Comment by Axel Berger — 18.06, 2019 @ 12:20

  2. Was ist, wenn durch eine Falschbehauptung jemanden ein Schaden entsteht. Z.B., Auftragsverlust oder keine Anstellung in einem Betrieb.

    Ist für diesen Schaden der Äußernde verantwortlich oder nicht vielmehr der, der der Falschbehauptung Glauben schenke, ohne die Wahrhaftigkeit zu prüfen.

    Vertiefte Zensur, wie der BGH hier entschieden hat, bringt Vorteile nur für die geschäftstüchtigen Medienanwälte, nicht für die Betroffenen.

    Comment by Rolf Schälike — 4.07, 2019 @ 17:29

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