Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) versucht anhand eines Fragen-Antwort-Katalogs das geplante Leistungsschutzrecht für Presserzeugnisse zu rechtfertigen und Bedenken zu zerstreuen. Die fünf Fragen die der BDZV aufwirft, möchte hier ebenfalls stellen und beantworten.
Schränkt ein Leistungsschutzrecht für Verlage die Informationsfreiheit ein?
Ja. Die Begründung des vorliegenden Referentenentwurfs bezieht sich ausdrücklich auf die BGH-Entscheidung “Metall-auf-Metall” die zum Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers ergangen ist. Das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers umfasst selbst “kleinste Tonfetzen”, wie der BGH in der Metall-auf-Metall-Entscheidung wörtlich ausführt. Übertragen auf ein Leistungsschutzrecht für Verlagsprodukte würde dies bedeuten, dass auch kleinste Textbestandteile, sogar einzelne Wörter, vom Schutz umfasst wären. Jedenfalls aber ganze Sätze und Überschriften von Artikeln wären danach geschützt. Die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR) sieht darin zu Recht die Gefahr einer Monopolisierung der Sprache.
Auch die Möglichkeit Links zu setzen, wird, entgegen der Behauptung der Verleger, beeinträchtigt. Es mag zwar richtig sein, dass der Hyperlink als solcher vom Leistungsschutzrecht nicht erfasst wird. Wenn man als Linktext aber die Überschrift des Presseartikels oder eine prägnante Textpassage wählt, dann wäre das bereits ein solcher kleiner Fetzen des Presserzeugnisses und mithin ein Verstoß gegen das Leistungsschutzrecht des Verlags.
Besteht überhaupt eine Gesetzeslücke?
Nein. Dass die Verlage kein eigenständiges Schutzrecht besitzen, liegt daran, dass das Urheberrecht grundsätzlich nur den Urheber schützt. Wirtschaftliche Leistungen werden in fast allen Bereichen des Wirtschaftslebens nicht durch ein spezielles Sonderrecht geschützt. Das Fehlen eines Schutzrechts ist also der Normalfall. Die Verlage sind ohnehin in der komfortablen Situation, dass sie sich von ihren Autoren urheberrechtliche Nutzungsrechte in fast beliebigem Umfang einräumen lassen können und davon auch umfassend Gebrauch machen.
Es ist sachgerecht, dass die Verlage die Rechte an Inhalten, die nicht von ihnen selbst stammen, von denjenigen (Urhebern) ableiten müssen, die diese Inhalte geschaffen haben. Die Verlage haben deshalb bislang aus gutem Grund kein eigenes, sondern nur ein abgeleitetes Recht an den Texten ihrer Autoren.
Wenn man den urheberrechtlichen Schutz von Texten über den Umweg des Leistungsschutzrechts dahingehend ausdehnen will, dass selbst kleinste Textschnipsel zugunsten der Verleger geschützt sind, würde sich zudem ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch ergeben. Die Verlage geben vor, ihre organisatorische und wirtschaftlich-finanzielle Leistung schützen lassen zu wollen. In Wirklich werden durch das geplante Leistungsschutzrecht aber wiederum nur Texte geschützt und zwar in einer Art und Weise die weit über den urheberrechtlichen Schutz hinausgeht, den der Journalist als Autor des Schriftwerks genießt. Warum aber sollte ein Text in größerem Umfang zugunsten eines Verlegers geschützt sein als zugunsten des Urhebers, der ihn verfasst hat?
Im Ergebnis bewirkt das Leistungsschutzrecht, dass der Verlag eine stärkere Position erhält, als der Urheber selbst, was keinesfalls sachgerecht ist.
Ist die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Verlage erforderlich?
Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich die Zielrichtung dieses Leistungsschutzrechts vor Augen führen. Das Leistungsschutzrecht zielt ausschließlich auf das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ab und damit allein auf Onlinesachverhalte. Die Verlage stellen ihre Print-Titel derzeit in mehr oder minder großem Umfang freiwillig und kostenlos ins Netz. Niemand zwingt sie dazu. Es ist also gar nicht so sehr die Urheberrechtsverletzung, die den Verlagen zu schaffen macht. Denn der massenhafte kostenlose Abruf von Artikeln, die die Verlage selbst ins Netz gestellt haben, stellt keine Urheberrechtsverletzung dar. Was die Verlage letztlich beklagen, ist der Umstand, dass sie es bislang nicht geschafft haben, funktionierende Paid-Content-Modelle für das Netz zu etablieren. Man versucht hier also ein Problem, das seine Ursache außerhalb des urheberrechtlichen Bereichs hat, durch eine Verschärfung des Urheberrechts zu lösen. Und darin liegt vermutlich der Kardinalfehler des Gesetzesvorhabens.
Der BDZV bedient sich an dieser Stelle ergänzend einer beachtlichen Argumentation. Das Leistungsschutzrecht sei nämlich u.a. deshalb erforderlich, weil der Journalist dem Verleger, jedenfalls im Bereich der Tageszeitungen, regelmäßig nur einfache Nutzungsrechte an dem Text einräumen würde. Wenn jemand nur ein einfaches Nutzungsrecht erwirbt, dann bedeutet dies aber auch, dass eine (beliebige) Nutzung durch Dritte möglich bleibt und der Verlag in diesem Fall auch eine Nutzung durch Dritte nicht unterbinden kann. Wenn man nun ein Leistungsschutzrecht schafft, das wie ein ausschließliches Nutzungsrecht wirkt und ein Verbietungsrecht gegenüber jedermann enthält, dann unterläuft man die gesetzliche Wertung des § 31 Abs. 1 UrhG und schränkt die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Autoren ein. Wenn nämlich ein Verlag ein Leistungsschutzrecht besitzt, stellt sich die Frage, wie sich dieses Leistungsschutzrecht zu einem weiteren einfachen Nutzungsrecht verhält, das der Journalist eingeräumt hat. Und genau an dieser Stelle zeigt sich auch der Unterschied zum Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers sehr deutlich. Der Komponist eines Musikstücks kann mehrfach das nicht ausschließliche Recht einräumen, sein Lied aufzunehmen und zu verbreiten. Im Rahmen der Musikproduktionen entstehen unterschiedliche Versionen desselben Musikstücks, die wiederum in Form der jeweiligen Aufnahme gesondert durch ein Leistungsschutzrecht erfasst werden können. Dasselbe funktioniert bei einem Text allerdings nicht. Wenn der Autor eines Artikels zwei verschiedenen Verlagen an demselben Text einfache Nutzungsrechte einräumt, dann erweist es sich als Problem, wenn anschließend beide Verlage zusätzlich qua Gesetz ein Leistungsschutzrecht erwerben sollen, das ausschließlich wirkt. Es gibt in diesem Fall nämlich anders als beim Tonträgerrrecht keine zwei unterschiedlichen Tonaufnahmen, sondern nur einen einzigen, identischen Text. Die Differenzierung, die also beim Tonträgerhersteller zumindest nachvollziehbar ist, kommt bei bloßen Texten überhaupt nicht in Betracht.
Ist das Leistungsschutzrecht für Verlage aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt?
Das hängt davon ab, worauf man abstellt. Aus Sicht der Verlage mag das Leistungsschutzrecht ökonomisch sinnvoll erscheinen, gesamtwirtschaftlich betrachtet, dürfte die Antwort allerdings anders ausfallen. Hier stellt sich aber auch ganz grundlegend die Frage, inwieweit die Schaffung neuer Monopolrechte – und nichts anderes ist ein Leistungsschutzrecht – volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Was wird die Politik außerdem wohl machen, wenn immer mehr Branchen derartige Monopolrechte für sich reklamieren, mit Verweis darauf, dass ihre wirtschaftliche Leistung ebenso schützenswert ist wie die von Verlagen?
Letztlich funktioniert das bisherige Geschäftsmodell der Verlage nicht mehr so wie noch vor 10 oder 15 Jahren, weshalb vom Gesetzgeber erwartet wird, dass qua Gesetz ein neues Geschäftsmodell geschaffen wird. Diese Form des Protektionismus ist gänzlich illiberal. Die Politik muss sich von der Vorstellung lösen, dass man die Wünsche jeder wirtschaftlichen Gruppe, die über eine ausreichend starke Lobby verfügt, auch zu erfüllen hat. Der Bürger wird den Parteien diese Form der Klientelpolitik immer weniger durchgehen lassen, weil er sie immer stärker durchschaut.
Verhindert das Leistungsschutzrecht für Verlage neue Geschäftsmodelle?
Möglicherweise nicht, aber es nimmt den Verlagen u.U. den Druck, aus eigener Kraft ein funktionierendes Geschäftsmodell etablieren zu müssen. Es könnte allerdings auch sein, dass der Schuss komplett nach hinten losgeht und sich das Leistungsschutzrecht – sofern es überhaupt kommt – auch für die Verlage als wirtschaftlich nachteilig erweist.