Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.12.08

2009: Das Jahr der Überwachung

Ab dem 1. Januar 2009 müssen auch Internet-Service-Provider Verbindungsdaten auf Vorrat speichern.

Zeitgleich tritt das umstrittene BKA-Gesetz in Kraft, das dem Bundeskriminalamt zur Bekämpfung von Gefahren des internationalen Terrorismus weitreichende Befugnisse einräumt, u.a. den sog. verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme (Online-Durchsuchung).

Beide Neuregelungen greifen – sicher nicht ganz zufällig – sehr gut ineinander, weil die von den Providern auf Vorrat und verdachtsunabhängig zu speichernden Internetverbindungsdaten im Wege der sog. Rasterfahndung nach § 20j BKA-Gesetz vom Bundeskriminalamt für den automatisierten Abgleich mit anderen Datenbeständen angefordert werden können.

Wer jetzt meint, eine heimliche Onlinedurchsuchung von Computern sei zum Zwecke der Terrorismusbekämpfung schon vertretbar, sollte sich bewusst sein, dass derartige Maßnahmen keineswegs auf verantwortliche oder verdächtige Personen beschränkt sind. Diese Maßnahmen können sich vielmehr grundsätzlich auch gegen unbeteiligte und nichtverantwortliche Personen richten. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber auch die Zeugnisverweigerungsrechte von Journalisten, Rechtsanwälten und Ärzten ausgehöhlt, weil gerade ein Zugriff auf die Rechner dieser an der Vorbereitung und Ausführung von Straftaten nicht beteiligten Personen im Bedarfsfall möglich sein soll. Das Gesetz ist also von Vornherein darauf angelegt, einen möglichst großen Personenkreis in heimliche Überwachungsmaßnahmen einzubeziehen, solange sich das BKA nur – aus welchen Gründen auch immer – erhofft, bei solchen Personen auf Informationen zu stoßen, die für die Behörde für die Erfüllung ihrer Aufgaben von Interesse sein könnte.

Speziell hier zeigt sich auch im Vergleich zur ebenfalls möglichen TK-Überwachung (§ 20l BKA-Gesetz) eine neue Qualität. Die TK-Überwachung ist im BKA-Gesetz, wie in den Polizeiaufgabengesetzen der Länder auch, grundsätzlich auf verantwortliche und verdächtige Personen beschränkt und solche, die mit diesen unmittelbar kommunizieren. Diese Einschränkung sucht man bei der Onlinedurchsuchung vergeblich.

Ob der in letzter Minute durchgehend eingeführte Richtervorbehalt für einen deutlich besseren Schutz der Betroffenen sorgen wird, darf man bezweifeln. Die Praxis zeigt, dass Richter zu oft ohne sorgfältige Prüfung nur das unterschreiben, was ihnen Sicherheitsbehörden und Staastanwaltschaften vorsetzen.

Das Netz der Überwachungsmöglichkeiten wird immer dichter und alle Augen richten sich wieder einmal nach Karlsruhe.

posted by Stadler at 13:57  

30.12.08

CDU Taunusstein, Schäuble, Stasi 2.0

Erfrischend klingt das Jahr 2008 dann doch noch aus.

Nachdem die Politik 2.0 weiter auf sich warten lässt, kann man auf der Homepage des CDU-Ortsverbandes Taunusstein am 30.12.2008 das Stasi 2.0 Logo mit dem Konterfei von Wolfgang Schäuble (vulgo: Schäublone) bewundern. Und das sieht/sah so aus.

Ist da ein Ortsverband der CDU zur Vernunft gekommen? Nein. Die Überschrift lautet: „Herzlich Willkommen auf den erneut gehackten Seiten des Stadtverbandes Taunusstein“. Schade eigentlich.

posted by Stadler at 10:42  

30.12.08

Neues UWG in Kraft getreten

Das neue UWG wurde am 29.12.2008 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am 30.12.2008 in Kraft getreten. Durch die Neufassung wird die EU-Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt, deren Umsetzungsfrist bereits seit einem Jahr verstrichen ist.

Neu ist u.a. eine Auflistung unzulässiger geschäftlicher Handlungen im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG.
Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22.12.2008

posted by Stadler at 09:39  

29.12.08

Europäisches Jahr der Kreativität und Innovation

Die EU hat 2009 zum Jahr der Kreativität und Innovation erklärt.
Die Bundesministerin der Justiz lädt zu diesem Anlass im Mai 2009 zu einer internationalen Urheberrechtskonferenz nach Berlin ein. Die Veranstaltung soll Denkanstöße für die weitere rechtspolitische Diskussion auf dem Gebiet des Urheberrechts auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene geben.

Da kann man sich gerade im Bereich des Urheberrechts eigentlich nur wünschen, dass sich die Gesetzgebung und Politik in Brüssel und Berlin an die eigene Nase fasst. Niemand hat Kreativität und Innovation mehr nötig, als die Kommission und die Bundesregierung. Die zuletzt verabschiedeten „Körbe“ bieten allerdings wenig Anlass zur Hoffnung.

Das geltende Urheberrecht ist anchronistisch. Bislang hat der Gesetzgeber auf die zunehmenden Möglichkeiten der digitalen Verbreitung und Vervielfältigung gerade im Bereich von Musik und Film stets nur repressive Antworten gefunden und die Lösung primär in der Pönalisierung des Nutzerverhaltens gesehen. Insoweit stellt sich weniger die Frage ob dies richtig oder falsch ist, sondern vielmehr, ob diese Lösungen zukunftsfähig sind. Leider neigen Juristen – und sie bestimmen die Entwicklung des Rechts – allerorten dazu, den status quo aufrecht zu erhalten und ihre alten Schemata über neue Phänomene zu stülpen. Diese Strukturen erschweren die dringend notwendige Modernisierung des Urheberrechts weltweit.

Die Fehlentwicklung des Urheberrechts in den letzten Jahren ist zudem einseitig durch die Lobbyarbeit gewerblicher Rechteinhaber geprägt. Gerade die Musikindustrie war unfähig die Herausforderungen des Internets anzunehmen und hat stattdessen nur mit immer weiter reichenden Forderungen nach gesetzlichen Instrumentarien zur Verfolgung von Verletzern reagiert. Die Jagd der Industrie auf Tauschbörsennutzer hat an der Entwicklung allerdings nichts geändert und wird dies auch in Zukunft nicht. Kreative Antworten auf ein altes Urheberrecht sind deshalb mehr denn je gefragt. Dass gerade die Vertreter des Stillstands in Brüssel und Berlin jetzt zur Innovation und Kreativität aufrufen, wirkt allerdings unfreiwillig komisch.

posted by Stadler at 14:35  

29.12.08

Pressefreiheit in der Krise?

Die TAZ sieht die Pressefreiheit in der Krise. TAZ-Justitar Peter Scheibe beschwört in seinem Artikel Grundrecht in der Krise eine Krise des Presserechts, weil die Verlage angesichts der Rezession immer weniger bereit seien, ihre Rechte vor Gericht wahrzunehmen.

Wenn das als Begründung für eine Krise der Pressefreiheit taugt, dann sind wirtschaftskrisenbedingt derzeit freilich alle möglichen Grundrechte in der Krise.

Scheibe begrüßt in seinem Beitrag außerdem Bestrebungen, den sog. fliegenden Gerichtsstand abzuschaffen. Aus der Warte eines Verlags mag es sicher bequem sein, wenn man nur an seinem Sitz verklagt werden kann. Aus Sicht des Betroffenen ist es speziell bei Veröffentlichungen im Internet allerdings völlig unerheblich, ob die Inhalte von Berlin, München oder Australien aus ins Netz gestellt werden. Der Effekt ist dergleiche. Ob hier der Sitz des Publizierenden tatsächlich der sachgerechtere Anknüpfungspunkt ist, darf man bezweifeln.

posted by Stadler at 12:03  

19.12.08

Kreative Antworten auf ein altes Urheberrrecht

Der elektrische Reporter fasst wieder mal prägnant zusammen, was seit längerer Zeit diskutiert wird. Flatrates für Musik und Creative Commons (CC) als künftige Modelle für das Urheberrecht im digitalen Zeitalter.

Der Gesetzegeber in Europa und Deutschland handelt derweil allerdings weiterhin mit den Instrumentarien des ausgehenden 19 Jahrhunderts. Der Wandel muss in den Köpfen stattfinden und wie es aussieht, wird das noch dauern.
Elektrischer Reporter: Flatrate für digitale Kulturgüter

posted by Stadler at 15:51  

19.12.08

VG Köln: Telekom muss IP-Adressen an Sicherheitsbehörden übermitteln

Die Telekom bleibt vorerst verpflichtet, Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden Auskünfte über Inhaber eines Internetanschlusses mit dynamischen IP-Adressen zu erteilen. Einen im September 2008 beim Verwaltungsgericht Köln gestellten Eilantrag mit dem Ziel, diese Verpflichtung vorerst auszusetzen, lehnte das Gericht ab(Az.: 21 L 1398/08). Mit ihrem Eilantrag hatte sich die Telekom gegen eine Verfügung der Bundesnetzagentur gewandt.

Das Verwaltungsgericht begründet seinen Beschluss damit, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen offen seien und im gerichtlichen Eilverfahren nicht abschließend geklärt werden könnten. Gleichzeitig war das Gericht aber der Ansicht, dass bis zu einer endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren das öffentliche Interesse an der Auskunftserteilung wegen der Notwendigkeit einer effektiven Strafverfolgung und effektiven Gefahrenabwehr überwiegt.

Das Gericht hat somit einer Bewertung der Rechtmäßigkeit der Verfügung der Bundesnetzagentur noch nicht vorgenommen, wenngleich solche Eilentscheidungen häufig schon eine Tendenz andeuten.

Gegen den Beschluss kan die Telekom Beschwerde zum OVG Münster einlegen.

In der Sache hat das Verwaltungsgericht zu klären, ob ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG gegegben ist und ob hierfür insbesondere § 113 TKG eine ausreichende rechtliche Grundlage bietet. Zur Klärung dieser Frage sah sich das VG Köln zumindest im Rahmen des Eilverfahrens nicht imstande.
Pressemitteilung des VG Köln vom 18.12.08

posted by Stadler at 08:54  

17.12.08

Schon wieder NPD-Verbotsverfahren?

Warum man als Bayerischer Ministerpräsident nach dem Angriff auf den Paussauer Polizeichef unbedingt eine Diskussion über einen neuerlichen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht anzetteln muss, ist mir ein Rätsel.

Das Verfassungsgericht hatte das Verbotsverfahren 2003 wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt, weil wegen der vom Verfassungsschutz eingeschleusten und bezahlten V-Leute die strikte Staatsfreiheit der NPD vom Gericht nicht festgestellt werden konnte. Die Durchsetzung der Führungsebene der NPD mit V-Leuten des Verfassungsschutzes macht nach Ansicht des BVerfG eine Einflussnahme des Staates auf die Willensbildung und Tätigkeit der NPD unvermeidbar.

Ein Verbotsverfahren kann also überhaupt nur dann durchgeführt werden – womit noch nichts über die Erfolgsaussichten gesagt ist – wenn die Geheimdienste und Sicherheitsbehörden ihre V-Leute eine gewisse Zeit vor Stellung des Verbotsantrags vollständig abziehen. Nachdem dies offenbar bislang nicht passiert ist, läuft man mit einem neuerlichen Verbotsantrag wiederum Gefahr, dass das Bundesverfassungsgericht gar nicht zur Sache entscheiden wird, weil nach wie vor ein Verfahrenshindernis besteht.

posted by Stadler at 11:14  

16.12.08

EuGH: Erfassung von EU-Ausländern im Ausländerzentralregister ist diskriminierend

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 16.12.08 (Az.:C?524/06) entschieden, dass die Erfassung von EU-Ausländern im deutschen Ausländerzentralregister eine unzulässige Diskriminierung darstellt.

Art. 12 Abs. 1 EG-Vertrag ist nach der Entscheidung dahingehend auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, zur Bekämpfung der Kriminalität ein System zur Verarbeitung personenbezogener Daten zu errichten, das nur Unionsbürger erfasst, die keine Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats sind.
Das Urteil des EuGH im Volltext

posted by Stadler at 16:59  

15.12.08

BKA-Gesetz und Pressefreiheit

Als Anschlag auf die Pressefreiheit geißelt Spiegel Online das BKA-Gesetz und stützt sich dabei auf Chefredakteure und Journalisten von Zeit, FAZ, SZ, Focus, Stern, TAZ, Cicero, Bild, ARD, ZDF und RTL.

Und die Schlagzeile erscheint kaum übertrieben, droht doch mit der Aushöhlung des Zeugnisverweigerungsrechts von Journalisten die faktische Abschaffung dessen, was die Grundlage der freien Presse bildet. Wenn die Presse sich nicht mehr auf den Schutz ihrer Quellen berufen kann, wird sie es in Zukunft schwer haben, Informationen zu bekommen, Missstände aufzudecken und damit ihre Funktion als „4.Gewalt“ zu erfüllen.

Aber die Einschränkung der Pressefreiheit ist nur ein Aspekt eines fragwürdigen und rechtsstaatsfernen Gesetzesvorhabens. Auch der Deutsche Anwaltverein lehnt das BKA-Gesetz ab und hat den Vermittlungsausschuss aufgefordert, dem gefundenen „Kompromiss“ nicht zuzustimmen. In einer gemeinsamen Resolution mit dem Deutschen Journalisten-Verband und dem Hartmann Bund fordert der DAV einen absoluten Schutz aller Berufsgeheimnisträger.

Die Chancen dafür, dass sich diese legitime Forderung noch durchsetzt, stehen freilich schlecht. Der Bundestag hat in den letzten Jahren wiederholt unter Beweis gestellt, dass er seine eigentliche Aufgabe als Gesetzgeber oft nicht mehr erfüllt, sondern seine Abgeordneten nur noch Gesetze abnicken, die ihnen von der Exekutive in Berlin oder Brüssel vorgesetzt werden. Dass die demokratische Kontrolle dieser Exekutive in Fragen, die für einen freiheitlichen Rechtsstaat essentiell sind, mittlerweile fast ausschließlich durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt, ist alarmierend. Gerade die Abgeordneten der jeweiligen Regierungsparteien scheinen nicht mehr in der Lage zu sein, sich aus dem Würgegriff des Fraktionszwangs befreien zu können und zwar selbst dann nicht, wenn es in freiheitlicher Hinsicht ans Eingemachte geht.

posted by Stadler at 20:58  
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