Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

24.9.18

Vom Rundfunkstaatsvertrag zum Medienstaatsvertrag

Aus dem Rundfunkstaatsvertrag soll ein Medienstaatsvertrag werden. Die Bundesländer haben unlängst einen ersten Entwurf des sog. Medienstaatsvertrags beraten und vor kurzem online zur Diskussion gestellt. Interessierte Bürger können Ihre Ideen und Stellungnahmen zu dem Gesetzesentwurf bis zum 30.09.2018 einreichen. Die Fortentwicklung des Rundfunkstaatsvertrags soll nunmehr auch sog. Medienplattformen, Benutzeroberflächen und Medienintermediäre regeln und regulieren. Damit wird die bereits vorhandene Plattformregulierung auch auf Suchmaschinen und soziale Netze ausgeweitet.

Interessant erscheint mir zunächst die Frage, wie die Begriffe definiert werden und wie man sie voneinander abgrenzt.

Die Medienplattform wird legal definiert in § 2 Abs. 2 Nr. 13:

Medienplattform jeder Dienst, soweit er Rundfunk oder rundfunkähnliche Telemedien zu einem vom Anbieter bestimmten Gesamtangebot zusammenfasst. Die Zusammenfassung von Rundfunk oder rundfunkähnlichen Telemedien ist auch die Zusammenfassung von softwarebasierten Anwendungen, welche im Wesentlichen der unmittelbaren Ansteuerung von Rundfunk, rundfunkähnlichen Telemedien oder Diensten im Sinne des Satz 1 dienen.

Anschließend wird noch klargestellt, dass das Gesamtangebot von Rundfunk oder rundfunkähnlichen Telemedien, welches ausschließlich in der inhaltlichen Verantwortung einer oder mehrerer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten oder eines privaten Anbieters von Rundfunk oder rundfunkähnlichen Telemedien steht, noch keine Medienplattform darstellt. Das bedeutet insbesondere, dass die Mediatheken von ARD und ZDF keine Medienplattformen sind. Nur Angebote, die Rundfunkangebote oder rundfunkähnliche Telemedien von verschiedenen Anbietern zu einem Gesamtangebot bündeln, stellen eine Medienplattform dar.

Die Benutzeroberfläche definiert der Entwurf des Staatsvertrags in § 2 Abs. 2 Nr. 13a:

Benutzeroberfläche die textlich, bildlich oder akustisch vermittelte Übersicht über Angebote oder Inhalte einzelner oder mehrerer Medienplattformen, die der Orientierung dient und unmittelbar die Auswahl von Angeboten, Inhalten oder softwarebasierten Anwendungen ermöglicht.

Die Benutzeroberfläche ist nach dem Konzept des Gesetzes also letztlich das Navigationsmenü der Medienplattform.

Darüber hinaus will die Neuregelung noch den Begriff des Medienintermediärs einführen, den § 2 Abs. 2 Nr. 13b wie folgt definiert:

Medienintermediär jedes Telemedium, das auch journalistisch-redaktionelle Angebote Dritter aggregiert, selektiert und allgemein zugänglich präsentiert, ohne diese zu einem Gesamtangebot zusammenzufassen. Insbesondere sind Medienintermediäre
a) Suchmaschinen,
b) Soziale Netzwerke,
c) App Portale,
d) User Generated Content Portale,
e) Blogging Portale,
f) News Aggregatoren.

Medienintermediäre unterscheiden sich von Medienplattformen also vor allem dadurch, dass sie Einzelangebote zwar aggregieren, aber nicht zu einem Gesamtangebot zusammenfassen. An dieser Stelle bleibnt freilich unklar, welche Kriterien genau bewirken, dass man von einem Gesamtangebot sprechen kann. Das Gesetz liefert hierzu leider keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte. Ist der Hersteller eines Smart-TV oder einer Set Top Box (wie z.B. Apple TV), der neben dem traditionellen Empfang linearer Fernsehprogramme auch noch verschiedenste Apps (Netflix, Amazon Prime, Maxdome, Sky, DAZN, YouTube etc.) enthält, die es ermöglichen, auch Streamingangebote auf den Fernseher zu bringen, eine Medienplattform oder nur ein App-Portal? Die Diskussion ist nicht gänzlich neu, scheint mir aber durch die Neufassung immer noch nicht ausreichend aufgelöst zu werden.

Bei der Medienplattform ist es außerdem so, dass Rundfunkangebote und rundfunkähnliche Telemedien zusammengefasst werden müssen, während Intermediäre jedwede journalistisch-redaktionellen Angebote aggregieren.

Für Intermediäre wie Suchmaschinen und soziale Netze besteht zunächst die Pflicht, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Außerdem werden ihnen Transparenzpflichten auferlegt. Hierzu gehört es, über die zentralen Kriterien einer Aggregation, Selektion und Präsentation von Inhalten und ihre Gewichtung einschließlich Informationen über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen in verständlicher Sprache zu informieren. Intermediäre dürfen außerdem Anbieter von journalistisch-redaktionellen Inhalten nicht diskriminieren oder unterschiedlich behandeln.

posted by Stadler at 20:43  

21.2.17

Wann haben Blogs Informationsrechte gegenüber Behörden?

Nach einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27.01.2017 (Az.: 7 CE 16.1994), der mir vorliegt, stellt das Blog einer Verlagsgruppe zu einer bestimmten Thematik, in dem von der Redaktion zugelassene und redaktionell betreute Autoren Artikel veröffentlichen, ein Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV dar. Im konkreten Fall ist dies mit der Folge verbunden, dass ein Auskunftsanspruch gegenüber Behörden nach § 9a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 RStV geltend gemacht werden kann.

Zur Begründung seiner Entscheidung führt der VGH u.a. folgendes aus:

Bei dem Internetblog „Störungsmelder“ handelt es sich um ein Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten i.S.v. § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV. Entscheidend hierfür ist die publizistische Zielsetzung der Beiträge der Autoren des Blogs (VGH BW, B.v. 25.3.2014 –1 S 169/14 – juris Rn. 22). Es handelt sich dabei nicht um bloße Meinungskundgebungen und Diskussionsbeiträge, sie zielen vielmehr auf eine Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ab. Sie berichten über Vorkommnisse im Bereich des Rechtsextremismus und beruhen auf einem Mindestmaß an Recherchearbeit. Die publizistische Zielsetzung des Telemedienangebots wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Möglichkeit für Leser besteht, Kommentare abzugeben, die im Blog veröffentlicht werden. Die Kommentierungen, die jedermann offenstehen, unterscheiden sich deutlich von den Impulsartikeln. Sie sind auch bei Aufruf des Angebots nicht erkennbar, sondern müssen eigens aufgerufen werden.

Dem Charakter eines journalistisch-redaktionell gestalteten Angebots widerspricht auch nicht, wenn im Blog um weitere Autoren geworben wird. Sie können nicht unmittelbar Beiträge einstellen, sondern müssen sich der Redaktion mit näheren Angaben (Wo lebst du? Was verbindet dich mit dem Thema? Worüber genau möchtest du
berichten? Wie oft möchtest du bloggen?) vorstellen.

Die Antragstellerseite hat ferner unwidersprochen vorgetragen, dass die Autoren und die Beiträge durch ein Redaktionsmitglied betreut werden. Die Beiträge werden damit nicht beliebig und ungefiltert in das Angebot eingestellt. Die journalistisch-redaktionelle Ausrichtung des Angebots wird nach außen schon allein durch seine Aufmachung erkennbar. Als Anbieter tritt unverkennbar die bundesweit bekannte Verlagsgruppe „DIE ZEIT“ auf. An die journalistische Qualität des Angebots dürfen im Übrigen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Neben dem „Ob“ ist auch das „Wie“ der Berichterstattung Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse und der ihr verwandten neuen Medien (BVerfG, B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 – juris Rn. 29).

Anders als das Kammergericht, in einer äußerst fragwürdigen neueren Entscheidung, stellt der VGH darauf ab, ob ein Blog eine publizistische Zielsetzung verfolgt. Das Gericht macht andererseits deutlich, dass nicht schon jede Meinungskundgabe und jeder Diskussionsbeitrag ein Blog zu einem journalistisch-redaktionell gestalteten Angebot macht. Diese Differenzierung des VGH erscheint mir sachgerecht, gerade auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit §§ 55 Abs. 2 – 57 RStV Regelungen für die „elektronische Presse“ treffen wollte.

posted by Stadler at 11:55  

7.12.16

Anspruch auf Gegendarstellung wegen Äußerungen in einem Blog

Der ehemalige Piratenpolitiker Christopher Lauer (bis 2016 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses), der mittlerweile der SPD beigetreten ist, hat gerichtlich einen Gegendarstellungsanspruch gegen seinen früheren Parteikollegen Simon Lange durchgesetzt, wegen angeblich unrichtiger Tatsachenbehauptungen Langes in dessen Blog. Die Gegendarstellung ist im Blog Langes auch online.

Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 28.11.2016 (Az.: 10 W 173/16) eine Beschwerde Langes gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Das Landgericht Berlin hatte Lange auf Antrag Lauers zuvor mit einstweiliger Verfügung vom 4.10.2016 (Az.: 27 O 513/16) zur Veröffentlichung der Gegendarstellung verpflichtet.

Interessant an der Entscheidung des Kammergerichts ist der Umstand, dass es sich um ein privates Blog mit nur unregelmäßigen Beiträgen handelt, wobei teilweise über Zeiträume von sechs Monaten hinweg kein einziger Blogbeitrag eingestellt wurde.

Der Gegendarstellungsanspruch ergibt sich aus § 56 Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Diese Vorschrift setzt allerdings einen Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten voraus, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden.

Das Kammergericht hat das Vorliegen eines journalistisch-reaktionellen Angebots lediglich darauf gestützt, dass das Kriterium der Aktualität erfüllt sei, weil Lange immer wieder zu aktuellen Vorkommnissen und politischen Fragestellungen Stellung genommen habe. Mit der entgegenstehenden herrschenden Ansicht in der Literatur setzt sich das Kammergericht in seiner Entscheidung leider nicht auseinander. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass nur gelegentliche journalistisch-redaktionell gestaltete Texte auf privaten Homepages nicht erfasst werden (Mann, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., § 56 RstV, Rn. 11).

Wenn man sich die Beiträge auf Langes Website/Blog anschaut, wird man sich auch die Frage stellen müssen, inwieweit hier tatsächlich eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung vorliegt. Ausweislich der Begründung zu § 54 Abs. 2 im 9. RÄStV sind „alle Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die als elektronische Presse in Erscheinung treten“, erfasst. Hierzu hat der VGH Baden-Württemberg in einer Entscheidung aus dem Jahre 2014 ausgeführt:

Die Bindestrich-Verknüpfung „journalistisch-redaktionell“ bedeutet journalistisch und redaktionell, d.h. es müssen kumulativ beide Voraussetzungen erfüllt sein. Journalistische Angebote sind stets auch redaktionell gestaltet. Umgekehrt gehören aber nicht alle redaktionell gestalteten Angebote zum Online-Journalismus (Lent, ZUM 2013, 914 <915>). Journalistisch-redaktionelle Angebote zeichnen sich dadurch aus, dass bei ihnen Informationen nach ihrer angenommenen gesellschaftlichen Relevanz ausgewählt und zusammengestellt werden. Dahinter steht das Ziel des Anbieters, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen (Held, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl., § 54 RStV Rn. 51). Dabei ist es allerdings nicht erforderlich, dass das Angebot sich an eine breite Öffentlichkeit richtet. Auch auf enge Zielgruppen zugeschnittene Angebote können journalistisch sein, wenn sie eine erkennbare publizistische Zielsetzung haben, d.h. von der Intention her auf Teilhabe am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung – jedenfalls innerhalb der Zielgruppe – angelegt sind (vgl. Lent, a.a.O. S. 915, 916; ähnlich BGH, Urt. v. 23.06.2009 – VI ZR 196/08BGHZ 181, 328 zum datenschutzrechtlichen Medienprivileg in § 41 Abs. 1 BDSG: journalistisch redaktionelle Gestaltung liegt vor, wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots ist).

Man kann also bei sehr großzügiger Anwendung dieser Maßstäbe von einer journalistisch-redaktionellen Gestaltung ausgehen, wenn man allein darauf abstellt, dass es dem Blogger wesentlich darum geht, an der Meinungsbildung mitzuwirken. Wenn man allerdings ein Mindestmaß an journalistischer Arbeitsweise unterstellt und eine gewisse Nähe zur klassischen Presse verlangt, dürfte das Blog Langes die Anforderungen kaum erfüllen.

Die Entscheidung des Kammergerichts führt also dazu, dass selbst Gelegenheitsblogger, die vorwiegend über politische, gesellschaftliche, weltanschauliche Themen bloggen – aber auch Blogs aus dem Bereich der Kultur und des Sports könnten betroffen sein – und damit auf Meinungsbildung abzielen, als journalistisch-redaktionelle Anbieter gelten, mit der Folge, dass sie der erweiterten Impressumspflicht des § 55 Abs. 2 RStV unterliegen und der Gegendarstellungspflicht des § 56 RStV. Ob dies tatsächlich dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht, darf man bezweifeln. Es ließe sich dann auch nicht mehr nachvollziehbar erklären, warum nicht jeder, der auf Facebook oder Twitter vorwiegend Meinung postet, ebenfalls erfasst wäre.

posted by Stadler at 10:32  

1.5.15

Streit um Tagesschau-App: Verlage siegen beim BGH

Der BGH hat die Entscheidung des OLG Köln zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit der Tagesschau-App aufgehoben und an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (Urteil vom 30. April 2015 – I ZR 13/14 – Tagesschau-App).

Anders als das OLG geht der BGH davon aus, dass die Gerichte trotz der öffentlich-rechtlichen Genehmigung des Medienangebots „tagesschau.de“ befugt sind, die Frage der Presseähnlichkeit zu prüfen. Bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote handelt es sich nach Ansicht des BGH um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

Das OLG Köln wird jetzt inhaltlich zu prüfen haben, ob Tagesschau.de bzw. die Tagesschau-App presseähnlich sind bzw. im streitigen Zeitpunkt waren. Nach Ansicht des BGH kommt es insoweit entscheidend auf den Textanteil des Onlineangebots an.

Die Frage könnte außerdem durchaus noch ein verfassungsgerichtliches Nachspiel haben, nachdem es vorliegend auch um die Frage der Reichweite der Rundfunkfreiheit geht. Dieser Aspekt wird jedenfalls in der Pressemitteilung des BGH nicht weiter thematisiert. Ich habe die zentralen Rechtsfragen anders beurteilt als der BGH und bin gespannt, wie die Sache letztendlich ausgehen wird. Der Ausgang des Rechtsstreits dürfte erhebliche Auswirkung darauf haben, was öffentlich-rechtliche Sender im Netz künftig tatsächlich an Inhalten anbieten dürfen.

Ob dem BGH die verfassungsrechtliche Dimension der Frage der Presseähnlichkeit von öffentlich-rechtlichen Angeboten bewusst ist, wird die schriftliche Urteilsbegründung zeigen. Der ehemalige Präsident des BVerfG hat sich mit dieser Frage schon mal ausführlich befasst (Danke an Holger Nohr für den Link).

Quelle: PM des BGH vom 30.04.2015

posted by Stadler at 20:57  

15.4.15

Schleichwerbung im Netz

Verdeckte Werbung bzw. Schleichwerbung ist auch in Blogs, sozialen Medien, auf Onlineportalen und Websites rechtlich unzulässig. In den letzten Wochen wurde über ein Urteil des Landgerichts München I berichtet, das es dem Ärztebewertungsportal Jameda verbietet, eine „Top-Platzierung“ eines Arztes oberhalb der eigentlichen Suchergebnisse anzuzeigen, wenn der Werbecharakter dieser Anzeige nicht klar erkennbar wird.

Es gibt eine ganze Reihe gesetzlicher Vorschriften, die sog. verdeckte Werbung auch und gerade im Internet verbieten. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist es unzulässig, den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen zu verschleiern. Nach der Ziff. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (sog. schwarze Liste) sind von einem Unternehmen finanzierte redaktionelle Inhalte (als Information getarnte Werbung) unzulässig, wenn sich der Umstand der Bezahlung nicht eindeutig aus der optischen oder akustischen Darstellung ergibt.

§ 6 TMG verlangt, dass sog. kommerzielle Kommunikation – der Begriff geht über den Begriff der Werbung hinaus, erfasst aber auch Werbemaßnahmen – klar als solche erkennbar sein muss. Unter den Begriff der kommerziellen Kommunikation fallen beispielsweise auch Maßnahmen der Verkaufsförderung, Preisausschreiben, Gewinnspiele und Verkaufsabsprachen. Vor diesem Hintergrund dürften beispielsweise auch sog. Affiliate-Links als kommerzielle Kommunikation zu betrachten sein, mit der Folge einer Pflicht zur deutlichen Kennzeichnung.

Schließlich normiert § 58 Abs. 1 RStV auch für Internetangebote das sog. Trennungsgebot:

Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.

Insgesamt muss Werbung also für den Nutzer deutlich erkennbar sein und von den übrigen Inhalten getrennt werden. Unzulässig sind damit nicht nur Werbeanzeigen, die nicht ausreichend deutlich gekennzeichnet sind. Unzulässig sind vor allen Dingen auch von Werbepartnern bezahlte Texte oder Links, die nicht deutlich als Werbung erkennbar sind. Auch positive Produkt- oder Leistungsbewertungen durch Nutzer, die von Unternehmen beauftragt worden sind, stellen unzulässige Werbepraktiken dar. Insoweit sind insbesondere alle Erscheinungsformen des sog. viralen Marketings problemtisch, sofern der Eindruck entsteht, ein Nutzer würde ein bestimmtes Produkt oder eine Leistung von sich aus empfehlen, obwohl er in Wirklichkeit hierfür bezahlt wird oder vom werbenden Unternehmen einen geldwerten Vorteil in Form von Sachzuwendungen erhält.

posted by Stadler at 10:16  

29.1.15

BGH entscheidet demnächst wieder Filesharing-Sachverhalte und den Streit um die Tagesschau-App

Am 30.04.2015 verhandelt der BGH den Streit um die Tagesschau-App (Az.:I ZR 13/14), mit dem ich mich in diesem Blog u.a. hier und hier ausführlich beschäftigt habe.

Außerdem sind zwei weitere Filesharing-Fälle beim BGH gelandet, über die der I. Zivilsenat am 11.06.2015 (Az.: I ZR 7/14 und I ZR 19/14) verhandeln wird. Eine grundlegende Klärung ist wohl auch in diesen Verfahren nicht zu erwarten.

Im ersten Fall steht fest, dass die 16-Jährige Tochter der Anschlussinhaberin die Rechtsverletzung begangen hat. Der Streit dreht sich offenbar primär noch um die Frage, ob die Mutter die 16-jährige dahingehend belehren musste, dass sie den Anschluss nicht für Urheberrechtsverletzung benutzen darf. Eine entsprechende Belehrungspflicht hatte der BGH bei einem 13-jährigen Kind angenommen und eine Haftung unter dem Aspekt der Aufsichtspflichtverletzung angenommen.

Die Belehrungspflichten die der BGH annimmt, haben mit der Lebenswirklichkeit ohnehin wenig zu tun. In vielen Fällen ist es nämlich so, dass die als Anschlussinhaber in Anspruch genommenen Eltern von dem Phänomen „Filesharing“ zum ersten Mal mit dem Erhalt der Abmahnung überhaupt erfahren haben. Wer hier eine Belehrungspflicht annimmt, erwartet von einem Durchschnittsbürger erhebliche (technische) Kenntnisse, über die viele Menschen schlicht nicht verfügen.

In dem anderen Fall leben neben dem Beklagten (Anschlussinhaber) noch dessen Ehefrau und sein 17-jähriger Sohn im Haushalt, wobei beide nach den Feststellungen der Instanzgerichte nicht als Verletzter in Betracht kommen. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob man von einer Täterschaft des Anschlussinhabers ausgehen kann, oder ob die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers, die der BGH in einer früheren, meines Erachtens ebenfalls kritikwürdigen Entscheidung, postuliert hat, allein dadurch erschüttert ist, dass mehrere Personen den Anschluss nutzen.

Quelle: PM des BGH vom 28.01.2015

posted by Stadler at 09:27  

10.9.14

Drittsendezeiten im Programm von Sat1 entfallen vorerst

Privatsender mit einem gewissen Marktanteil müssen zur Sicherung der Meinungsvielfalt grundsätzlich in ihren Hauptprogrammen Sendezeiten für externe Programmanbieter als Fensterprogramme einräumen. Bei Sat1 waren das u.a. die Sendungen Planetopia und Spiegel TV Reportage/Focus TV Reportage.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in zwei gestern veröffentlichten Beschlüssen entschieden, dass die durch die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz im letzten Jahr vorgenommene Vergabe von Sendezeiten für unabhängige Dritte im Programm von Sat.1 an die bisherigen Programmanbieter rechtswidrig ist (Beschlüsse vom 23. Juli 2014 und 8. September 2014, Aktenzeichen 2 B 10323/14.OVG und 2 B 10327/14.OVG).  In der Pressemitteilung des OVG werden die maßgeblichen Erwägungen des Gerichts folgendermaßen zusammengefasst:

Das Oberverwaltungsgericht stuft den Zulassungsbescheid insgesamt als rechtswidrig ein. Es sieht bereits Fehler bei der Ausschreibung der Drittsendezeiten, die offensichtlich auf die Bedürfnisse von „News and Pictures“ ausgerichtet gewesen sei. Darüber hinaus beanstandet es, dass die LMK das Verfahren unter einem für Sat.1 unangemessenen Zeitdruck durchgeführt habe und die nach den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages notwendige Erörterung mit Sat.1 wegen der Auswahl der Bewerber um die Fensterprogramme nicht mit dem Ziel einer einvernehmlichen Einigung vorgenommen worden sei. Auch aus einer Gesamtschau weiterer Gesichtspunkte ergebe sich, dass die Auswahl unter den Bewerbern für die Fensterprogramme nicht fair und ergebnisoffen erfolgt sei.

posted by Stadler at 14:03  

20.12.13

Klage gegen Tagesschau-App in 2. Instanz abgewiesen

Dass die von acht Zeitungsverlagen angestrengte Klage gegen die Smartphone-App der Tagesschau in der Berufungsinstanz beim OLG Köln wohl keinen Erfolg haben würde, hatte sich bereits abgezeichnet. Mit Urteil vom 20.12.2013 hat das OLG Köln die Klage jetzt abgewiesen und ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Köln aufgehoben.

Das zentrale Argument des Senats besteht darin, dass die Tagesschau-App lediglich eine Umsetzung von tagesschau.de sei. Auf diesen Umstand hatte ich hier im Blog bereits vor über zwei Jahren hingewiesen. Tagesschau.de habe, so das OLG, den gesetzlich vorgegebenen Dreistufen-Test durchlaufen und ist anschließend durch die Niedersächsische Staatskanzlei freigegeben worden. Die Freigabe sei eine verbindliche Feststellung der Konformität des Medienangebots mit den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrages. Der Senat als Wettbewerbsgericht sei an die rechtliche Bewertung der mit der Prüfung des Telemedienkonzepts befassten Institutionen gebunden.

Das Gericht geht also davon aus, dass es vor diesem Hintergrund eines öffentlich-rechtlichen Verfahrens überhaupt nicht befugt sei, abweichend von der behördlichen Prüfung, einen Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag festzustellen.

Das OLG Köln hat die Revison zum BGH zugelassen.

Funfact am Rande: Christoph Keese vom Springer-Verlag hat sich vor zweieinhalb Jahren darüber beklagt, dass ich den Verlagen im Wege der Ferndiagnose eine Niederlage vor Gericht prophezeit habe.

posted by Stadler at 15:42  

2.12.13

Wende im Streit um die Tagesschau-App?

Acht Zeitungsverlage klagen in Köln gegen die Tagesschau-App der ARD und hatten zunächst beim Landgericht Köln einen Teilerfolg erzielt, von dem sie freilich nicht viel haben. Das Landgericht hatte in seiner Entscheidung allerdings den rundfunkrechtlichen Rahmen gänzlich verkannt. In zweiter Instanz sieht es nunmehr offenbar nach einer Wende und einer vollständigen Niederlage der Verlage aus. Ein Ergebnis, das ich bereits vor zwei Jahren hier und hier prognostiziert hatte.

Das OLG Köln hat in der mündlichen Verhandlung offenbar betont, dass die App lediglich eine andere Darstellung der Inhalte von Tagesschau.de darstellt und diese Inhalte den gesetzlich vorgegebenen Drei-Stufen-Test korrekt durchlaufen haben. Ein gesetzlich vorgegebenes rundfunkrechtliches Verfahren kann aber über das Wettbewerbsrecht nicht ohne weiteres korrigiert werden.

posted by Stadler at 21:26  

7.4.13

Wann ist Internet eigentlich Rundfunk?

Die Diskussion darüber, ob ein Google Hangout von Angela Merkel (zulassungspflichtiger) Rundfunk ist oder ein zulassungsfreier sog. Telemediendienst, hat eine nicht ganz neue juristische Diskussion ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit gerückt.

Zunächst muss man wissen, dass es Rundfunk im verfassungsrechtlichen und im einfachgesetzlichen Sinne gibt und beides nicht zwingend deckungsgleich ist. Der Rundfunk im Sinne von Art. 5 GG ist also nicht unbedingt identisch mit dem was der Rundfunkstaatsvertrag unter Rundfunk versteht.

In der juristischen Diskussion gibt es eine weit verbreitete Ansicht, die Internetangebote mit einer gewissen publizistischen Relevanz immer als Rundfunk im Sinne von Art. 5 GG betrachten. Da das Grundgesetz das Internet bzw. neue Medien nicht kennt, lassen sich entsprechende Angebote verfassungsrechtlich nur als Rundfunk oder als Presse qualifizieren. Beides passt im Grunde nicht wirklich. Dieser Streit ist aber mehr oder minder vorwiegend akademischer Natur.

Anders ist es bei der einfachgesetzlichen Frage, ob ein Angebot Rundfunk oder Telemediendienst ist. Denn das eine bedarf einer Zulassung, das andere ist zulassungsfrei. § 2 des Rundfunkstaatsvertrags trifft die Abgrenzung folgendermaßen:

Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Der Begriff schließt Angebote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind. Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach Satz 1 und 2 sind.

Der Rundfunk ist legal also unmittelbar definiert, während Telemedien nur negativ als diejenigen Dienste definiert werden, die nicht Telekommunikation oder Rundfunk sind.

Man kann danach einen Google Hangout durchaus als Rundfunk qualifizieren, wenn er sich an die Allgemeinheit richtet, also eine gewisse Reichweite hat und für jedermann zugänglich ist. Es ist folglich verständlich, dass sich diejenigen, deren Livestreams von Landesmedienanstalten als Rundfunk qualifiziert wurden, nunmehr darüber wundern, dass der Hangout mit der Bundeskanzlerin relativ schnell als zulassungsfreies Telemedium eingestuft wurde. Die Frage ist an dieser Stelle die, ob das Gesetz mit dem Begriff des „Sendeplans“ auf eine regelmäßige bzw. wiederkehrende Ausstrahlung von Inhaltsangeboten abstellt, oder auch eine einmalige „Sendung“ ausreichend sein kann.

Die Frage der Staatsferne des Rundfunks, die in der Diskussion um den Google Hangout Merkels ebenfalls ins Feld geführt wird, hat mit dieser Diskussion nicht unmittelbar etwas zu tun, sondern knüpft eigentlich nur an die verfassungsrechtliche Frage an, ob der Staat selbst Rundfunk anbieten darf. Hier kommen wir zu dem zurück, was ich eingangs gesagt habe. Wenn man auch Telemedien als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne betrachten würde, dann dürften der Bundestag und die Bundesregierung streng genommen noch nicht einmal Websites betreiben.

An dieser Stelle zeigt sich sehr deutlich, dass das Netz hier auch die Rechtsdogmatik an ihre Grenzen führt.

Wer einen Google Hangout mit Angela Merkel für verfassungsrechtlich bedenklich hält, muss erklären können, warum das nicht auch für die Website der Bundesregierung gelten sollte.

posted by Stadler at 10:00  
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