Die Keynote-Speech von Glenn Greenwald auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs (30C3) hat unter Journalisten und Bloggern eine Debatte darüber ausgelöst, ob ein Journalist gleichzeitig auch (politischer) Aktivist sein kann und darf. Ausgangspunkt der Debatte war ein Beitrag der beiden Journalisten Kai Biermann und Patrick Beuth – die ich übrigens beide für ihre klare und keineswegs wirklich neutrale Berichterstattung zu netzpolitischen Themen sehr schätze – die Greenwald vorwerfen, er hätte eine Grenze überschritten, indem er von wir spricht und sich mit der Sache der Aktivisten gemein macht.
In dieser Debatte gibt es mittlerweile eine Fülle an Wortmeldungen. Dass dabei alle Positionen vertreten werden, ist wenig überraschend.
Gerade bei der Frage der Aufarbeitung der weltweiten Geheimdienstaffäre kann man natürlich die Frage stellen, ob es nicht geradezu die Aufgabe jedes redlichen Journalisten sein müsste, sich mit der Sache der Aktivisten gemein zu machen. Denn die Tätigkeit von Geheimdiensten richtet sich gerade auch gegen die Freiheit der Berichterstattung, was man speziell in England aber auch den USA aktuell beobachten kann. Das lässt sich mit der Frage verknüpfen, warum britische Medien – mit Ausnahme des Guardian – nicht nennenswert über die Aktivitäten von NSA und GCHQ berichten.
Mir stellt sich aber vor allen Dingen die Frage, ob das die richtige Diskussion zur richtigen Zeit ist. Denn gerade die Arbeit Greenwalds bietet Anlass dafür eine ganz andere Debatte zu führen. Wie unabhängig sind Journalisten weltweit tatsächlich noch und wie stark haben sie sich mit der Sache von Staaten, Behörden oder Geheimdiensten gemein gemacht und wie stark hemmt dies die Information der Öffentlichkeit über Missstände? Dass viele politische Journalisten eine zu große Nähe zu den Mächtigen aufweisen und dies letztlich in eine Art Hofberichterstattung mündet, ist ein Umstand, über den nicht auf breiter Basis diskutiert wird, zumal bestehende Abhängigkeiten natürlich nicht offenbart, sondern tunlichst verschwiegen werden. Die verschleierte Nähe zwischen Politik und Medien ist das eigentliche Problem und nicht der Umstand, dass ein Journalist offen Partei ergreift.
Wenn Greenwald kein Journalist ist, dann ist er der bedeutendste Nichtjournalist der Gegenwart. Er zeichnet sich durch Unabhängigkeit und viel Mut aus, Eigenschaften die vielen klassischen Journalisten leider fehlen.
Was wir in Zukunft brauchen, ist vor allem Dinge unabhängige Berichterstattung, denn es gibt zu viele für den Leser nicht erkennbare Abhängigkeiten, die eine kritische Berichterstattung behindern. Vor diesem Hintergrund fehlen mutige und unabhängige Berichterstatter wie Glenn Greenwald. Ob wir sie Journalisten, Aktivisten oder Blogger nennen, ist gänzlich unerheblich.
posted by Stadler at 16:46
Die zehn beliebtesten Beiträge bei internet-law im Jahre 2013 waren folgende:
1. Warum die Streaming-Abmahnungen der Rechtsanwälte U&C unwirksam sind
2. Beugehaft gegen Onlineredakteur
3. BR stellt “Space Night” wegen GEMA ein
4. FAZ mahnt Blogger ab
5. Besuch von der Polizei nach Tweet zur Causa Mollath
6. Gesetzlicher Anspruch auf Rufnummernmitnahme? Nicht bei O2!
7. Massenabmahner DigiProtect insolvent
8. Streaming-Abmahnungen: Woher kommen die Daten?
9. Der #Aufschrei der Herde
10. Was ist dran an den Streaming-Abmahnungen?
Meine zahlreichen Texte zum Themenkreis Geheimdienste und Überwachung landeten abgeschlagen nur auf den Plätzen 14, 19, 22, 23, 25, 27, 30, 35, 49, 55, 58. Auch das ist für mich ein Beleg dafür, dass sich die Menschen offenbar doch stärker für das Thema Abmahnungen interessieren als für die Geheimdienstaffäre. Ich werde trotzdem auch im neuen Jahr wieder über bürgerrechtliche Themen bloggen, denn schließlich geht es hier nicht darum, irgendwelche Quoten zu erreichen.
posted by Stadler at 20:56
Im Zusammenhang mit den Redtube-Abmahnungen überschlagen sich die Meldungen gerade. Zuerst rudert das Landgericht Köln zurück und räumt ein, dass man den maßgeblichen Sachverhalt juristisch falsch bewertet haben könnte. In Mitteilungen an Prozessbevollmächtigte von Betroffenen wird das Landgericht sogar noch deutlicher, wie man beim Kollegen Petring nachlesen kann. Das deutet darauf hin, dass es in Köln vorerst vermutlich keine weiteren Auskunftsbeschlüsse zu Streaming-Sachverhalten mehr geben wird. Da das Landgericht Köln für die Telekom zuständig ist, dürfte bereits aus diesem Grund eine Fortsetzung dieser oder einer ähnlichen Abmahnwelle unwahrscheinlich sein.
Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau hat der Anbieter von Redtube zudem beim LG Hamburg eine einstweilige Verfügung gegen The Archive erwirkt, die es dem Unternehmen untersagt, Abmahnungen an Nutzer von Redtube zu schicken, in denen die Verletzung von Urheberrechten von The Archive geltend gemacht wird. Man darf gespannt sein, ob der Rechteinhaber dagegen Widerspruch einlegen wird.
Hinzu kommt die immer noch offene Frage, wie The Archive an die IP-Adressen der betroffenen Nutzer gekommen ist, bzw. ob wirklich dokumentiert ist, dass diese Nutzer bei Redtube auch einen Film angesehen haben, an dem The Archive die Rechte hält. Nachdem klar sein dürfte, dass die Daten nicht von dem Betreiber stammen, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass man das Streamen konkreter Filme gar nicht festgestellt hat oder Hacker-Methoden benutzt wurden, deren Anwendung strafrechtlich relevant sind. Sollte sich diese Annahmen erhärten, dürfte es für einige der Beteiligten auch strafrechtlich eng werden. Dies gilt erst recht, sollte sich bewahrheiten, dass die Nutzer, wie in einem Artikel von Heise beschrieben, ohne ihr aktives Zutun gezielt zu Redtube umgeleitet worden sind.
Denn neben den Tatbeständen des Computerstrafrechts steht ein gewerbsmäßiger Betrug im Raum. Und der funktioniert im konkreten Fall natürlich nur durch die Mitwirkung der Anwälte. Ob es dann ausreichend sein wird, sich darauf zu berufen, man habe nicht gewusst, wie die Nutzer ermittelt worden sind, erscheint fraglich.
Die Süddeutsche widmet sich dem Thema heute übrigens ganzseitig auf der prominenten Seite 3.
Update vom 22.12.2013:
Ulf Buermeyer – Richter am Landgericht Berlin – hat für Heise einen lesenswerten Beitrag zu möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für die Beteiligten der Abmahnwelle geschrieben.
posted by Stadler at 20:44
Dass die von acht Zeitungsverlagen angestrengte Klage gegen die Smartphone-App der Tagesschau in der Berufungsinstanz beim OLG Köln wohl keinen Erfolg haben würde, hatte sich bereits abgezeichnet. Mit Urteil vom 20.12.2013 hat das OLG Köln die Klage jetzt abgewiesen und ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben.
Das zentrale Argument des Senats besteht darin, dass die Tagesschau-App lediglich eine Umsetzung von tagesschau.de sei. Auf diesen Umstand hatte ich hier im Blog bereits vor über zwei Jahren hingewiesen. Tagesschau.de habe, so das OLG, den gesetzlich vorgegebenen Dreistufen-Test durchlaufen und ist anschließend durch die Niedersächsische Staatskanzlei freigegeben worden. Die Freigabe sei eine verbindliche Feststellung der Konformität des Medienangebots mit den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages. Der Senat als Wettbewerbsgericht sei an die rechtliche Bewertung der mit der Prüfung des Telemedienkonzepts befassten Institutionen gebunden.
Das Gericht geht also davon aus, dass es vor diesem Hintergrund eines öffentlich-rechtlichen Verfahrens überhaupt nicht befugt sei, abweichend von der behördlichen Prüfung, einen Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag festzustellen.
Das OLG Köln hat die Revison zum BGH zugelassen.
Funfact am Rande: Christoph Keese vom Springer-Verlag hat sich vor zweieinhalb Jahren darüber beklagt, dass ich den Verlagen im Wege der Ferndiagnose eine Niederlage vor Gericht prophezeit habe.
posted by Stadler at 15:42
Dass das Prinzip der Massenabmahnungen im Bereich des Filesharing und neurdings auch Streaming mit den Vorgaben des anwaltlichem Berufs- und Gebührenrechts schwerlich vereinbar ist, habe ich schon vor längerer Zeit in verschiedenen Blogposts am Beispiel der Kanzlei Kornmeier und auch der Kanzlei U&C erläutert. Die Kanzlei Kornmeier ist in einem Einzelfall sogar einmal beim Amtsgericht Frankfurt mit einer Klage auf Erstattung von Anwaltskosten gescheitert, weil sie mit ihrem Mandanten nicht auf Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes abgerechnet hatte.
Diese Diskussion erhält aktuell gerade neue Nahrung durch Veröffentlichungen der Piratenpartei und durch ein Interview mit Rechtsanwalt Urmann bei ZEIT-Online, in dem er meines Erachtens relativ entlarvend von der Zulässigkeit von Erfolgshonoraren spricht. Das deutsche Recht lässt Erfolgshonorare allerdings nur mit deutlichen Einschränkungen zu.
Das grundlegende Problem ist dennoch ein anderes. Denn von dem Abgemahnten kann nur dasjenige Anwaltshonorar erstattet verlangt werden, das zwischen der Abmahnkanzlei und ihrem Mandanten tatsächlich vereinbart ist. Wenn die Zahlung des (vollen) Honorars nach RVG nicht vereinbart ist, dann besteht auch kein entsprechender Erstattungsanspruch gegenüber dem Abgemahnten.
Der BGH hat mit Urteil vom 05.10.2010 (AZ: VI ZR 152/09) zum wiederholten Male entschieden, dass es Voraussetzung eines Anspruches auf Erstattung von Anwaltskosten ist, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zu seinem Anwalt tatsächlich zur Zahlung der Anwaltskosten verpflichtet ist (so bereits BGH, NJW 2000, 3712, 3715). Der BGH hat in der genannten Entscheidung vom 05.10.2010 insbesondere darauf hingewiesen, dass das Gericht insoweit Feststellungen zum Inhalt des dem Anwalt der Klägerin erteilten Auftrags zu treffen hat. Der BGH betont in der genannten Entscheidung ausdrücklich, dass es sich bei der Frage der Erstattung der Kosten im Außenverhältnis um eine echte, vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzung handelt. Der klagende Rechteinhaber müsste folglich darlegen und beweisen, auf welcher Basis seine Rechtsanwälte im Innenverhältnis mit ihm abrechnen.
Wenn also beispielsweise auf Grundlage von Pauschalvergütungsvereinbarungen oder auf Basis von Erfolgshonorar abgerechnet wird, scheidet ein (voller) Kostenerstattungsanspruch, der sich nach den Gebühren des RVG bemisst, aus.
Man muss also den mit Filesharing-Klagen befassten Gerichten Einseitigkeit vorhalten und vor allem, dass sie die Vorgaben der BGH-Rechtsprechung ignorieren. Während den Beklagten regelmäßig eine überzogene Darlegungslast aufgebürdet wird, müssen die Rechteinhaber nicht einmal dasjenige darlegen, was nach der Rechtsprechung des BGH geboten ist.
posted by Stadler at 10:54
Der Gesetzgeber wollte mit dem vor zwei Monaten in Kraft getretenen Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken den Abmahnmissbrauch eindämmen. Nicht nur der Umstand, dass die Kanzlei U&C unlängst die bislang größte einzelne Abmahnwelle überhaupt losgetreten hat, ist ein deutliches Indiz dafür, dass dieses Gesetz komplett leerläuft.
Auch bei den klassischen Filesharing-Abmahnungen steigen die Preise wieder. Mit der Kölner Kanzlei Carvus Law vertritt ein bislang nicht so bekannter Player im Abmahngeschäft eine alte Bekannte, nämlich die Silwa Filmvertrieb GmbH (ehemals AG), die früher interessanterweise von der Kanzlei U&C vertreten wurde.
Und mit diesem Anwaltswechsel war auch gleich eine wahre Explosion der Schadensersatzforderungen verbunden. Für den Tausch eines einzigen Pornofilms wird mit einer aktuellen Abmahnung vom 13.12.2013 ein Schadensersatz von stolzen EUR 1800,- geltend gemacht. Wenn man weiß, dass selbst die Kanzlei Waldorf Frommer für bekannte Kinofilme „nur“ Schadensersatzbeträge im dreistelligen Bereich verlangt, ist das geradezu atsronomisch. Die Abmahnung der Kanzlei Carvus Law ist allerdings eher schlecht gemacht und dürfte, wie die aktuellen U&C-Abmahnung auch, bereits wegen § 97a Abs. 2 S. 2 UrhG unwirksam sein.
Der Versuch des Gesetzgebers, derartige Abmahnungen einzudämmen, muss bereits zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes als gescheitert gelten. Man sollte sich an dieser Stelle vor Augen führen, dass es der Gesetzgeber selbst war, der mit verschiedenen Änderungen des Urheberrechts diese Abmahnindustrie, deren Auswüchse wir beobachten, überhaupt erst geschaffen hat. Vor allem durch den Auskunftsanspruch gegen Access-Provider, der nach der Rechtsprechung des BGH auch dann greift, wenn eine Urheberrechtsverletzung im privaten Bereich erfolgt, hat der Gesetzgeber einem Massenmarkt den Weg bereitet, auf dem einzelne Abmahnkanzleien verdienen und vor allen Dingen Rechteinhaber – verstärkt aus der Pornobranche – Einnahmen erzielen, die sie mit dem Verkauf ihrer Werke niemals erwirtschaften könnten.
posted by Stadler at 18:27
Die Berichte, wonach Andrea Voßhoff neue Bundesbeauftragte für den Datenschutz werden soll, sind offenbar zutreffend. Nach Meldungen von Presseagenturen soll sie bereits am 17.12.2013 vom Bundestag gewählt werden.
Was also qualifiziert diese Frau, die im Bereich des Datenschutzes bislang nicht aufgefallen ist? Es handelt sich um eine Juristin, die 15 Jahre lang für die CDU im Bundestag saß, die aber bei der letzten Wahl gescheitert ist. Als Abgeordnete hat sie alle bürgerrechtsfeindlichen Gesetzesvorhaben der letzten 15 Jahre mitgetragen. Das Spektrum reicht von den Antiterrorgesetzen über die Vorratsdatenspeicherung bis hin zum Zugangserschwerungsgesetz. Über eine besondere Expertise im Bereich des Datenschutzes verfügt sie nach meinem Kenntnisstand ebenfalls nicht.
Offenbar hat die große Koalition ganz gezielt nicht nach jemand mit Fachwissen Ausschau gehalten. Dies wohl auch deshalb, weil man auf diesem Posten einen unbequemen Mahner und Kritiker wie Peter Schaar diesmal vermeiden wollte. Man hat sich deshalb dazu entschlossen, die Position mit einer fachfremden, aber dafür zuverlässigen Parteisoldatin zu besetzen. Auch so sorgt man für eine weitere Erosion der Bürgerrechte. Fachkompetenz hat in den Regierungen von Angela Merkel bei der Besetzung von Posten ohnehin noch nie die maßgebliche Rolle gespielt.
Was qualifiziert also die designierte Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff? Aus fachlicher Sicht kann die Antwort nur lauten: nichts.
posted by Stadler at 14:04
Die Berichterstattung über den Überwachungsirrsinn stumpft ganz schön ab. Meldungen wie die, dass die NSA täglich fünf Milliarden Datensätze über die Standorte von Handys weltweit sammelt, hätten noch vor einem halben Jahr eine Lawine losgetreten. Mittlerweile ist sie nur noch die x-te Meldung aus dem Fundus der Snowden-Dokumente, die bei den meisten Menschen nur noch zu einem Achselzucken führt. Mich persönlich beängstigt die Irrationalität mit der Geheimdienste ganz augenscheinlich agieren allerdings immer noch und das sogar in zunehmendem Maße. Denn was wir da beobachten, ist der Machterhalt bzw. Machtausbau eines Apparats der sich weltweit längst verselbständigt und von den demokratisch legitimierten Entscheidern abgekoppelt hat. Wenn sich allerdings wie hier herausstellt, dass Machtmissbrauch und Irrationalität die bestimmenden Merkmale eines staatlichen Sub-Systems sind, müsste die Politik eigentlich einschreiten. Aber sie ist entweder kraft- und mutlos oder glaubt weiterhin an die Mär von der Terrorbekämpfung.
Unsere vernetzte Welt stellt die Grundlage dafür dar, dass sich ein globaler Überwachungsapparat etablieren konnte, der sich nicht mehr klar an einzelnen Nationalstaaten festmachen lässt. Dass die USA und die Briten in der westlichen Welt seine Speerspitze bilden, ist offenkundig. Informationen werden aber ebenso mit anderen Geheimdiensten ausgetauscht und zwar bevorzugt dann, wenn man sie im eigenen Land nicht erheben darf. Das Ausspionieren der Bürger des eigenen Landes wird von den befreundeten Diensten erledigt, wenn das nationale Recht einem dies verwehrt. Wie die Informationen anschließend getauscht werden, kann ohnehin niemand überprüfen und nachvollziehen. Denn Geheimdienste agieren schließlich geheim. Wenn man jetzt noch Russland und China in die Betrachtung einbezieht, zwei Staaten die das Internet und die Telekommunikation fraglos ebenfalls in dem ihnen technisch größtmöglichen Umfang überwachen, wird vollends deutlich, dass wir uns in einem Zeitalter der globalisierten Überwachung befinden. Ob sich der Bürger und die von ihm legitimierten Vertreter wieder aus diesem Würgegriff der Geheimdienste befreien können, erscheint ungewiss. Aber ohne massiven Druck der Bürger weltweit wird es nicht gehen. Solange die politischen Akteure nicht zu einem Umdenken gezwungen werden, dürfte es schwierig bleiben.
Wir müssen uns daher bewusst machen, dass es keine demokratischen Überwachungsstaaten gibt. Sascha Lobo hat das weltweite System und Geflecht der Geheimdienste sehr zu Recht als faschistoid bezeichnet. Dieses System richtet sich nicht gegen den Terrorismus, es richtet sich gegen den Menschen. Gegen jeden einzelnen von uns. Auch wenn das viele noch nicht erkannt haben. Aber dann, wenn es mehrheitlich erkannt worden ist, könnte es schon zu spät sein.
posted by Stadler at 16:38
Seit Tagen wird darüber spekuliert, woher die Nutzerdaten (IP-Adressen) stammen, die zu der Abmahnwelle der Rechtsanwälte U&C geführt haben. Denn letztlich müsste genau protokolliert worden sein, dass die abgemahnten Nutzer über die Plattform redtube tatsächlich den in der Abmahnung genannnten Film des Rechteinhabers The Archive per Stream angeschaut haben.
Hierzu wurde dem Landgericht Köln zusammen mit den Auskunftsanträgen offenbar ein Gutachten vorgelegt, das die technischen Ermittlungen erläutert. Darüber berichtet der Kollege Müller, der aus E-Mails der Pressestelle des Landgerichts zitiert. Leider machen diese Ausführungen des Landgerichts aber auch nicht deutlich, wie man die Kommunikation zwischen einem Webserver und einem beliebigen Nutzer von außen erfassen und protokollieren kann, ohne hierbei Hackermethoden anzuwenden und gegen Strafnormen wie §§ 202a und 202b StGB zu verstoßen. Für mich bleibt unklar, wie man mit Hilfe „üblicher Internettechnologien“ ermitteln kann, dass ein beliebiger Nutzer gerade auf eine bestimmte Datei auf einem externen Webserver zugreift.
posted by Stadler at 14:48
Dass die umstrittene Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung vom EuGH nicht gänzlich unbeanstandet bleiben würde, konnte man nach dem kritischen Fragenkatalog des Gerichts fast erwarten. Die Ansicht des Generalanwalt beim EuGH in seinem Schlussantrag, wonach die Richtlinie in vollem Umfang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 52 der Grundrechtecharta unvereinbar ist, überrascht dann allerdings doch.
Der EuGH ist freilich an dieses Votum nicht gebunden, folgt ihm allerdings häufig, aber durchaus nicht immer.
Der Generalanwalt lehnt sich inhaltlich an die Entscheidung des BVerfG an, indem er insbesondere rügt, dass der Unionsgesetzgeber selbst keinerlei Schutzmaßmechanismen im Hinblick auf den Datenzugriff und die Auswertung der Daten vorgesehen hat. Hierzu heißt es im Schlussantrag:
Der Unionsgesetzgeber darf es, wenn er einen Rechtsakt erlässt, mit dem Verpflichtungen auferlegt werden, die mit qualifizierten Eingriffen in Grundrechte der Unionsbürger verbunden sind, nämlich nicht vollständig den Mitgliedstaaten überlassen, die Garantien festzulegen, die sie zu rechtfertigen vermögen. (…)
Somit war es – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Sache des Unionsgesetzgebers, die Grundprinzipien zu definieren, die für die Festlegung der Mindestgarantien zur Beschränkung des Zugangs zu den erhobenen und auf Vorrat gespeicherten Daten und ihrer Auswertung gelten sollten (…)
Der Generalanwalt beanstandet zudem auch die in der Richtlinie vorgesehene Speicherdauer von bis zu zwei Jahren, wobei anderseits zum Ausdruck kommt, dass er eine Speicherdauer von unter einem Jahr durchaus noch für angemessen halten würde.
Nach Ansicht des Generalanwalts verstößt die jetzige Richtline über die Vorratsdatenspeicherung in vollem Umfang gegen europäische Grundrechte. Andererseits macht er aber auch deutlich, dass eine Richtlinie, die die von ihm gemachten Vorgaben beachtet, durchaus grundrechtskonform ausgestaltet werden könnte.
Man darf gespannt, wie der Europäische Gerichtshof entscheidet und ob er dem Vorschlag des Generalanwalts folgt.
posted by Stadler at 12:15