Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.1.20

Kann man noch datenschutzkonform twittern?

Der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink hat unlängst mitgeteilt, seinen Twitteraccount zu löschen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass Aufsichtsbehörden ermessensfehlerfrei direkt gegen Betreiber von Facebook-Fanpages vorgehen und von diesen verlangen können, die Fanpage abzuschalten. Das Verhalten von Brink ist auch deshalb bemerkenswert, weil er selbst zu seinem Twitterauftritt eine Datenschutzfolgenabschätzung vorgenommen und sich die datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit seiner Twitter-Aktivitäten darin selbst bescheinigt hatte.

Die Frage bleibt aber, ob die Fanpage-Entscheidungen des EuGH und des BVerwG auf Twitter übertragbar sind und was das grundsätzlich bedeuten würde. Wäre damit jeder Twitter-Account, für den die DSGVO gilt, unzulässig, weil nicht datenschutzkonform?

Im Urteil des BVerwG heißt es:

Der EuGH stützt sich maßgeblich auf die Erwägung, dass der Betreiber einer auf Facebook unterhaltenen Fanpage mit der Einrichtung einer solchen Seite Facebook die Möglichkeit gibt, auf dem Computer oder jedem anderen Gerät der Person, die seine Fanpage besucht hat, Cookies zu platzieren, unabhängig davon, ob diese Person über ein Facebook-Konto verfügt (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 35). Damit leistet der Betreiber einen maßgeblichen Beitrag zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Besucher der Fanpage (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 36).

Auf Twitter besucht man aber keine Profile, sondern man sieht die Tweets derjenigen Nutzer in seiner Timeline, denen man folgt. Der einzelne Twitternutzer leistet damit keinen kausalen und relevanten Beitrag dazu, dass Twitter die Aktivitäten der Nutzer, und zwar die aller Nutzer, trackt. Das Tracking bei Twitter knüpft, anders als bei der Fanpage, nicht daran an, dass jemand ein fremdes Profil besucht. Nach der Logik von Brink wäre jeder Nutzer von Twitter (auf den die DSGVO anwendbar ist), stets auch zusammen mit Twitter gemeinsamer Verantwortlicher. Das widerspricht aber der Rechtsprechung des EuGH, der in seiner Fanpage-Entscheidung ausdrücklich betont hat, dass die bloße Nutzung eines sozialen Netzwerks noch keine gemeinsame Verantwortlichkeit begründet.

Dass also jeder einzelne Twitternutzer einen maßgeblichen Beitrag zu einer Datenverarbeitung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung leistet, erscheint eher fernliegend.

Ungeklärt ist letztlich auch die zentrale Frage, welche Datenverarbeitung überhaupt stattfindet und ob diese rechtswidrig ist. Das BVerwG betont, dass das Oberverwaltungsgericht zunächst Feststellungen zur Datenverarbeitung treffen und anschließend danach differenzieren muss, ob jemand Facebook-Mitglied ist oder ein nicht bei Facebook registrierter Internetnutzer. Im ersten Fall kommt eine Einwilligung in Betracht, im zweiten Fall eine gesetzliche Gestattung nach der DSGVO.

Im Fall von Twitter werden m.W. nur (registrierte) Nutzer getrackt. Die Frage wäre dann also, ob das von der Einwilligung, die Twitter bei den Nutzern einholt, gedeckt ist.

Hinzu kommt ein weiterer, wenig diskutierter Umstand. Bei der Facebook-Fanpage steht die werbliche Präsentation im Vordergrund, während bei Twitter der Schwerpunkt auf Kommunikation und Information liegt. Mit Blick auf Twitteraccounts von Privaten muss hier also auch die Bedeutung der Meinungs- und Informationsfreiheit berücksichtigt und stärker gewichtet werden als bei Fanpages. Hier stellt sich letztlich sogar die Frage, ob sich der Inhaber des Twitter-Accounts wegen der Bedeutung der Meinungsfreiheit auf ein Medienprivileg berufen kann. Würden Aufsichtsbehörden Twitteraccounts untersagen können, würde dies einen empfindlichen Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit bewirken.

Bei Twitteraccounts von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist die Frage zu stellen, inwieweit der Twitter-Account der Aufgabe dient, die Allgemeinheit, also den Bürger, zu informieren.

Die Entscheidungen zu Facebook-Fanpages sind also nicht ohne weiteres auf Twitter übertragbar, auch wenn das vielfach behauptet wird.

posted by Thomas Stadler at 21:09  

7.10.19

Die Cookie-Entscheidung des EuGH wird überschätzt

Nach der medial ausführlich besprochenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 01.10.2019, Az.: C‑673/17) zu Cookies („Planet 49“) war vielerorts, beispielsweise bei Heise, zu lesen, dass Cookies künftig nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung des Nutzers gesetzt werden dürften.

Mit dieser Frage hat sich der EuGH aber gar nicht explizit beschäftigt, weil der vorlegende BGH nicht danach gefragt hatte.

Vordergründig hat der EuGH nur entschieden, dass eine datenschutzrechtliche Einwilligung online nur im Wege eines Opt-In erfolgen kann und eine Opt-Out-Lösung nicht ausreichend ist. Das gilt für Einwilligungen im Sinne der weiterhin geltenden ePrivacy-Richtlinie ebenso wie für die Einwilligung nach der Datenschutzgrund-Verordnung (DSGVO). Zudem stellt der EuGH klar, dass der Anwendungsbereich der ePrivacy-Richtlinie nicht auf personenbezogene Daten beschränkt ist, sondern sich der Schutz vielmehr auf alle in Endgeräten der Nutzer gespeicherten Informationen erstreckt, unabhängig davon, ob es sich um personenbezogene Daten handelt.

Ob dem EuGH die Tragweite dieser Aussage bewusst war, darf man bezweifeln. Denn am Ende müsste dies dazu führen, dass jede Form der (Zwischen-)Speicherung auf dem Gerät des Nutzers zunächst einwilligungsbedürftig wäre. Der Ausweg wäre in diesem Fall nur noch Art. 5 Abs. 3 S. 2 der ePrivacy-RL, wenn die Speicherung allein dem Zweck dient, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz zu ermöglichen oder zu erleichtern oder, soweit dies unbedingt erforderlich ist, um einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Dienst zur Verfügung zu stellen. In diesen Fällen ist keine Einwilligung nötig.

Mangels entsprechender Vorlagefragen hat sich der EuGH aber nicht mit der Frage befasst, wann ein Cookie „unbedingt erforderlich“ im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der ePrivacy-RL ist. Session Cookies, die für einen Bestellprozess eingesetzt werden dürften aber hierunter fallen, ebenso wie Cookies, die einem Log-In-Prozess dienen.

Nicht beantwortet hat der EuGH zudem die Frage, ob ein Tracking bzw. das Setzen von Cookies auch auf andere Gestattungstatbestände als die Einwilligung gestützt werden kann, insbesondere auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO und mithin ein berechtigtes Interesse ausreichen kann. Nun lassen sich möglicherweise die Ausführungen des EuGH z.B. in Rn. 46 des Urteils schon derart interpretieren, dass der Gerichtshof auf Cookies ausschließlich Art. 5 der ePrivacy-RL anwenden will. Andererseits hat die Vergangenheit gezeigt, dass man einzelne Passagen aus Entscheidungen des EuGH, die nicht unmittelbar für die Vorlagefrage relevant sind, auch nicht überbewerten sollte.

Ob das Urteil also tatsächlich die Bedeutung hat, die ihm öffentlich beigemessen wird, darf bezweifelt werden. Klar ist lediglich, dass eine Opt-Out-Lösung bei Cookies künftig keine Option mehr darstellt.

Die fortbestehende Rechtsunsicherheit resultiert vor allem daraus, dass es dem Europäischen Gesetzgeber nicht gelungen ist, zeitgleich zur DSGVO die geplante ePrivacy-Verordnung in Kraft zu setzen, die derartige Fragen regeln müsste. Dieser Umstand verstärkt auch die Neigung im Zweifel alles über eine Einwilligung des Nutzers lösen zu wollen, was wiederum eine Pop-Up- und Wegklick-Logik nach sich zieht, die am Ende faktisch kaum zu einem besseren Schutz führen wird.

posted by Stadler at 17:38  

8.3.19

Auf Datenschutzklauseln in AGB verzichten?

Eine aktuelle Entscheidung des Kammergerichts ( Urteil v. 27.12.2018, Az.: 23 U 196/13) bewertet mehrere Klauseln aus der „Datenschutzrichtlinie“ von Apple als unwirksame AGB.

Das Gericht unterwirft die Datenschutzrichtlinie von Apple der AGB-Kontrolle, weil es davon ausgeht, dass Apple den Eindruck erweckt, es würde sich nicht bloß um Datenschutzinformationen, sondern um (verbindliche) vertragliche Regelungen handeln.

Das Kammergericht führt hierzu u.a. aus:

Die vom Kläger beanstandeten Klauseln können ihrem objektiven Wortlaut nach nur als verbindliche Regelung des bestehenden oder anzubahnenden Vertragsverhältnisses verstanden werden. Bereits die Überschrift des Klauselwerks („Apple Datenschutzrichtlinie“) vermittelt den Eindruck, dass die darin enthaltenen Erklärungen nicht bloße Tatsachenmitteilungen, sondern Rechtsregeln enthalten. (…)

Das Argument der Beklagten, dass die streitgegenständliche Datenschutzrichtlinie nicht zum Gegenstand einer Einwilligung gemacht, sondern lediglich informatorisch auf sie verwiesen werde und an keiner Stelle der vom Kläger beanstandeten Bestimmungen davon die Rede sei, dass der Verbraucher in eine Datenverarbeitung einwillige, wendet sich letztlich gegen sie. Denn darin liegt gerade die unzulässige Abweichung der Klauseln von der gesetzlichen Regelung, dass sie dem Verbraucher den unzutreffenden Eindruck vermitteln, dass die Beklagte zur Verarbeitung personenbezogener Daten berechtigt sei, ohne dass es auf dessen Einwilligung ankomme.

Auch das weitere Argument der Beklagten, dass sie mit der Bereitstellung der Datenschutzrichtlinie lediglich ihrer gesetzlichen Pflicht zur vollständigen und zutreffenden Unterrichtung der Verbraucher über ihre Datenverarbeitungspraxis genügt habe, liegt neben der Sache. Denn eine zutreffende Unterrichtung über geübte Datenverarbeitungspraktiken macht diese nicht rechtmäßig. Sie erzeugt und nährt bei dem Verbraucher lediglich die Fehlvorstellung, dass die geübten Datenverarbeitungspraktiken keiner Einwilligung bedürfen und allein deswegen rechtmäßig seien, weil die Beklagte in ihrer „Datenrichtlinie“ über sie unterrichtet.

Diese Entscheidung zeigt, dass man bloße informatorische Hinweise, mit denen man beispielsweise seinen Informationspflichten nach Art. 12 ff. DSGVO erfüllt, nicht in AGB einbetten sollte. Denn solche Datenschutzhinweise regeln nichts. Sobald man den Eindruck erweckt, es würde sich um vertragliche Vereinbarungen handeln, unterliegt man der AGB-Kontrolle. Dies ist speziell bei datenschutzrechtlichen Klauseln auch deshalb kritisch, weil sich dann die Folgefrage stellt, ob damit beabsichtigt ist, eine Datenverarbeitung durch eine Einwilligung des Betroffenen zu legitimieren. Auch wenn eine solche Einwilligung im Rahmen von AGB nicht per se ausgeschlossen ist, müssen die Anforderungen von Art. 7 DSGVO erfüllt sein, was auf Klauseln, die in ein AGB-Werk eingebettet sind, häufig nicht zutreffen wird.

Man sollte also darauf achten, dass man seine Datenschutzerklärung und seine AGB stritk trennt, um bloße Datenschutzinformationen nicht ohne Not einer AGB-Kontrolle zu unterwerfen.

posted by Thomas Stadler at 18:57  

13.12.18

SPD will Datenschutz und Meinungsfreiheit in Einklang bringen

Das Spannungsverhältnis von Datenschutz und Meinungsfreiheit war bereits mehrfach Thema hier im Blog, zuletzt auch mit Blick auf die seit Mai geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Der europäische Gesetzgeber hat nicht versucht, dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, oder den äußerungsrechtlichen Bereich von der DSGVO auszunehmen, sondern es vielmehr dabei belassen, mit Art. 85 DSGVO eine Öffnungsklausel zu schaffen, die es den nationalen Gesetzgebern ermöglicht, sie letztlich aber auch dazu verpflichtet, spezifische Regelungen zu treffen, die das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, in Einklang bringen. Dieser Ansatz ist regelungstechnisch zunächst insofern unbefriedigend, als die DSGVO damit den gesamten meinungsrelevanten Bereich mitregelt, ohne selbst unmittelbar sicherzustellen, dass der Datenschutz die Meinung- und Informationsfreiheit nicht beeinträchtigt.

Der deutsche Gesetzgeber ist dem Regelungsauftrag des Art. 85 DSGVO bislang nur teilweise nachgekommen. Die Länder haben für den journalistisch-redaktionellen Bereich Regelungen in den Landespressegesetzen und im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) geschaffen. Exemplarisch sei insoweit auf § 57 Abs. 1 S. 4 – S. 8 RStV verwiesen, der ein Medienprivileg für die Onlineangebote der Rundfunkanbieter schafft und weite Teile der DSGVO für nicht anwendbar erklärt.

Eine Regelung für private bzw. nichtjournalistische Äußerungen fehlt bislang. Das ist schon deshalb unbefriedigend, weil veröffentlichte Meinungen und Informationen in sozialen Medien und Blogs damit nicht explizit privilegiert sind, sondern nur solche im journalistisch-redaktionellen Kontext. In einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestages hat Malte Engeler unlängst deshalb eine solche gesetzliche Regelung angemahnt und als ausgesprochen relevant bezeichnet.

Mittlerweile liegt ein erster Vorschlag aus der Bundestagsfraktion der SPD vor, der die Schaffung eines neuen § 27a BDSG mit folgendem Wortlaut vorsieht:

27a BDSG-neu – Datenverarbeitung zu Zwecken der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit

(1) Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist zulässig, sofern sie zu Zwecken des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken stattfindet und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen am Schutz ihrer personenbezogenen Daten nicht überwiegen.

(2) Spezielle Regelungen des Bundes- und Landesrechts zur Zulässigkeit der Verarbeitung zu den in Art. 85 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Zwecken der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit sowie der Verarbeitung zu wissenschaftlichen, künstlerischen, journalistischen oder literarischen Zwecken, einschließlich der Veröffentlichung, bleiben unberührt.

(3) Die Rechte der Betroffenen des Abschnitt II bis IX der Verordnung (EU) 2016/679 gelten nur, sofern sie unter Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu wissenschaftlichen, künstlerischen, journalistischen oder literarischen Zwecken angemessen sind. Satz 1 gilt nicht für Artikel xx, xx, xx.

(4) Führt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Absatz 1 zur Verbreitung von Gegendarstellungen der betroffenen Person oder zu Verpflichtungserklärungen, Gerichtsentscheidungen über die Unterlassung der Verbreitung oder über den Widerruf des Inhalts der Daten, so sind diese Gegendarstellungen, Verpflichtungserklärungen, Gerichtsentscheidungen und Widerrufe zu den gespeicherten Daten zu nehmen und dort für dieselbe Zeitdauer aufzubewahren, wie die Daten selbst sowie bei einer Offenlegung der Daten gemeinsam offenzulegen.

Der Vorschlag ist im Grundsatz zu begrüßen, wirkt aber insgesamt noch nicht ausgereift.

In Abs. 1 wird durch die Formulierung „sofern sie zu Zwecken…stattfindet“ zunächst dem Äußernden die Darlegung- und Beweislast dafür auferlegt, dass seine Datenverarbeitung meinungsrelevanten Zwecken dient und außerdem die notwendige Grundrechtsabwägung zu seinen Gunsten ausfällt. Diese Regelungstechnik ist kritikwürdig, weil in einem freiheitlichen Rechtsstaat eine Vermutung zugunsten der freien Rede zu gelten hat, was vom BVerfG auch immer wieder betont worden ist. Aus grundrechtlicher Sicht erscheint daher eine Regelung geboten, die die Datenverarbeitung zu Zwecken der Meinung- und Informationsfreiheit zunächst grundsätzlich für zulässig erklärt und es dem von einer Äußerung Betroffenen überlässt, das Überwiegen seiner persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Interessen darzulegen.

Abs. 3 des Gesetzesvorschlags will die Regelungen der Abschnitte II bis IX der DSGVO – es handelt sich weitgehend um datenschutzrechtliche Folge- und Nebenpflichten – weiterhin anwenden, allerdings einer Abwägung im Einzelfall unterziehen, während diese Regelungen im journalistischen Bereich weitgehend nicht gelten sollen. Hier stellt sich auch die Frage, ob es nicht eher sachgerecht ist, einen Gleichlauf mit der Vorschrift des § 57 RStV herzustellen.

Der in Abs. 4 des Vorschlags enthaltene Verweis auf Gegendarstellungen des Betroffenen, erscheint ebenfalls nicht zu Ende gedacht. Die Gegendarstellung ist ein typisches presserechtliches Instrumentarium. Ein Blick auf die für den Onlinebereich relevante Vorschrift des § 56 RStV zeigt, dass der Gegendarstellungsanspruch journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote verlangt. In diesem Bereich würde aber dann ohnehin § 57 RStV gelten und nicht § 27a BDSG. Es stellt sich also die Frage, ob es überhaupt Gegendarstellungen gibt, die § 27a BDSG unterfallen können oder ob man sich in diesen Fällen nicht ohnehin vollständig im Bereich des Landesrechts bewegt. Ganz generell erscheint es vorzugswürdig, in der bundesgesetzlichen Regelung des § 27a BDSG jedweden Hinweis auf journalistische Zwecke, wie er auch in Abs. 1 enthalten ist, zu streichen, weil damit nur unnötige Abgrenzungsfragen zu den landesrechtlichen Regelungen aufgeworfen werden. Sofern es dieser Formulierung darum geht, den Veröffentlichungszweck zu betonen, wäre es vorzugswürdig einen anderen Begriff zu wählen.

Obwohl die DSGVO schon mehr als ein halbes Jahr gilt, ist der Bundesgesetzgeber seinem Regelungsauftrag aus Art. 85 DSGVO bislang nicht nachgekommen. Eine entsprechende Regelung ist überfällig.

posted by Stadler at 17:54  

16.10.18

Lehrer am Pranger der AfD

Die AfD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft hat unter dem Titel „Neutrale Schule Hamburg“ vor ein paar Wochen ein Online-Portal gestartet, auf dem Schüler oder Eltern „mutmaßliche Neutralitätsverstöße“ von Lehrern melden sollen. Eine Veröffentlichung sei hier nicht angedacht. In Baden-Württemberg gibt es eine vergleichbare Website, betrieben von einem AfD-Abgeordneten, die aber derzeit nicht mehr erreichbar ist. Anders als in Hamburg sollen hier auch die Namen der Lehrer veröffentlicht werden. Noch deutlich weiter geht die sächsische Variante, bei der sogar Meldungen mit vordefinierten Kriterien wie „Werbung für kulturfremde Weltanschauungen“ vorgesehen sind und auch Fotos des denunzierten Lehrers hochgeladen werden können, wie die Leipziger Volkszeitung berichtet.

Wenn die Daten nur erfasst, aber nicht veröffentlicht werden, stehen vor allem datenschutzrechtliche Fragen im Vordergrund, während in den Fällen der Veröffentlichung persönlichkeitsrechtliche Fragen hinzutreten, im Falle von Bildveröffentlichungen ist zudem das Recht am eigenen Bild betroffen.

1. Datenschutz

Datenschutzrechtlich ist davon auszugehen, dass die AfD personenbezogene Daten von Lehrern erhebt und verarbeitet, die die politische und weltanschauliche Haltung des Lehrers betreffen. Solche Informationen sind nach Art. 9 der DSGVO als besondere Kategorien personenbezogener Daten geschützt, ihre Verarbeitung ist grundsätzlich untersagt. Die engen Ausnahmen, die Art. 9 Abs. 2 DSGVO vorsieht, sind nicht einschlägig. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verarbeitung nach Art. 9 Abs. 2 g) DSGVO aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist. Bereits die Bejahung eines allgemeinen öffentlichen Interesses – außerhalb der Schulöffentlichkeit – erscheint mir fragwürdig. Ein erhebliches öffentliches Interesse der AfD daran, solche Daten zu erheben und zu sammeln, besteht nicht. Es ist vielmehr so, und hierauf hat der Kollege Simon Assion auf Twitter zu Recht hingewiesen, dass man annehmen muss, dass die AfD damit eine systematische Sammlung über politische Gegner in der Lehrerschaft anlegen will. Der primäre Zweck dürfte die Einschüchterung sein. Und letztlich ist diese Sammlung auch geeignet, den Schulbetrieb zu stören. Insoweit besteht wohl eher ein öffentliches Interesse daran, diesen Praktiken entgegenzuwirken.

Diese Portale zur Meldung von Lehrern erfüllen die Voraussetzungen von Art. 9 DSGVO nicht und sind daher datenschutzwidrig. Die Aufsichtsbehörden tun sich allerdings offenbar schwer mit einer Verfolgung. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte verwies zum Beispiel darauf, dass er für die Kontrolle von Fraktionen nicht zuständig sei. Das erscheint allerdings fraglich, denn der Betrieb einer Onlinemeldeplattform ist schwerlich der parlamentarischen Arbeit einer Fraktion zuzuordnen. Demzufolge versucht der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte zu klären, ob es sich um eine mandatsbezogene oder parteipolitische Tätigkeit handelt. In letzterem Fall sind die Aufsichtsbehörden zuständig.

2. Persönlichkeitsrecht

Wenn die Informationen veröffentlicht werden, steht zudem eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeistrechts im Raum. Im Fall des Lehrerbewertungsportal „spickmich“ war zumindest eine Registrierung der Nutzer erforderlich. Die Daten waren damit nicht allgemein zugänglich, der Abruf war auf registrierte Personen beschränkt, die ein typisiertes berechtigtes Informationsinteresse an den zur Verfügung gestellten Daten geltend gemacht hatten. Diesen Aspekt betont der BGH auch ausdrücklich in seiner Spickmich-Entscheidung (Rn. 37). Die Zulässigkeit einer Veröffentlichung lässt sich also nicht auf diese Entscheidung stützten.

Ungeachtet dessen, können einzelne Einträge natürlich auch immer unrichtig und deshalb zu löschen sein. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH unterliegt der Betreiber einer Bewertungsplattform zudem, sobald ein Betroffener den Eintrag beanstandet, einer Pflicht zur gewissenhaften Prüfung der Beanstandung. Dies gilt in vertärktem Maße, wenn Einträge anonym vorgenommen werden können.

Sollte außerdem die Möglichkeit bestehen, wie dies in Sachsen der Fall zu sein scheint, ein Foto des betroffenen Lehrers zu posten, wäre dies zusätzlich ein Verstoß gegen das Recht des Lehrers am eigenen Bild.

3. Fazit

Die verschiedenen Meldeportale der AfD, mittels derer „Neutralitätsverstöße“ von Lehrern gemeldet werden sollen, verstoßen gegen das Datenschutzrecht und wegen der erzeugten Prangerwirkung auch gegen die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Lehrer.

Die Frage ist auch, ob nicht zudem ordnungsrechtlich gegen diese Portale vorgegangen werden kann, was Josef Franz Lindner im Verfassungsblog diskutiert.

posted by Stadler at 18:28  

1.8.18

Fordert der Datenschutz ein Fotografierverbot auf Schulfesten?

In letzter Zeit liest man immer wieder, dass Schulen und Kindergärten das Fotografieren auf Festen und anderen Veranstaltungen der Einrichtung, an denen Eltern und Angehörige teilnehmen, verbieten. Zumeist mit dem Argument, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) würde dies verlangen. Über einen solchen Fall berichtet aktuell beispielsweise die Lausitzer Rundschau.

Man wird vermutlich schon darüber diskutieren können, ob die Schulleitung das Fotografieren und Filmen auf Veranstaltungen der Schule kraft ihres Hausrechts untersagen kann. Das Datenschutzrecht verlangt ein solches Verbot allerdings nicht.

Die DSGVO ist in den Fällen, in denen Eltern oder andere Angehörige Fotos anfertigen, auf denen neben ihren eigenen Kindern auch fremde Kinder zu sehen sind, nämlich schon gar nicht anwendbar. Art. 2 Abs. 2 c) DSGVO besagt, dass der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist, wenn natürliche Personen personenbezogene Daten zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten erheben. Das trifft auf das Fotografieren auf Schulveranstaltungen zu rein privaten Zwecken unzweifelhaft zu.

Davon strikt zu trennen ist allerdings die Frage, ob solche Fotos anschließend z.B. in sozialen Netzen veröffentlicht werden können. Diese Frage wurde im deutschen Recht, jedenfalls bis zum Wirksamwerden der DSGVO, im sog. Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) geregelt. Ob das KUG weiterhin anwendbar ist oder durch die DSGVO verdrängt wird, ist juristisch umstritten. Ungeachtet der Frage, ob das KUG oder die DSGVO diese Frage regelt, bedarf es im Falle der Veröffentlichung von Bildmaterial, auf dem Personen erkennbar sind, grundsätzlich einer Einwilligung des Abgebildeten. We also auf Instagram oder Facebook Fotos veröffentlicht, auf denen Personen zu erkennen sind, muss diese Menschen fragen, bevor er die Fotos postet.

Schulen und Kindergärten schießen, wenn sie das Fotografieren verbieten, also über das Ziel hinaus. Was die Anfertigung von Fotos betrifft, hat sich die Rechtslage seitdem die DSGVO gilt, nicht verändert. Was wir hier erleben, ist lediglich eine gefühlte Verschärfung des Datenschutzrechts.

posted by Stadler at 21:13  

7.7.18

Störerhaftung jetzt auch im Datenschutzrecht?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat vor einigen Wochen (Urteil vom 05.06.2018, Az.: C-210/16) entschieden, dass der Betreiber einer Facebook-Fanpage (neben Facebook) als datenschutzrechtlich Verantwortlicher zu betrachten ist. Der EuGH macht zunächst deutlich, dass er eine weite Definition des Begriffs des „Verantwortlichen“ präferiert, um einen wirksamen und umfassenden Schutz der betroffenen Personen zu gewährleisten. Der Betreiber einer Fanpage beteiligt sich durch die Unterhaltung der Fanseite an der Datenverarbeitung und ist daher gemeinsam mit Facebook Irland als für diese Verarbeitung Verantwortlicher im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 95/46 einzustufen. Die Entscheidung wird, jedenfalls was die Frage des Verantwortlichen angeht, auch auf die DSGVO Anwendung finden.

Es ist nach dieser Lesart also keinesfalls so, dass der Verantwortliche, was der englische Begriff des Controllers nahelegen würde, den Prozess der Datenverarbeitung steuern und kontrollieren muss. Vielmehr genügt auch ein (untergeordneter) Beitrag, um zum gemeinsamen Verantwortlichen zu werden. Damit hat der EuGH eine Art Störerhaftung im Bereich des Datenschutzes geschaffen, die es ermöglicht, nahezu beliebige (kausale) Beiträge als verantwortungsbegründend zu qualifizieren.

Insoweit verbleibt aber die dogmatische und auch rechtspolitische Frage, ob es wirklich sachgerecht ist, neben dem Hauptverantwortlichen, der den Datenverarbeitungsvorgang tatsächlich steuert und kontrolliert, jeden als Verantwortlichen zu begreifen, der einen Beitrag zu einer (fremden) Datenverarbeitung leistet. Der EuGH betont in seiner Entscheidung zwar, dass die bloße Nutzung eines sozialen Netzwerks nicht ausreichend sein soll, um den Nutzer zum Mitverantwortlichen zu machen. Konsequent erscheint diese Einschränkung im Lichte der weiten Auslegung des EuGH aber nicht. Denn wer als Nutzer Inhalte postet – und nichts anderes macht der Betreiber einer Fanseite am Ende auch – trägt dazu bei, dass Facebook das Verhalten anderer Nutzer, die die geposteten Inhalte lesen oder betrachten, auswerten kann. Mithin leistet man nach der Logik des EuGH also bereits durch das bloße Einstellen von Inhalten in ein soziales Netzwerk einen kausalen Beitrag für eine sich anschließende Datenverarbeitung von Facebook. Diese Konsequenz will der EuGH freilich nicht ziehen, weil man damit jeden Nutzer eines sozialen Netzwerks als Verantwortlichen einstufen müsste.

Es zeigt sich auch hier wieder etwas, was man seit Jahren beobachten kann. Die konsistente Anwendung des Datenschutzrechts würde die Nutzung des Internets wie wir es kennen und wie es von einer Mehrzahl der Menschen genutzt wird, deutlich beeinträchtigen. Weil aber weder der Gesetzgeber noch die Gerichte diese Konsequenz ziehen wollen, kommt es immer wieder zu widersprüchlichen datenschutzrechtlichen Schlussfolgerungen, die zu Rechtsunsicherheit führen.

posted by Stadler at 15:18  

24.5.18

Was bedeutet die Datenschutzgrundverordnung für Blogger und Webseitenbetreiber?

Nicht nur mich erreichen in letzter Zeit immer wieder Anfragen von besorgten Bloggern, ob sie ihr Blog wegen der ab 25.05.2018 geltenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nicht besser vom Netz nehmen sollten. Die Unsicherheit ist enorm. Bei Privatleuten, die im Internet präsent sind, ebenso wie bei Unternehmern und Freiberuflern. Es ist der Eindruck entstanden, dass die datenschutzrechtlichen Anforderungen durch die DSGVO erheblich ansteigen, was allenfalls zum Teil richtig ist. Vieles von dem, was die DSGVO verlangt, entspricht schon seit Jahren der geltenden Rechtslage in Deutschland, aber es gibt auch neue bzw. geänderte Anforderungen und eine ganze Reihe von Unklarheiten. Der folgende Beitrag versucht, einige der zentralen Aspekte zu beleuchten, auf die Blogger und Webseitenbetreiber achten müssen.

Die erste Frage, die sich viele stellen: Muss ich als nichtkommerzieller Blogger oder Webseitenbetreiber die DSGVO überhaupt beachten? Die Antwort lautet: In aller Regel ja. Die DSGVO gilt auch für Privatleute, es sei denn, die Datenverarbeitung erfolgt ausschließlich zur Ausübung persönlicher oder familiärer Tätigkeiten. Diese Ausnahme wird sehr eng verstanden. Ein Blog, das sich an eine allgemeine Öffentlichkeit richtet, fällt nicht mehr unter diese Ausnahme.

Am Anfang aller Überlegungen sollte die Frage stehen, welche Daten beim Betrieb des eigenen Blogs überhaupt erhoben und verarbeitet werden. Denn davon hängt es ab, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Blog oder die Website datenschutzkonform betreiben zu können. Wer sich da unsicher ist, sollte zunächst mittels Tools wie Ghostery überprüfen, welche Tracking Tools sich im Einsatz befinden. Der pragmatische Tipp für diejenigen, die bislang noch gar nichts unternommen haben, ist es, zunächst zumindest das anzugehen, was man nach außen hin sieht und das ist bei einem Blog vor allem die Datenschutzerklärung.

Die Diskussion rund um die DSGVO hat mittlerweile hysterische Züge angenommen. Die Aufregung wird sich vermutlich sehr bald legen, denn es wird zunächst gar nichts passieren. Die Aufsichtsbehörden werden Blogger und Webseitenbetreiber, wenn überhaupt, zunächst anhören, auf Verstöße hinweisen und ggf. (kostenfrei) verwarnen. Es ist kaum damit zu rechnen, dass es hier bei einem Erstverstoß zur Verhängung von Geldbußen kommen wird.

Auch die vielbeschworene Abmahngefahr wird in der Diskussion stark übertrieben. Insoweit ändert sich an der bestehenden Rechtslage nichts, das juristische Risiko wegen eines Datenschutzverstoßes wettbewerbsrechtlich abgemahnt zu werden, hat sich nicht erhöht. Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften wurden schon bislang von den Gerichten häufig für wettbewerbsrechtlich relevant erachtet. Es wird jetzt im Gegenteil sogar die Auffassung vertreten, dass Verstöße gegen die DSGVO nicht mehr nach § 3a UWG verfolgt werden könnten. Es ist allerdings nicht unbedingt davon auszugehen, dass sich diese Ansicht tatsächlich durchsetzen wird.

Neue Datenschutzerklärung

Viele Blogger haben bereits jetzt eine Datenschutzerklärung online. Die sollte nunmehr sinnvollerweise neu gestaltet werden, weil die Anforderungen der DSGVO andere sind als sie es nach dem TMG waren. Der notwendige Inhalt einer Datenschutzerklärung ergibt sich aus Art. 13 DSGVO. Tools wie der Datenschutzgenerator von Thomas Schwenke helfen bei der Erstellung der Datenschutzerklärung, wenn man keinen Anwalt beauftragen will. Auch die ausführlich erläuterte Musterdatenschutzerklärung von Hören, ist als Orientierungshilfe gut geeignet ist. Meine eigene Datenschutzerklärung finden Sie hier.

Wichtig ist, dass die Datenschutzerklärung diejenige Datenverarbeitung abbildet, die tatsächlich stattfindet. Man stößt immer wieder auf Datenschutzerklärungen, die offenbar nur unreflektiert per Copy & Paste übernommen worden sind und Tools benennen, die auf der Website gar nicht eingesetzt werden, während andere Datenverarbeitungsvorgänge, die offensichtlich stattfinden, gar nicht erwähnt werden. Bislang besteht eine gewisse Neigung zu sehr ausführlichen, zum Teil ausufernden Datenschutzerklärungen, die manchmal auch deshalb so lang sind, weil stellenweise lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt wird. Eine eher knappe Datenschutzerklärung hat demgegenüber allerdings den Vorteil, dass die notwendigen Informationen noch am ehesten bei den betroffenen Nutzern ankommen.

Man muss in der Datenschutzerklärung u.a. Serverlogs, WordPress-Plugins, Tracking- und Statistiktools wie Google Analytics oder Matomo abbilden, ebenso wie Social-Media-Plugins, Kommentarfunktionen, Spamfilter wie Akismet, Newsletterdienste wie MailChimp oder die Einbindung fremde Inhalte z.B. via YouTube oder Instagram. Auch die Datenverarbeitung durch Marketing-Tools ist darzustellen.

Verschlüsselung

Aus Art. 32 DSGVO ergibt sich nunmehr explizit, dass ggf. eine Pseudonymisierung und Verschlüsselung personenbezogener Daten zu erfolgen hat, wenn dies nach Durchführung einer Risikoabwägung geboten erscheint. Aufgrund dieser Regelung wird empfohlen, Websites generell mit einer SSL-Verschlüsselung zu versehen. Aus meiner Sicht wird man jedenfalls dann, wenn eine direkte Kommunikation mit dem Nutzer z.B. über Kontaktformulare stattfindet, vertreten können, dass eine Verschlüsselung erforderlich sein kann. Aber auch in diesem Fall wird weiterhin die Möglichkeit bestehen, den Nutzer darauf hinzuweisen, dass die von ihm eingegebenen Daten unverschlüsselt übermittelt werden. Was die Kommentarfunktion angeht, kann das, was ohnehin vom Nutzer bewusst öffentlich gepostet wird, auch zuvor unverschlüsselt übertragen werden, weil es ohnehin öffentlich zugänglich wird. Anders mag dies sein, wenn Informationen zur Person des Nutzers übermittelt werden, die nicht veröffentlicht werden. Aus Datenschutzsicht ist es sinnvoll, möglichst wenig zu speichern und von vornherein anonyme Kommentare zuzulassen. Hier gibt es aber bekanntlich unterschiedliche Philosophien und sicherlich auch Gründe, keine anonymen Postings zuzulassen. Eine allgemeine Verschlüsselungspflicht lässt sich aus Art. 32 DSGVO, entgegen anderslautender Aussagen, nicht ableiten. Gleichwohl kann die Risikoabwägung im Einzelfall zur Annahme einer Verschlüsselungspflicht führen. Wer hier Diskussionen vermeiden will, sollte im Zweifel ein SSL-Zertifikat einrichten.

Einsatz von Tracking-Tools und Cookies

Die Datenschutzkonferenz (Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder) hat vor vier Wochen ein Positionspapier veröffentlicht, das für erhebliche Aufregung und auch zu deutlicher Kritik geführt hat. Die Aufsichtsbehörden vertreten hierbei die Auffassung, dass Tracking-Tools ab dem 25.05.2018 nur noch mit Einwilligung des Nutzers legal eingesetzt werden können. Diese Haltung ist nicht nur von Branchenverbänden wie Bitkom, sondern auch von Datenschutzfachleuten wie Stephan Hansen-Oest oder  Nils Haag kritisiert worden.

Abgesehen davon, dass das Papier der DSK keine tragfähige Begründung enthält, verstärkt es nur die Tendenz zum Wegklick-Internet und schafft keinen datenschutzrechtlichen Mehrwert. Es wird interessant sein zu sehen, wie gerade große Websites auf das Papier reagieren werden. Wenn man bedenkt, dass die großen Medien- und Verlagsseiten durchgehend Tracking Tools in zweistelliger Anzahl einsetzen, erscheint die Einholung von Einwilligungen für jedes einzelne dieser Tools kein wirklich realistisches Szenario zu sein.

Möglicherweise wird die DSGVO beim Thema Werbung/Marketing sogar eine deutlich liberalere Praxis etablieren, als dies bisher in Deutschland der Fall war. Denn Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO betrachtet laut der Erwägungsgründe beispielsweise das Interesse von Unternehmen Werbung zu treiben ausdrücklich als schützenswert und es muss dann schon ein überwiegendes grundrechtliches Interesse des betroffenen Nutzers entgegenstehen, damit eine gesetzliche Gestattung für die Datenverarbeitung ausscheidet. Das erfordert letztlich immer eine Abwägung im Einzelfall, weshalb die schematische Betrachtung der DSK in ihrer Pauschalität ersichtlich falsch ist. Möglicherweise werden sich einige Datenschützer noch darüber wundern, was über diese, nunmehr gemeinschaftsrechtlich auszulegende Norm alles gerechtfertigt werden kann und wird. Es ist also mitnichten entschieden, dass die DSGVO ein höheres Datenschutzniveau etabliert als das bislang geltende Datenschutzrecht. Die DSGVO schafft sicherlich mehr Informations- und Dokumentationspflichten, aber am Ende könnte sie dennoch eine Datenverarbeitung in größerem Umfang als bislang erlauben. Art. 6 DSGVO bietet jedenfalls das Potential dafür.

Verarbeitungsverzeichnis

Jeder der nicht nur gelegentlich personenbezogene Daten verabeitet, muss nach Art. 30 DSGVO ein sog. Verarbeitungsverzeichnis führen. Diese Voraussetzungen dürften auf die meisten Blogger zutreffen. Dieses Verzeichnis muss aber nicht veröffentlicht werden, sondern ist nur der Aufsichtsbehörde auf Anfrage zur Verfügung zu stellen.

Auftragsverarbeitung

Wer ein Blog oder eine Website betreibt, muss nach Auffassung der Aufsichtsbehörden mit seinem Hoster einen Vertrag über eine Auftragsverarbeitung (früher: Auftragsdatenverarbeitung) schließen. Auch wenn diese Ansicht sicherlich vertretbar ist, erschien sie mir immer merkwürdig inkonsistent. Denn ob man als Blogger im Verhältnis zu einem großen Hoster oder gar zu Google oder Amazon tatsächlich die Rolle des Controllers einnimmt und einnehmen kann, darf bezweifelt werden. Der Datenschutz verkommt hier zu einem Placebo, denn das Ausfüllen vorformulierter Musterverträge begründet keinen wirklichen Mehrwert und Nutzen. Außerdem lässt sich nicht mehr schlüssig erklären, warum man dann nicht auch mit Facebook, Twitter und Instagram eine Vereinbarung über eine Auftragsverarbeitung schließen müsste, wenn man seinen Account nicht ausschließlich zu persönlichen oder familiären Zwecken nutzt.

Mittlerweile bieten fast alle Hoster den Abschluss solcher Vereinbarungen an, ein Service den man als Blogger und Seitenbetreiber im Zweifel auch in Anspruch nehmen sollte.

 

Die DSGVO ist insgesamt nicht der große Wurf, für den manche sie halten. Vielmehr verfolgt die EU ihren bekannten paternalistischen Ansatz, den nicht sonderlich mündigen Bürger fast zu Tode zu informieren, konsequent weiter, ohne, dass hierdurch ein tatsächlicher Mehrwert für den Datenschutz entsteht. Die DSGVO enthält ein bisschen mehr von allem. Mehr Informationspflichten, mehr Dokumentationspflichten und höhere Geldbußen. Außerdem haben Versäumnisse des europäischen und des deutschen Gesetzgebers im meinungsrelevanten Bereich zu einer gefährlichen Rechtsunklarheit geführt, die die Gerichte beseitigen werden müssen. Sowohl die Begeisterung der einen, wie auch die Panik der anderen ist unangebracht. Die DSGVO beinhaltet ein wenig innovatives Update des bekannten Datenschutzkonzepts, gekoppelt an etwas mehr Bürokratie.

posted by Stadler at 22:19  

15.5.18

Sind Dashcams jetzt erlaubt?

Der Bundesgerichtshof hat heute sein Urteil (Az.: VI ZR 233/17) zu der Frage verkündet, ob Aufnahmen von Dashcams, die das Verkehrsverhalten anderer Verkehrsteilnehmer erfassen, im Unfallprozess verwertbar sind.

Der BGH erläutert zunächst, dass zumindest das permanente Filmen des Verkehrsgeschehens mittels einer Dashcam gegen datenschutzrechtliche Verschriften verstößt. Aus diesem Umstand, so der BGH, folgt aber nicht ohne weiteres ein Beweisverwertungsverbot. Im Falle von Aufnahmen, die mit einer Dashcam gemacht wurden, würde die notwendige Interessen- und Güterabwägung zu dem Ergebnis führen, dass solche Aufnahmen im Zivilprozess als Beweismittel verwertet werden könnten.

Diese Entscheidung ist nicht wirklich überraschend, denn die deutsche Rechtsprechung ist mit Beweisverwertungsverboten eher zurückhaltend.

Zunächst ist allerdings festzuhalten, dass der BGH über eine prozessuale Frage entschieden hat. Aus dem Urteil lässt sich keinesfalls die Schlussfolgerung ziehen, der Einsatz von Dashcams sei damit legal. Ganz im Gegenteil. Der BGH betont ausdrücklich, dass der Dashcameinsatz einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht darstellt. Das Beweismittel ist also rechtswidrig hergestellt und erlangt und darf dennoch im Zivilprozess verwendet werden.

Zumindest die Pressemitteilung des BGH lässt aber keine sachgerechte Abwägung des Senats erkennen. Die in der Pressemitteilung genanten Abwägungskriterien, die die Zulässigkeit der Beweisverwertung begründen sollen, erscheinen nicht stichhaltig. Den (möglichen) Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte des gefilmten Verkehrsteilnehmers erachtet der BGH offensichtlich schon deshalb als unerheblich, weil der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor allem durch die Regelungen des Datenschutzrechts gewährleistet sei, die nicht auf ein Beweisverwertungsverbot abzielten.

Das Datenschutzrecht schützt aber nicht vordergründig das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern spezifischer das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Wenn die Begründung des BGH zutreffend wäre, müsste sie selbst bei einem Eingriff in die Private- oder gar Intimsphäre greifen. Es ließe sich dann nicht mehr nachvollziehbar erklären, warum das heimliche Mithören oder Aufzeichnen von Telefongesprächen zu einem Beweisverwertungsverbot führen sollte. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts erfolgt eben abgestuft, während des Datenschutzrecht ein solches abgestuftes Schutzkonzept nicht kennt. Datenschutzrecht und Persönlichkeitsrecht sind unterschiedliche Rechtsmaterien.

Die Frage ist auch, ob der Schutz, den die datenschutzrechtlichen Regelungen begründen sollen, nicht ausgehöhlt wird, wenn man Dashcam-Aufnahmen nicht mit einem Beweisverwertungsverbot belegt. Denn das wird nicht wenige Autofahrer, die schon bislang Dashcams einsetzen, ermutigen, dies auch weiterhin zu tun. Möglicherweise erfordert also die Notwendigkeit, Datenschutz effektiv durchzusetzen, in solchen Fällen auch ein prozessuales Beweisverwertungsverbot. Zumindest ist dieser Aspekt abwägungsrelevant, wird vom BGH aber nicht in die Abwägung eingestellt.

Auch wenn man für eine abschließende Bewertung den Volltext des Urteils abwarten muss, erscheint die Entscheidung auf den ersten Blick jedenfalls nicht zwingend zu sein.

posted by Stadler at 22:01  

12.3.18

Schränkt die Datenschutzgrundverordnung Meinungsäußerungen im Internet ein?

Das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Meinungsfreiheit ist kein neues Thema, aber es wird durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die ab 25.05.2018 gilt, noch deutlich verschärft. Den Grundkonflikt hatte ich bereits hier und hier erläutert. Im Netz finden sich lesenswerte Beiträge u.a. von Winfried Veil, von Jan Mönikes und aktuell für den Bereich der Bildnisveröffentlichung von Benjamin Horvath zu diesem Themenkreis.

Die Meinungsfreiheit umfasst insbesondere das Recht, sich kritisch zu bestimmten Personen und ihrem Verhalten und Wirken zu äußern. Speziell die DSGVO postuliert das Verbot, konkrete Personen im Internet überhaupt namentlich zu nennen. Das mag für den juristischen Laien absurd klingen, entspricht aber der Rechtslage, die in Deutschland ab dem 25.05.2018 gelten wird.

Die DSGVO gilt nach ihrem Art. 2 Abs. 1 für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Eine Ausnahme macht die Verordnung lediglich für den persönlichen oder familiären Bereich.

Wer sich also online zu einer namentlich benannten Person äußert, fällt grundsätzlich in den Anwendungsbereich der DSGVO. Diese Datenverarbeitung ist auch nicht nach Art. 6 DSGVO rechtmäßig, so dass sie an sich unzulässig ist. Dem europäischen Gesetzgeber war das Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit freilich bewusst, denn er hat in Art. 85 DSGVO eine Öffnungsklausel aufgenommen, die lautet:

Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang.

In Deutschland wird die Neufassung des BDSG allerdings diesbezüglich keine Regelungen enthalten, weil der Bund davon ausgeht, dass derartige Regelungen der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegen. In den Bundesländern wird für den Bereich von Presse und Rundfunk derzeit an entsprechenden gesetzlichen Regelungen gearbeitet, die aber kaum zum 25.05.2018 in Kraft sein werden. Darüber hinaus werden diese Regelungen vermutlich lediglich den journalistischen Bereich abdecken, aber nicht Meinungsäußerungen von Privatpersonen im Netz.

Wenn man also die DSGVO schematisch anwendet, wird die namentliche Nennung einer beliebigen Person zum Beispiel auf Twitter oder in einem Blog ein Vorgang sein, den die DSGVO verbietet. Andererseits ist dies etwas, was die im Grundgesetz, der Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der EU garantierte Meinungsfreiheit explizit erlaubt. Aus grundrechtlicher Sicht hat eine ergebnisoffene Abwägung der Grundrechte auf Meinungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts der genannten, betroffenen Person zu erfolgen. Einen schematischen Vorrang wie nach der DSGVO darf es nach der Wertung der Grundrechte nicht geben. Die DSGVO verfolgt also in diesem Punkt ein Regelungskonzept, das nicht mit grundrechtlichen Wertungen vereinbar ist. Dies ist zunächst eine Fehlleistung des europäischen Gesetzgebers. Auch wenn sich der Bürger nicht unmittelbar auf die Grundrechtecharta der EU berufen kann, so bindet sie doch die Organe und Einrichtungen der EU. Der europäische Gesetzgeber (Parlament, Kommission, Rat) hat mit Schaffung der DSGVO, soweit sie einen schematischen Vorrang des Datenschutzes vor der Meinungsfreiheit postuliert, gegen die Grundrechtecharta verstoßen. Daran ändert auch die Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO nichts, denn der europäische Gesetzgeber kann dadurch nicht gewährleisten, dass sämtliche Mitgliedsstaaten pünktlich und in ausreichendem Umfang von dieser Öffnungsklausel auch Gebrauch machen. Demgegenüber wäre es problemlos möglich gewesen, meinungs- und presserelevante Sachverhalte von der DSGVO auszunehmen und dieses Spannungsverhältnis von vornherein zu beseitigen.

Aber auch der deutsche Gesetzgeber wird es, allem Anschein nach, nicht gewährleisten, dass bis zum 25.05.2018 gesetzliche Regelungen in Kraft sind, die entsprechende Ausnahmen in ausreichendem Maße vorsehen.

Die spannende Frage ist, wie die Gerichte mit dieser Situation umgehen werden. Bei der schematischen Anwendung der DSGVO können sie es in meinungsrelevanten Fällen im Grunde nicht belassen. Denn die Gerichte sind unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Die deutschen Gerichte müssen nicht nur das Grundgesetz, sondern auch die Grundrechtecharta der EU beachten, die auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union gilt. Wenn die nationalen Gerichte also die DSGVO anwenden, müsse sie hierbei also (auch) die Grundrechtecharta berücksichtigen. Für den EuGH gilt dies ohnehin.

Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass die Gerichte bei Sachverhalten, die offensichtlich vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind, einen Verstoß gegen die DSGVO annehmen werden. Denn sie würden damit als Teil der öffentlichen Gewalt selbst gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit verstoßen. Es ist damit naheliegend, dass ein nationales Gericht entweder eine grundrechtskonforme Auslegung wählt oder an den EuGH vorlegt.

Das alles ändert aber nichts daran, dass der datenschutzrechtliche Tunnelblick des europäischen Gesetzgebers eine formelle Rechtslage zugelassen hat, die aus rechtsstaatlicher Sicht schwer erträglich ist. Der deutsche Gesetzgeber hat von seiner Möglichkeit Abhilfe zu schaffen, bislang ebenfalls nicht Gebrauch gemacht.

posted by Stadler at 23:26  
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