Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.1.09

Stellungnahme der Bundesregierung zur Vorratsdatenspeicherung

Der Schriftsatz der Bundesregierung zu den gegen die Vorratsdatenspeicherung anhängigen Verfassungsbeschwerden ist mittlerweile beim Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung online abrufbar.

Die von Prof. Christoph Möllers verfasste Stellungnahme zum Bundesverfassungsgericht sieht bereits eine Prüfungskompetenz des BVerfG wegen der verbindlichen europarechtlichen Vorgaben nicht als gegeben an.

Die Bundesregierung argumentiert in materieller Hinsicht u.a. damit, dass die Regelung zur Vorratsdatenspeicherung in § 113a TKG noch keinen Zugriff auf die gesammelten Verkehrsdaten gestatte und damit keine Befugnis zur staatlichen Kenntnisnahme beinhalte, sondern zunächst nur eine Datenaufbewahrungspflicht normiere. Erst in Kombination mit einer weiteren Befugnisnorm könne dann im Einzelfall punktuell auf die aufbewahrten Daten zugegriffen werden. Der Schriftsatz der Bundesregierung meint insoweit, die Beschwerdeführer würden den systematischen Unterschied zwischen Eingriffsbefugnis und Datenaufbewahrungspflicht verkennen.

Die systematische Differenzierung der Bundesregierung ist sicherlich zutreffend. Es fragt sich anschließend nur, welche Schlussfolgerungen aus ihr zu ziehen sind. Die Bundesregierung bemüht diese Unterscheidung nämlich dafür, die Intensität des Grundrechtseingriffs herunterzuspielen und spricht von einem „mittelschweren Eingriff“ in Art. 10 GG.

Dieses systematische Argument ändert nichts daran, dass die Vorratsdatenspeicherung verlangt, die Verbindungsdaten zu Telekommunikationsvorgängen aller Bürger anlass- und verdachtsunabhänbgig für die Dauer von 6 Monaten zu speichern. Diese Eingriffsbefugnis ist damit für sich genommen in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Hinsicht mit nichts vergleichbar, was bislang an Pflichten zur Datenaufbewahrung gesetzlich nornmiert war. Die Vorratsdatenspeicherung ist nämlich als solche an keinerlei Voraussetzungen geknüpft. Es werden vielmehr undifferenziert die Daten aller Bürger gespeichert.

Die Eingriffswirkung besteht, anders als die Bundesregierung meint, nicht lediglich darin, die gespeicherten Daten für ein halbes Jahr einem Löschungsansprach des Betroffenen zu entziehen. Die Eingriffswirkung für alle Bürger dieses Landes, die Telefon, Mobilfunk oder Internet nutzen, besteht darin, dass ihre Daten ohne einen sicherheitsrechtlichen oder strafprozessualen Anlass gespeichert werden und für die Dauer des Speicherzeitraums für einen evtl. staatlichen Zugriff bereit gehalten werden.

Die Bundesregierung versucht die Erforderlichkeit der Regelung durch eine Reihe von Fallbeispielen zu belegen. Knackpunkt dürfte allerdings die Angemessenheit sein.

Ist es in einem freiheitlich-demokratischen Rechtssaat tatsächlich legitim, Verkehrsdaten praktisch aller Bürger für die Dauer eines halbes Jahres speichern zu lassen, weil dies in in einigen wenigen Einzelfällen dazu führen kann, Straftaten aufzuklären oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren? Steht die staatlich angeordnete Speicherung von Milliarden von Einzeldaten, die von Millionen von Bürgern stammen tatsächlich in einem angemessenen Verhältnis zur Aufklärung von vermutlich wenigen hundert Straftaten?

Der freiheitliche Staat zeichnet sich eigentlich dadurch aus, dass nicht alles, was technisch möglich ist und was zur Aufklärung von Strattaten u.U. geeignet erscheint, auch gemacht werden darf. Denn genau das unterscheidet ihn von einem diktatorischen Überwachungsstaat.

Leider haben es unsere Sicherheitspolitiker trotz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den letzen Jahren verstanden, immer mehr Überwachungsbefugnisse zu schaffen. Offenbar mangelt es vielen deutschen und europäischen Politikern an einer ausreichenden rechtsstaatlichen Gesinnung und an dem Bewusstsein für die absoluten Grenzen, die in einem freiheitlich-demokratischen Staatswesen nicht überschritten werden dürfen.

Anders als die Bundesregierung hat das Bundesverwaltungsgericht übrigens ergebliche Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der Vorratsdatenspeicherung geäußert.

Interessant ist auch, dass die Bundesregierung in ihrem Schriftsatz mittlerweile ebenfalls annimmt, dass Gegenstand der Vorratsdatenspeicherung Verkehrsdaten sind, was bislang häufig bestritten wurde.

posted by Stadler at 10:12  

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