Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.3.09

Gedanken zum Fall Tauss

Die Nachricht, dass gegen den Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss ein Ermittlungsverfahren wegen Besitz kinderpornografischer Schriften eingeleitet worden ist, hat sich gestern in der Netzgemeinde wie ein Lauffeuer verbreitet. Gilt Tauss doch als kompetenter Medienpolitiker, der gerade in der Internet-Community hohes Ansehen genießt, weil er unbequeme und politisch z.T. auch unpopuläre Positionen vertreten hat und zwar allen Parteien gegenüber, auch seiner eigenen.

Die Beurteilung der Vorwürfe ist ohne Kenntnis der Fakten nicht möglich. Manche haben ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich Tauss nicht online, z.B. via Twitter rechtfertigt. Das ist allerdings etwas, was mich als Anwalt nicht erstaunt. Als sein Strafverteidiger hätte ich ihm einen Maulkorb verpasst, bevor nicht Einsicht in die Ermittlungsakte genommen worden ist. Und vermutlich genau das, hat der Kollege der ihn vertritt auch getan.

In der Presse beginnt derzeit bereits eine subtile und unfaire Form der Hetze gegen Tauss, auf die Jens Ferner zu Recht hinweist. Tauss sei in jüngster Zeit mit Äußerungen zum Thema Kinderpornografie aufgefallen, heißt es mitunter, wodurch ein Zusammenhang zum Tatvorwurf hergestellt werden soll. Bezeichnend ist z.B. eine Berichterstattung bei der Deutschen Welle, wo es wörtlich heißt: „Erst im November hatte sich der Sozialdemokrat gegen Pläne von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ausgesprochen, kinderpornografische Webseiten verbieten zu lassen.“ Das ist allerdings keine subtile Hetze mehr, sondern tendenziöser und zutiefst unseriöser Journalismus.

Richtig ist, dass sich Jörg Tauss, wie ich zum Beispiel auch, mehrfach sehr deutlich gegen das Vorhaben von Familinenministerin von der Leyen ausgesprochen hat, auf der Ebene der Zugangsprovider Sperrungsmaßnahmen durchzuführen.

Vielen fällt es schwer zu glauben, an den Vorwürfen gegen Tauss könnte etwas dran sein, auch mir. Eine Intrige gegen den unbequemen Politiker erscheint mir nicht ausgeschlossen. Denn Tauss wird jetzt möglicherweise zügig zurücktreten, bevor das Ermittlungsverfahren abgeschlossen und der Sachverhalt aufgeklärt worden ist.
Update: Guter und bedenkenswerter Artikel bei ef-online

Update 07.03.09:
Die aktuelle Berichterstattung zum Fall Tauss spricht nun davon, dass man in seiner Berliner Wohnung einschlägiges Material außerhalb von Computern gefunden habe und, dass Tauss davor unter dem Namen „Werner“ per Handy 23 Kontakte mit einem Kinderporno-Lieferanten gehabt haben soll. Wenn der Sachverhalt halbwegs so stimmen sollte, wird Jörg Tauss es in der Tat schwer fallen, das mit seiner Abgeordnetentätigkeit zu begründen. Andererseits zeigt die anwaltliche Erfahrung, dass manche „Ermittlungsergebnisse“ mit Vorsicht zu genießen sind, auch wenn sie von der Staatsanwaltschaft als eindeutig hingestellt werden.

Die Redseligkeit der zuständigen Staatsanwaltschaft ist in jedem Fall erstaunlich. Die öffentliche Vorverurteilung schreitet durch die aktuelle Berichterstattung, die sich aus Informationen der Ermittlungsbehörden speist, jedenfalls unaufhörlich voran. Irgendjemand schrieb kürzlich, die Medien und die Unschuldsvermutung seien natürliche Feinde. Wenn diese Medien dann noch von den Ermittlungsbehörden gefüttert werden, kann man kaum noch von einem fairen Verfahren sprechen.

posted by Stadler at 09:44  

8 Comments

  1. Tauss hat durchaus etwas zum Fall gesagt, auf Spiegel.de ist ein Videoausschnitt. Freilich hat er da nichts Wichtiges gesagt, nur dass er der Staatsanwalt natürlich gestattet habe, alles zu durchsuchen.

    Im gestrigen spiegel-online-Bericht soll er dann auch gesagt haben, er habe Kinderpornos aus "beruflichen Gründen" für seine Arbeit im Bundestag gehabt. Klingt etwas unseriös und muss sich auch erst bestätigen.

    Inzwischen ist Tauss auch von den weniger wichtigen Ämtern (BaWü-Chef & Co.) zurückgetreten, nicht jedoch vom Abgeordneten-Mandat. Wohl eine Vorsichtsmaßnahme, um möglichen Schaden nur auf sich und nicht auf die Partei zu ziehen.

    Vermutlich wird es in wenigen Tagen detailiertere Infos geben, zB ob es sich wirklich um solche Bilder handelt und wofür genau er diese gebraucht hat (der Fund wird ja offenbar nicht mehr abgestritten). Interessant könnte das dann schon werden, denn ein "Abgeordnetenprivileg" ist ja in §§ 184b,184c StGB nicht vorgesehen und auch nur schwer zu begründen.

    Scheint wohl generell ein interessantes Jahr für Strafrechtler zu werden: Der eine Ministerpräsident tötet eine Frau, der andere Politiker schmuggelt Drogen ins Land und ein bekanntere "Netz"-Politiker hat KiPo. Was kann da noch das toppen?

    Comment by Anonymous — 6.03, 2009 @ 11:15

  2. 184b Abs. 5 StGB wäre wohl schon einschlägig, wenn wann in seinem Büro kinderpornographisches Material findet, das er im Zusammenhang mit seiner Abgeordnetentätigkeit recherchiert hat.

    Die Frage wird z.B. aber auch sein, was es mit dieser MMS auf sich hat.

    Comment by Pavement — 6.03, 2009 @ 13:39

  3. Soweit ich den Spiegel.de-Berichten trauen kann, wurden die Bilder aber in seiner Privatwohnung gefunden. Siehe: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,611753,00.html

    Auch leuchtet es mir nicht ein, welche dienstlichen Gründe für einen Abgeordneten es geben sollte. Bei RA, StA und sonstigen Verfahrensbeteiligten ist dies erkennbar. Dafür wurde offensichtlich die Vorschrift gemacht. Aber Abgeordnete? Worin soll der Grund bestehen? Anschauungsmaterial zum Ekeln? Überprüfen von Filtersoftware? Klingt recht weit hergeholt und wird wohl seinem Verteidiger noch arge Kopfschmerzen bereiten. Wenn in den nächsten Tagen keine Wendung eintreten sollte, kann sich Tauss schon mal auf die Anklage vorbereiten.

    Dass das in einer Zeit kommt, wo langsam die Listen für den BTag aufgestellt werden, sollte ihm doppelt zu denken geben. Mit ner Anklage wegen 184b/c wird er sicherlich nicht wieder in den Bundestag einziehen können…

    Comment by Anonymous — 6.03, 2009 @ 16:19

  4. Ja, das habe ich jetzt auch gelesen. Privatwohnung und außerhalb von Computern, wie es heißt, klingt seltsam.

    Bleibt die Frage, was man gefunden hat und woher es stammt.

    Tauss hat sich jedenfalls nicht besonders clever verhalten. Wenn sein Verteiger sagt, man kenne den genauen Tatvorwurf noch nicht, dann sollte man keine öffentlichen Erklärungen abgeben.

    Comment by Pavement — 6.03, 2009 @ 17:04

  5. „Intrige“ ist ein gutes Stichwort, ich würde eher noch von „Verschwörung“ reden. Tauss steht Leute im Wege, die ein ganzes Bündel von „Sicherheitsgesetzen“ durchdrücken wollen. Das BKA-Gesetz war der Anfang, die Internet-Sperren wären der nächste Schritt gewesen. Dabei geht es um die Vorbereitung auf eine Zeit, in der die Wirtschaftskrise eskaliert und der Staat gerne ein gewisses Instrumentarium zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung hätte. In die gleiche Kategorie fallen auch Überlegungen zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren und vieles andere, was uns in den letzten Jahren u.a. mit Berufung auf 9/11 untergeschoben wurde.

    Comment by Anonymous — 6.03, 2009 @ 21:59

  6. Übrigens ist durchaus interessant, wen Tauss sich da als Anwalt ausgesucht hat. Jan Mönikes ist mehr Berufspolitiker und Kommunikationsprofi – Juristisch ist er hauptsächlich im Presse- und TK-Recht unterwegs.

    https://www.xing.com/profile/Jan_Moenikes

    http://www.moenikes.de/

    Keine Ahnung, ob Tauss auch einen Strafverteidiger engagiert hat. Falls nicht, sollte er das m.E. schleunigst tun (und zwar unabhängig davon, ob sich für schuldig hält).

    Comment by Simon — 7.03, 2009 @ 00:42

  7. @Simon: Aber auch für Kommunikationsprofis gilt im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, dass man im Zweifel die Klappe hält, solange man den Tatvorwurf nicht kennt. Für Tauss wäre ein gestandener Strafverteidiger sicher besser als ein Medienrechtler.

    Comment by Pavement — 7.03, 2009 @ 13:53

  8. „Nach Informationen des SPIEGEL sei unter einer Handy-Nummer, welche die Fahnder dem Politiker zuordnen, per SMS die Aufforderung versandt worden, mehr Material zu schicken. Auch sollen sich beifällige Kommentare wie „geil“ finden.“

    Spätestens da sollte die Rechtfertigung über § 184b V hinfällig sein.

    Da hat sich wohl Tauss in den ersten Erklärung etwas zu optimistisch über das Verfahren geäußert, wenn das oben wirklich stimmen sollte.

    Nunja, es bleibt zu hoffen, dass seine Mitarbeiter im Bundestag bei anderen Abgeordneten unterkommen werden; wäre sonst schade.

    Comment by Anonymous — 7.03, 2009 @ 17:04

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