Der Bundestag hat heute den Gesetzesentwurf von CDU/CSU und SPD zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) unverändert beschlossen.
Neu geregelt wird u.a. § 6 des BND-Gesetzes, dessen Absätze 1 – 5 nunmehr wie folgt lauten:
(1) Der Bundesnachrichtendienst darf zur Erfüllung seiner Aufgaben vom Inland aus mit technischen Mitteln Informationen einschließlich personenbezogener Daten aus Telekommunikationsnetzen, über die Telekommunikation von Ausländern im Ausland erfolgt (Telekommunikationsnetze), erheben und verarbeiten (Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung), wenn diese Daten erforderlich sind,
um frühzeitig Gefahren für die innere oder äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erkennen und diesen begegnen zu können,
die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu wahren oder
sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung über Vorgänge zu gewinnen, die in Bezug auf Art und Umfang durch das Bundeskanzleramt im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium der Verteidigung, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bestimmt werden.
Die Datenerhebung darf nur aus denjenigen Telekommunikationsnetzen erfolgen, die das Bundeskanzleramt zuvor durch Anordnung bestimmt hat.
(2) Der Bundesnachrichtendienst darf die Erhebung von Inhaltsdaten im Rahmen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nur anhand von Suchbegriffen durchführen. Diese müssen für die Aufklärung von Sachverhalten nach Absatz 1 Satz 1 bestimmt und geeignet sein und ihre Verwendung muss im Einklang mit den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland stehen.
(3) Suchbegriffe, die zur gezielten Erfassung von Einrichtungen der Europäischen Union, von öffentlichen Stellen ihrer Mitgliedstaaten oder von Unionsbürgerinnen oder Unionsbürgern führen, dürfen nur verwendet werden, wenn dies erforderlich ist, um Gefahren im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 3 des Artikel 10-Gesetzes zu erkennen und zu begegnen oder um Informationen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu gewinnen, soweit ausschließlich Daten über Vorgänge in Drittstaaten gesammelt werden sollen, die von besonderer Relevanz für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sind.
Suchbegriffe, die zur gezielten Erfassung von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern führen, dürfen darüber hinaus verwendet werden, wenn dies erforderlich ist zur Erkennung und Begegnung von Straftaten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Artikel10-Gesetzes.
(4) Eine Erhebung von Daten aus Telekommunikationsverkehren von deutschen Staatsangehörigen, von inländischen juristischen Personen oder von sich im Bundesgebiet aufhaltenden Personen ist unzulässig.
(5) Eine Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung zum Zwecke der Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (Wirtschaftsspionage) ist unzulässig.
Für viele mag das auf den ersten Blick beruhigend klingen, denn schließlich besagt das Gesetz ja, dass eine Erhebung von Daten deutscher Staatsangehöriger oder sich von im Bundesgebiet aufhaltender Personen unzulässig ist. Gleichzeitig stellt sich schon auf den ersten Blick die Frage, warum man eigentlich von einer Auslands-Auslands-Aufklärung spricht, wenn man inländische Telekommunikationsknoten überwachen will. Denn über diese Netze läuft zunächst einmal natürlich vorwiegend auch inländischer Telekommunikationsverkehr. Die vom Gesetz vorgenommene Differenzierung kann man im Internetzeitalter an sich nur als Anachronismus betrachten. Die Frage, wie man den Daten ansehen soll, ob sie von deutschen Staatsbürgern oder von Personen stammen, die sich im Inland aufhalten, beantwortet das Gesetz nicht. Vielmehr tut man so, als wäre hier eine klare und eindeutige Trennung möglich. Dass das Gegenteil richtig ist, entspricht der einhelligen Ansicht aller Fachleute. Ein als geheim eingestufter Prüfbericht der Bundesdatenschutzbeauftragten aus dem Jahre 2015 gelangt insoweit zu folgender Schlussfolgerung:
Durch die DAFIS-Filterung werden nach Artikel 10 Grundgesetz geschützte Personen zumindest nicht vollumfänglich ausgesondert. Infolgedessen hat der BND – entgegen den Vorgaben des G-10-Gesetzes – auch personenbezogene Daten dieser nicht ausgesonderten Personen verwendet und damit rechtswidrig in die durch Artikel 10 Grundgesetz geschützte Kommunikation dieser Personen eingegriffen.
Die vom BND benutzte Filterung ermöglicht es folglich nicht, inländischen Telekommunikationsverkehr und denjenigen TK-Verkehr an dem deutsche Staatsbürger beteiligt sind, vollständig auszunehmen. Und das wussten die Abgeordneten des Bundestages sehr genau. Ohne sich also überhaupt mit dem Verfassungsrecht zu befassen, lässt sich feststellen, dass der BND nicht in der Lage ist, die Neuregelung von § 6 Abs. 4 BND-Gesetz einzuhalten. Das Gesetz ist also bereits in sich widersprüchlich und unstimmig.
Die Neuregelung führt mithin dazu, dass auch Telekommunikation von deutschen Staatsangehörigen und Personen, die sich im Inland aufhalten, überwacht wird, weil es technisch nicht möglich ist, diesen Personenkreis trennscharf auszunehmen. Das Gesetz scheitert also schon an seiner eigenen Vorgabe. Der BND wird auch künftig regelmäßig gegen § 6 Abs. 4 BND-Gesetz verstoßen. Der Versuch der großen Koalition, das rechtswidrige Treiben des BND aus der Vergangenheit zu legalisieren, ist bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gescheitert, weil es technisch gar nicht möglich ist, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.
Die Neuregelung könnte verfassungsrechtlich aber nur dann Bestand haben, wenn Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG nicht stattfinden.
Das BVerfG hat außerdem bereits 1999 entschieden, dass das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG jedenfalls dann gilt, wenn ausländischer Fernmeldeverkehr mit Überwachungsanlagen aufgezeichnet wird, die sich auf deutschem Boden befinden. In der letzten Entscheidung des BVerfG zum G 10 heißt es ganz ausdrücklich:
Dabei wird bereits durch die Erfassung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs mit Hilfe der auf deutschem Boden stationierten Empfangsanlagen des Bundesnachrichtendienstes eine technisch-informationelle Beziehung zu den jeweiligen Kommunikationsteilnehmern und ein – den Eigenarten von Daten und Informationen entsprechender – Gebietskontakt hergestellt. Auch die Auswertung der so erfaßten Telekommunikationsvorgänge durch den Bundesnachrichtendienst findet auf deutschem Boden statt. Unter diesen Umständen ist aber auch eine Kommunikation im Ausland mit staatlichem Handeln im Inland derart verknüpft, daß die Bindung durch Art. 10 GG selbst dann eingreift, wenn man dafür einen hinreichenden territorialen Bezug voraussetzen wollte.
(…)
Die Überwachung und Aufzeichnung internationaler nicht leitungsgebundener Telekommunikationen durch den Bundesnachrichtendienst greift in das Fernmeldegeheimnis ein.
Die vom neuen BND-Gesetz geregelte Überwachung von ausländischem TK-Verkehr an inländischen TK-Knotenpunkten greift damit in den Schutzbereich von Art. 10 GG ein. Das BND-Gesetz erweckt aber den Eindruck, als wäre Art. 10 GG nicht berührt und ist allein deshalb verfassungswidrig.
Die von Angela Merkel vollmundig propagierte Prämisse, wonach eine Überwachung unter Freunden gar nicht gehe, findet im Gesetz übrigens auch wenig Niederschlag. Die Überwachung von Unionsnbürgern ist eingeschränkt möglich, die von Bürgern anderer (befreundeter) Staaten uneingeschränkt. Die Bundeskanzlerin hat sich wohl ganz am Vorbild Adenauers orientiert und sich gedacht: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“