Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.1.09

Auskunftsanspruch gegen Provider bei Urheberrechtsverletzungen

Seit dem 01.09.2008 können auch Dritte, insbesondere Internet-Service-Provider, unter bestimmten Voraussetzungen bei Urheberrechtsverletzungen auf Auskunft in Anspruch genommen werden.

Nach § 101 Abs. 2 UrhG richtet sich der Auskunftsanspruch auch gegen solche Personen, die die für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung erbracht haben. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um einen Fall einer offensichtlichen Rechtsverletzung handelt und der Verletzer in gewerblichem Ausmaß gehandelt hat.

Unmittelbar nach Inkrafttreten der Neuregelung ergingen eine ganze Reihe von Entscheidungen, in denen verschiedene Gerichte (OLG Köln, LG Köln, LG Frankfurt/Main) ein gewerbliches Ausmaß beim sog. Filesharing bereits bei einer einzigen Datei oder zumindest einem einzigen Musikalbum bejaht hatten womit faktisch in allen Filesahring-Fällen eine Auskunftspflicht begründet wird.

Dem sind das OLG Oldenburg, OLG Zweibrücken, LG Frankenthal mit unterschiedlichen Ansätzen entgegengetreten. Übereinstimmend sind diese Gerichte zumindest der Ansicht, dass das Angebot eines einzigen Musiktitels in einer Tauschbörse noch kein gewerbliches Ausmaß begründet. Das LG Frankenthal meint gar, dass ein solche Ausmaß erst bei 3000 Musikstücken oder 200 Filmen erreicht sei.

Diejenigen Gerichte, die das gewerbliche Ausmaß bereits bei einem Musiktitel bejahen, verkennen die verfassungsrechtliche Dimension von § 101 UrhG. Es geht dabei nämlich immer um die Auskunft über Verkehrsdaten und damit einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 GG. Ein solcher Auskunftsanspruch kann daher überhaupt nur bestehen, wenn es um Rechtsverletzungen von erheblichem Gewicht geht. Dem hat man beispielsweise bei der TK-Überwachung nach § 100a StPO durch Schaffung eines Katalogs schwerer Straftaten Rechnung getragen, in dem Straftaten nach dem UrhG überhaupt nicht aufgeführt sind.

Soweit man einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis zur Aufklärung von Urheberrechtsverletzungen überhaupt als verhältnismäßig einstufen will, so muss es sich zumindest um besonders schwerwiegende und nachhaltige Fälle handeln. Gerade die Rechtsprechung des OLG Köln wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.

Aber auch die Auslegung des Rechtsbegriffs des gewerblichen Ausmaßes gebietet eine andere Wertung. Der Rechtsbegriff des Gewerbes und der gewerblichen Betätigung ist im deutschen Recht altbekannt und dahingehend zu definieren, dass es sich um eine fortgesetzte, auf Gewinnerzielung bzw. Erschließung einer fortlaufenden Einnahmequelle ausgerichtete Tätigkeit handeln muss. Der Austausch von Musik und Filmen über Filesharingsysteme ist heutzutage gerade unter Jugendlichen gang und gäbe und kann nicht ohne weiteres als Ausdruck einer Betätigung von gewerblichem Ausmaß angesehen werden.

Aber auch die Voraussetzung einer offensichtlichen Rechtsverletzung ist in solchen Fällen fraglich. Das OLG Köln lässt es genügen, dass die Rechtsverletzung (objektiv) offensichtlich ist und meint sie müsse nicht offensichtlich von einer bestimmten Person begangen worden sein. Gerade diese Annahme erscheint zweifelhaft. Offensichtlichkeit ist nämlich dann anzunehmen, wenn die Rechtsverletzung so eindeutig erscheint, dass eine ungerechtfertige Belastung eines Dritten ausgeschlossen ist (Wandtke/Bullinger, UrhG, § 101, Rn. 17; Spindler/Dorschel, CR 2006, 341, 343). Gerade das ist aber in Bezug auf den Anschlussinhaber nicht gegeben. Es ist nicht zwingend und noch nicht einmal überwiegend wahrscheinlich, dass der Anschlussinhaber auch der Verletzer ist. Es gibt vielmehr z.B. häufig Fälle, in denen Kinder über den Internetzugang der Eltern Filesharingsysteme benutzen. Die Ansicht des OLG Köln beinhaltet also immer die Gefahr, dass Auskunft über die Daten eines Dritten erteilt wird, der weder Verletzer noch nach richtiger Ansicht Störer ist. Damit findet eine im Ergebnis ungerechtfertigte Belastung eines Dritten statt.

Die Rechtsprechung zu § 101 UrhG wird sich im Ergebnis daran orientieren müssen, dass auch in den Fällen des Filesharing ein Auskunftsanspruch gegen einen Provider die Ausnahme und nicht den Regelfall darstellt.

posted by Stadler at 10:42  

Ein Kommentar

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