Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.11.16

Abmahnwelle Black Friday?

Wenn Sie bei Black Friday immer noch an einen Börsenchrash im Jahre 1929 denken, dann sind sie wirklich von vorgestern, denn es handelt sich mittlerweile um eine aus den USA herübergeschwappte Bezeichnung für den letzten Freitag im November, in dem der Handel, quasi zu Beginn des Weihnachstgeschäfts gerne Umsatzrekorde einfahren würde. Gesagt getan. Zu so einer richtigen Hype- und Marketingwelle gehört in Deutschland natürlich auch noch eine gestandene Abmahnwelle. Ein windiges Unternehmen aus Hongkong hat im Jahre 2013 die deutsche Wortmarke Black Friday eintragen lassen und wenn man sich das dazugehörige, schwindelerregende Waren- und Dienstleistungsverzeichnis anschaut, muss man sofort den Eindruck gewinnen, dass das eigentliche Geschäftsmodell hinter der Marke von vornherein das Abmahngeschäft war. Gesagt getan, wie die SZ berichtet.

Sollten sich die Abmahnungen der Super Union Holdings Ltd allerdings allein darauf stützen, dass Händler Sonderangebote o.ä. für den heutigen Black Friday anpreisen und ankündigen, dürfte die markenmäßige Benutzung zur Bezeichnung einer Ware- oder Dienstleistung äußerst zweifelhaft sein. Die Abmahnwelle könnte also ein Sturm im Wasserglas sein.

posted by Stadler at 17:03  

25.11.16

Nach welchen Kriterien löscht Facebook?

Auf mobilegeeks ist ein lesenswerter Beitrag zu der Frage erschienen, nach welchen Kriterien Facebook prüft und löscht, wenn ein Posting eines (deutschen) Nutzers als Rechtsverstoß gemeldet wird. Neu war für mich die Information, dass Facebook Verstöße aus Deutschland von einem externen Dienstleister, einer Bertelsmanntochter, überprüfen lässt, der ca. 600 Personen beschäftigt, die nur damit betraut sind, deutsche Facebook-Meldungen zu überprüfen. Der Beitrag erläutert, dass Facebook ein eigenes Regelwerk aufgestellt hat, anhand dessen die Mitarbeiter löschen oder Beiträge eben unbeanstandet lassen.

Und genau darin liegt wohl das Hauptproblem der oftmals falschen und nicht nachvollziehbaren Überprüfungen durch Facebook. Prüfungsmaßstab für Rechtsverletzungen, die von inländischen Nutzern ausgehen oder sich gegen inländische Nutzer richten, ist das geltende (deutsche) Recht und nicht irgendwelche Standards die Facebook selbst definiert.Die Orientierung an Katogorien wie Hatespeech oder Rassismus ist dabei nur bedingt hilfreich. Denn Postings, die rassistisch sind, sich gegen Minderheiten richten oder sich durch eine aggressive oder hasserfüllte Sprache auszeichnen, können gleichwohl vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein. Andererseits können falsche und/oder ehrenrührige Tatsachenbehauptungen, die weder offensichtlich aggressiv oder hasserfüllt sind, Persönlichkeitsrechte verletzen. Wenn man nicht will, dass sich hier ein von Facebook geschaffenes Parallelrecht etabliert, das über keinerlei Legitimation verfügt, dann muss man sich von einer Löschpolitik, die sich an politischen Begriffen wie Hatespeech orientiert, lösen.

Grundsätzlich ist die Haftung von Facebook als Portalbetreiber nach deutschem und europäischem Recht übrigens längst klar umrissen. Jedenfalls dann, wenn Facebook von einer erkennbaren Rechtsverletzung Kenntnis erlangt, haftet es uneingeschränkt zvilrechtlich und auch strafrechtlich. Faceebook muss Postings, die Rechte Anderer verletzen oder gegen Strafvorschriften verstoßen, zügig löschen. In der Praxis funktioniert das aber nur sehr eingeschränkt, weil viele Betroffenen einfach nicht den Aufwand betreiben wollen, Facebook Ireland, das nach dem Impressum als Diensteanbieter agiert, gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Möglich wäre das in vielen Fällen natürlich.

Als Anwalt habe ich übrigens im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, dass Facebook selbst dann nicht löscht, wenn man einen gerichtlichen Unterlassungstitel vorlegt, der den postenden Nutzer zur Unterlassung verpflichtet. Auch in solchen Fällen kann man von Facebook die standardisierte Rückmeldung erhalten, dass ein Verstoß gegen die Community Standards nicht ersichtlich ist, obwohl der Rechtsverstoß deutlicher gar nicht mehr belegt werden kann.

posted by Stadler at 09:42  

24.11.16

BGH verneint Störerhaftung bei passwortgeschütztem W-LAN

Der BGH hat in einer heute verkündeten Entscheidung eine Störerhaftung des Inhabers eines Internetanschlusses verneint, wenn das W-LAN ausreichend (WPA2) verschlüsselt ist. Hierzu reicht nach Ansicht des BGH auch die Benutzung des vom Routerhersteller auf das Gerät aufgebrachten 16-stelligen Schlüssels, wenn es sich hierbei um ein Passwort handelt, das vom Hersteller für jedes Gerät individuell vergeben wird (Urteil vom 24.11.2016, Az.: I ZR 220/15). Das klang beim I. Zivilsenat in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ noch anders.

Die Bedeutung der Entscheidung für Fälle des Filesharing ist allerdings begrenzt. Denn der BGH geht zunächst einmal von der Vermutung aus, dass der Anschlussinhaber die Rechtsverletzung begangen hat. Zur Störerhaftung – die eine Haftung für Rechtsverletzungen Dritter ist – gelangt man überhaupt erst dann, wenn man ausreichend darlegen kann, dass eine Rechtsverletzung durch einen Dritten ernsthaft und konkret in Betracht kommt. Wenn es sich hierbei um einen unbekannten Dritten handeln soll, der den Router gehackt hat, dann müssen die konkreten Umstände dargelegt werden, unter denen sich der Dritte den unberechtigten Zugang verschafft hat. Das ist im Zweifel kaum möglich. Im vorliegenden Fall wird sich der BGH mit dieser Frage vermutlich nicht näher befasst haben, weil er insoweit auf die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zurückgegriffen hat und an diese auch gebunden ist.

In den typischen Fällen des Filesharings wird diese Entscheidung den Anschlussinhabern also nicht helfen.

posted by Stadler at 17:50  

24.11.16

Bundesverfassungsgericht zum Leistungsschutzrecht der Presseverleger

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 10.10.2016, Az.: 1 BvR 2136/14). Das Gericht war der Meinung, Beschwerdeführer Yahoo sei es zuzumuten, zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz vor den Zivilgerichten in Anspruch zu nehmen.

Gleichwohl erscheinen mir insbesondere die nachfolgenden Ausführungen des BVerfG bemerkenswert:

Die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Normen die Möglichkeit und die Verpflichtung, die Grundrechtspositionen der Beschwerdeführerinnen hinreichend zu berücksichtigen. Sie haben die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung zwischen den geschützten Rechtspositionen der Presseverleger und den damit konkurrierenden Grundrechtspositionen insbesondere von Suchmaschinenbetreibern und Anbietern, die die Inhalte entsprechend aufbereiten, nachzuvollziehen und dabei unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen zu vermeiden (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 31. Mai 2016 – 1 BvR 1585/13 -, NJW 2016, S. 2247 <2250 Rn. 82>). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von Suchmaschinen für die Verwirklichung der Informationsfreiheit (vgl. BVerfGK 20, 37 <40>; EuGH, Urteil vom 8. September 2016, GS Media, C-160/15, EU:C:2016:644, Rn. 45; zur Bedeutung von Suchdiensten auch BGHZ 156, 1 <18 f.> – Paperboy).

Auslegungsspielräume bestehen insbesondere bei den Fragen, was unter einem „Presseerzeugnis“ zu verstehen ist und wann „kleinste Textausschnitte“ vorliegen, die nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst sind. Die Fachgerichte müssen dabei beachten, dass Suchmaschinen einem automatisierten Betrieb unterliegen, bei dem nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann ein Presseerzeugnis vorliegt. Eine händische Kontrolle im Einzelfall ist insofern nicht möglich. Bei der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Rechtsnormen ist deshalb das Interesse von Suchmaschinenbetreibern zu berücksichtigen, Textausschnitte in einem Umfang nutzen zu dürfen, der dem Zweck von Suchmaschinen gerecht wird, Informationen im Internet einschließlich Online-Presseerzeugnisse auffindbar zu machen.

(…)

Angesichts der Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit der angegriffenen Rechtsnormen – insbesondere im Hinblick auf die Begriffe des Presseerzeugnisses und der kleinsten Textausschnitte – ist eine fachgerichtliche Klärung des Inhalts der einfachgesetzlichen Regelungen vor einer verfassungsgerichtlichen Beurteilung angezeigt. Gerade im Hinblick auf die Ausnahme zugunsten kleinster Textausschnitte steht hier auch die konkrete Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen in Frage. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur werden im Hinblick auf die Grenzen der Ausnahme ganz unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. LG München I, Beschluss vom 5. Februar 2016 – 37 O 23580/15 -, juris, Rn. 97; Jani, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 87f Rn. 17; Apel, ZUM 2015, S. 522 ; Hossenfelder, ZUM 2013, S. 374 ; Schippan, ZUM 2013, S. 358 ; Spindler, wrp 2013, S. 967 ).

Das Bundesverfassungsgericht macht also deutlich, dass Suchmaschinen die Möglichkeit haben müssen, Textausschnitte in einem Umfang zu nutzen, der dem Zweck von Suchmaschinen, den Nutzern die Auffindbarkeit von Informationen zu ermöglichen, gerecht wird.

Vor diesem Hintergrund könnte eine aktuelle Entscheidung des OLG München, in der ohne nähere Begründung davon ausgegangen wird, dass ein Textausschnitt der aus 25 Worten besteht, nicht mehr als kleinster Textausschnitt betrachtet werden kann, kritisch zu sehen sein.

posted by Stadler at 16:35  

18.11.16

Auch GEMA darf keine Verlegeranteile abführen

Das Kammergericht hat die Rechtsprechung des BGH zur VG Wort auf die GEMA übertragen und entschieden, dass auch die GEMA nicht berechtigt ist, Musikverlage an den Vergütungsanteilen der Urheber (Komponisten und Texter) zu beteiligen (Urteil vom 14.11.2016, Az.: 24 U 96/14).

Danach darf die GEMA Gelder nur an diejenigen Berechtigten ausschütten, die ihre Rechte wirksam übertragen haben. Wenn die Urheber ihre Rechte zuerst aufgrund vertraglicher Vereinbarungen auf die GEMA übertragen haben, so können die Verleger keine Ansprüche aus den Urheberrechten der Künstler ableiten. Denn den Verlegern stehe kein eigenes Leistungsschutzrecht zu.

Eine Revision des Urteils zum Bundesgerichtshof ließ das Kammergericht nicht zu, eine Nichtzulassungsbeschwerde dürfte, nach der Pressemitteilung des Kammergerichts, mangels Erreichen der erforderlichen Beschwerdesumme nicht zulässig sein.

posted by Stadler at 07:26  

4.11.16

Schützt das Urheberrecht Witze und Gags?

Über einen Blogbeitrag des Kollegen Markus Kompa bin ich auf einen Text Stefan Niggemeiers gestoßen, in dem davon berichtet wird, dass der Kabarettist Florian Schroeder den Cartoonisten Elias Hauck und Dominik Bauer einen Witz geklaut hätte und ihm jetzt vom Landgericht Köln durch einstweilige Verfügung untersagt worden sei, den Witz weiter öffentlich in seinen Auftritten zu verbreiten.

Das möchte ich zum Anlass nehmen, hier mal der Frage nachzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen Witze, Gags oder Pointen urheberrechtlichen Schutz genießen können.

Nachdem das Urheberrecht keine Ideen sondern nur konkrete Werke schützt, ist die Witzidee, also die Pointe, als solche nicht schutzfähig. Wenn man den Witz inhaltlich ähnlich, aber mit anderen Worten erzählt, kommt ein Urheberrechtsverstoß also auch dann nicht in Betracht, wenn man die Pointe „geklaut“ hat.

Voraussetzung eines Urheberrechtsverstoßes ist es, dass der Witz als Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG anzusehen ist. Die Schutzfähigkeit setzt allerdings zusätzlich voraus, dass eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt (§ 2 Abs. 2 UrhG). Nachdem die Rechtsprechung keine sonderlich hohen Anforderung an die schöpferische Eigentümlichkeit stellt und die sog. kleine Münze genügen lässt, können durchaus auch sehr kurze Texte schutzfähig sein. Die Rechtsprechung hat das im humoristischen Bereich beispielsweise für kurze, prägnante Sätze oder Aussagen von Loriot und Karl Valentin angenommen. Andererseits muss auch ein Witz oder Gag ein Mindestmaß an Individualität und Originalität aufweisen, um die niedrige Hürde der Schöpfungshöhe zu überspringen.

Und genau das erscheint mir bei dem recht naheliegenden Witz über den die Cartoonisten Hauck und Bauer mit dem Kabarettisten Schroeder streiten, diskutabel zu sein.

Bei Witzen kommt hinzu, dass der tatsächliche Urheber häufig kaum feststellbar ist, weil es gerade dem Wesen des Witzes enstpricht, dass er von möglichst vielen Menschen weitererzählt wird. Man kann sich also durchaus auch die Frage stellen, ob der Urheber eines Witzes nicht von vornherein dulden muss, dass sich sein Witz verbreitet und verbreitet wird, weil genau das in der Natur der Sache liegt.

posted by Stadler at 12:02