Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.2.09

Rechtsmissbrauch, weil der Anwalt mit dem Kläger verwandt ist?

Medien Internet und Recht (MIR) veröffentlicht in seiner neuen Ausgabe ein beachtliches Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 05.11.08 (Az. 18 O 34/08) und eine zustimmende Anmerkung von Martin Rätze zu dieser Entscheidung.

Das Landgericht Bielelfeld hatte sich mit der Frage des Rechtsmissbrauchs bei Ausspruch einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung zu befassen (§ 8 Abs. 4 UWG). Der Kläger hatte eine Verwendung der alten Widerrufsbelehrung für Fernabsatzgeschäfte abgemahnt.

Das Gericht hat zunächst einen Rechtsverstoß zwar bejaht, diesen aber i.S.v. § 3 UWG nicht als erheblich eingestuft, weshalb nach Ansicht des Gerichts kein zu ahndender Wettbewerbsverstoß vorlag.

Bis dahin erscheint mir die Entscheiung gut vertretbar. Dabei ließ es das Gericht aber nicht bewenden, sondern ergänzte, dass zudem ein Rechtsmissbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG vorliegen würde. Als Gründe dafür gab es die verwandschaftlichen Beziehungen von Kläger und Rechtsanwalt an, den mit EUR 10.000 vom Gericht als deutlich überhöht empfundenen Gegenstandswert,zumal die daraus resultierenden Abmahngebühren dreimal so hoch seien wie der Monatsumsatz des Klägers. Als weiteres Indiz nannte das Gericht den Umstand, dass vom Kläger insgesamt 8 Wettbewerber wegen ähnlicher Verstöße abgemahnt worden sind.

Diese Begrüdung halte ich für durchaus erstaunlich. Wenn ich beim Landgericht München I selbst bei kleinen Internethändlern mit einem Streitwert von EUR 10.000,- für eine Unterlassung an den Start gehe, werde ich allenfalls gefragt, warum der Streitwert so moderat angesetzt ist. Und eine klassische Massenabmahnung ist bei 8 Fällen wohl auch kaum anzunehmen. Bleibt der Umstand, dass der Anwalt der Bruder des Klägers ist. Bedenklich. Wenn man die Zurückhaltung berücksichtigt, die die Rechtsprechung ansonsten bei der Annahme von Rechtsmissbrauch an den Tag legt, ist diese Entscheidung mehr als beachtenswert. Zumal es hier für die Klageabweisung ausgereicht hätte, nur die Erheblichkeit nach § 3 UWG zu verneinen.

posted by Stadler at 09:12  

3 Comments

  1. Vielleicht stellte sich das Gericht schlicht und ergreifend einfach auch nur mal die Frage, ob es wirklich Not tut, kleinere Händler gleich mit immensen Kosten zu überziehen.

    Es ist allgemeinhin ja bekannt, dass Mitbewerber seit geraumer Zeit dazu übergehen, lieber teuer für den Gegner abmahnen zu lassen, anstatt z.B. einfach eine eMail zu senden mit dem freundlichen Hinweis: „Werter Herr Kollege, wie wäre es denn mal, wenn sie dieses oder jenes beachten würden.“ Wenn darauf dann ein nein kommt, kann man sicherlich abmahnen.

    Aber das will man ja gar nicht. Der Anwalt freut sich, weil er Geld einstreichen kann, der Gegner freut sich ggf. auch, weil die Summe der Abmahnung und die damit verbundenen Kosten den Abgemahnten zumindest in finanzielle Bedrängnis bringen, wenn nicht sogar danach das Licht für ihn aus ist.

    Natürlich kann und darf man argumentieren, dass derjenige, der sich ins Geschäftsleben begibt, die Regeln seiner Branche kennen muss. Manchmal trägt dies aber Dinge zu Tage, da sträubt es sich einem.

    Ich kenne einen Fall eines Webhostingunternehmens, das ein anderes Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen die PAngV abgemahnt hat. Ein minimaler Verstoß, der keine Irreführung der Kunden bedeutet hätte, aber er war da. Abmahnung rechtlich also korrekt. Dies wurde in einem Forum für kleinere Webhostingunternehmen breitgetreten und ein anderer Webhoster hat seinen Anwalt die Homepage des Abmahners anschauen lassen. Und der entdeckt, na was: Einen Verstoß gegen die PAngV (fehlende Steuerhinweise).

    Meine persönliche Meinung nach dem ganzen Abmahnwahn im Internet ist sowieso, das Abmahnungen nicht mehr genutzt werden, um den Geschäftsgegner auf ein Fehlverhalten hinzuweisen (was ja der eigentliche Sinn war und ist), sondern nur noch ein Instrument sind, schnell Kasse zu machen oder absichtlich Konkurrenten zu schaden.

    Man erinnere an die systematischen Abmahnungen eines gewissen Betreibers einer gewissen Kochbuchseite mit sehr hohen Lizenzgebühren für Bilder, die er selbst so bei den Suchmaschinen gepusht hat, dass der unbedarfte Internetnutzer geradezu blind sein muss, wenn er NICHT darüber fallen will.

    Daher ist das Abmahnbusiness für mich nichts weiter als Abzocke und wenn Sie, Herr Anwalt, bei allem gebührenden Respekt vor Ihrer Person, vornehmlich oder öfter mal kleine Internethändler abmahnen, wie wär es dann mal mit nem Hinweis an Ihre Mandanten, ob es eine eMail nicht auch getan hätte?

    Ach, Entschuldigung. Das versaut die Bilanz. Sorry.

    Comment by Pascal Rosenberg — 12.02, 2009 @ 11:48

  2. Es gibt viele handfeste Wettbewerbsverstöße, bei denen der Verletzer versucht einen Wettbewerbsvorsprung zu erlangen.

    Sie haben natürlich völlig Recht mit dem Hinweis, dass es gerade im Netz zahllose Abmahnwellen gibt, die blanke Abzocke darstellen.

    Es gibt allerdings wesentlich krassere Fälle als den des Landgerichts Bielefeld, in denen andere Gerichte noch nicht einmal den Ansatz von Rechtsmissbrauch erkennt.

    In diesem Fall war es nicht wirklich eindeutig und schlicht überflüssig, weil man die Klage auch allein wegen der fehlenden Erheblichkeit des Verstoßes abweisen konnte.

    Comment by Pavement — 12.02, 2009 @ 16:35

  3. Hallo an alle,

    ich möchte nur kurz darauf hinweisen, dass das OLG Hamm die Klage des Abmahners ebenfalls als rechtsmissbräuchlich ansah und die Berufung daher zurückgewiesen hat.

    Hier findet man das Volltexturteil nebst Beitrag:
    http://www.shopbetreiber-blog.de/2009/05/04/erfreulich-auch-olg-hamm-bestaetigt-rechtsmissbrauch/

    Comment by Martin Rätze — 6.05, 2009 @ 09:45

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